Sind Sie bereit für Ihr eigenes Netzwerk?

Erfolgreiche Menschen sind fast immer begabte Netzwerker, die scheinbar mühelos persönliche Beziehungen herstellen, wann immer es dazu Gelegenheit gibt. Nicht selten beginnt das mit einem belanglos wirkenden Small Talk. Nahezu jeder Mensch verfügt bereits über ein soziales Netzwerk. Oft machen wir uns nicht bewusst, welche Kontaktchancen wir durch unsere Familie, durch Freunde, Bekannte und Kollegen haben und welches Potenzial darin steckt. Wir nehmen uns nicht die Zeit, interessante Begegnungen, die wir auf Seminaren, Messen oder beruflichen Veranstaltungen hatten, weiter zu pflegen, obwohl wir uns das oft vornehmen. Sie gehen einfach im alltäglichen Arbeitspensum unter.

In Karriereportalen, Büchern und Zeitschriften wird gern auf eine Studie zum Thema Karriere der Firma IBM verwiesen. Obwohl die Quelle dieser Studie trotz zahlreicher Recherchen nicht mehr auffindbar zu sein scheint, wie die Zitierenden berichten, soll sie hier auch nicht fehlen.
Demnach hat IBM in den Neunzigerjahren Unternehmen befragt, nach welchen Kriterien sie ihre Mitarbeiter rekrutieren und was bei der Entscheidung für eine bestimmte Person entscheidend war. Die Unternehmen hätten wie folgt geantwortet: Bei der Beförderung oder Einstellung von Führungskräften waren ausschlaggebend:

  • 10 Prozent Qualifikation,

  • 30 Prozent Image,

  • 60 Prozent Bekanntheitsgrad.

Natürlich kann man entgegnen, die Qualifikation ist die Grundvoraussetzung, eine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können beziehungsweise zu dürfen. Image setzt Bekanntheit voraus. Um sich ein Image zu verschaffen, müssen Sie zunächst bekannt werden.

Wie wichtig sind Beziehungen bei der Jobvergabe?

1973 stellte sich auch der US-Soziologe Mark Granovetter diese Frage. Granovetter konnte nachweisen, dass die Hälfte der von ihm befragten Personen ihren Arbeitsvertrag über persönliche Kontakte bekommen hat. Interessanterweise vor allem durch Kontakte über gemeinsame Bekannte. Man kennt jemanden, der jemanden kennt, der auch jemanden kennt. Er nannte das Phänomen ›The strength of weak ties‹, weil nach seiner Recherche schwache Bindungen (weak ties) dabei am effektivsten waren (Granovetter 1973: 1360–1380).
Die Entscheidung für ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung wird häufig nach gleichen Kriterien gefällt. In Zeiten schwindender Produktunterschiede sind oft auch bei der Vergabe von Aufträgen das Image und die Bekanntheit das Zünglein an der Waage. Image und Bekanntheit eines Produktes kann durch Werbung erreicht werden.
Im Jahr 2011 arbeiteten in Deutschland in der Werbung sowie der Markt- und Meinungsforschung rund 253.400 Personen und erwirtschafteten circa 22 Milliarden Euro (Statistisches Bundesamt 2014: 8). Wenn also Unternehmen über 20 Milliarden Euro für Werbung und somit für Bekanntheit und Image ausgeben, dann dürfte eines auf der Hand liegen: Für Ihr persönliches Image und Ihre Bekanntheit müssen Sie selbst etwas tun. Falls Sie in der Vergangenheit noch kein intensiver Netzwerker waren, haben Sie nun mit den vorgestellten Small-Talk-Tools die Werkzeuge an der Hand, das zu ändern. So wie die Industrie in Werbung investiert und damit langfristig erfolgreich ist, so kommt auch im Small Talk der Erfolg nicht über Nacht. Das bedeutet, dass Sie jede Gelegenheit zum Üben nutzen sollten.

Das Kleine-Welt-Phänomen

In diesem Zusammenhang ist ein weiteres Experiment aus dem Jahr 1967 von Stanley Milgram interessant. Die Idee, dass alle Menschen auf der Welt durch eine überraschend kurze Kette von Bekanntschaftsbeziehungen miteinander verbunden sind, beschrieb 1929 der ungarische Autor Frigyes Karinthy in der Erzählung Láncszemek, die auf Deutsch unter dem Titel Kettenglieder erschien (Karinthy 1929).
Stanley Milgram, ein US-amerikanischer Psychologe, der durch sein ›Milgram-Experiment‹ bekannt wurde, mit dem er die Zusammenhänge von Gehorsam und Autoritäten untersuchte, wollte diese Hypothese wissenschaftlich belegen. 1967 startete er sein ›small world experiment‹, welches er in den folgenden Jahren mit immer größeren Teilnehmerzahlen und größeren Entfernungen zur Zieladresse wiederholte.
Nun werden Sie nicht mit jedem Menschen weltweit in Beziehung treten wollen, aber auch Sie können über mehrere Beziehungsschritte wertvolle, sogenannte ›weak ties‹-Kontakte herstellen.

Analysieren Sie Ihr persönliches Netzwerk

Netzwerken kann man lernen. Es geht zunächst darum, die positiven Seiten eines ausgewogenen Systems aus Kompetenzen, Möglichkeiten und Verbindungen zu erkennen, Beziehungen zu pflegen und sich bei den richtigen Leuten ins Gespräch zu bringen. Small Talk ist das geeignete Mittel, ein zunächst unverbindliches Gespräch nach der BEN-Formel zu beginnen und wenn es die Gelegenheit erlaubt, das Gespräch auf die Sachebene überzuleiten, Interesse an weiterführenden Kontakten zu signalisieren oder einen weiteren Kontakt zu verabreden.

Nun sind Sie an der Reihe

Nehmen Sie ein leeres Blatt und zeichnen Sie sich eine Netzwerkspinne. In der Mitte steht Ihr Name. Schreiben Sie in den mittleren Kreis ›Ich‹. Nun füllen Sie wie in einem Spinnennetz eine nächste Reihe Knoten um Ihren Kreis aus. Schreiben Sie die Namen ihrer nächsten Angehörigen sowie Ihrer nächsten Freunde und die Namen Ihrer Kollegen und Bekannten an die Knotenpunkte des ersten Knotenkreises um Ihren Namen. Vergessen Sie nicht Vereine, Verbände und Institutionen, mit deren Mitgliedern Sie regelmäßigen Kontakt haben.
Füllen Sie nun die Knoten des zweiten Kreises um Ihren Namen. Jede Person aus dem ersten Knotenkreis hat wiederum ein eigenes Netzwerk. Einige Personen haben Sie vielleicht schon persönlich kennengelernt. Andere kennen Sie nur vom Hörensagen. Schreiben Sie an die Knoten des zweiten Kreises, welche Verbindungen die Personen der ersten Kreisreihe Ihres Wissens haben und was Sie über diese Personen wissen.

Beispiel: Ihr Freund Leo ist Systemingenieur und arbeitet für ein IT-Unternehmen. Seine Freundin ist Prokuristin in einem Versandhaus. Leos Vater ist Anwalt und besitzt mehrere Mietshäuser. Er ist im Vorstand eines Grundbesitzervereins.
In der ersten Reihe finden wir Leo, in der zweiten Reihe darüber das IT-Unternehmen, Leos Kollegen, von denen er erzählt hat, Leos Vater, den Grundbesitzerverein, Leos Freundin, das Versandhaus. Wie beim Mind-Mapping füllen Sie nun für jeden Namen des ersten Kreises im zweiten Kreis weitere, Ihnen bekannte Verbindungen dieser Personen auf. Je nach Kenntnisstand können Sie auf diese Weise noch Knotenpunkte einer dritten Kreisreihe anfügen.
Nun haben Sie ein genaues und oft auch erstaunliches Bild von dem Netzwerk über das Sie bereits verfügen! Überlegen Sie, welches Potenzial dieses Netzwerk für Ihre persönlichen Ziele anbietet und zu welchen Personen in der zweiten und dritten Reihe Sie einen direkten Kontakt wünschen. Das sind Ihre schon vorhandenen weak-ties, also Ihre Chancen, die darin bestehen, dass Sie jemanden kennen, der jemanden kennt, der auch jemanden kennt.

Welches Ziel sollte Ihr Netzwerk haben?

Gewinnen Sie darüber zunächst Klarheit. Gibt es bereits ein Netzwerk, dem Sie beitreten können? Zum Beispiel ein Unternehmerverband, ein Frauennetzwerk wie das international vernetzte BPW (Business Professional Women), andere berufliche, branchenbezogene Interessenverbände? Oder schaffen Sie sich lieber ein eigenes Netzwerk? Soll das ein offizielles Netzwerk sein, wollen Sie die Mitglieder zu regelmäßigen Treffen einladen? Das ist mit viel Zeitaufwand verbunden, hat dafür den Vorteil, dass Sie selbst die Spinne in der Mitte des Netzwerkes sind. Und je zentraler Ihre eigene Position in einem Netzwerk ist, desto wichtiger sind Sie und desto mehr profitieren Sie von Ihren Verbindungen. Oder soll Ihr Netzwerk nur für Sie existieren, indem Sie regelmäßig und aktiv zu allen Personen Kontakt halten, ohne das direkt als offizielles Netzwerk zu bezeichnen? Wen möchten Sie in Ihrem Netzwerk haben und wie könnten Sie den ersten Kontakt herstellen?
Machen Sie sich zunächst eine Namensliste. Wer soll zu Ihrem persönlichen Netzwerk gehören? Was können Sie Ihren Netzwerkmitgliedern an Wissensaustausch oder Empfehlungen anbieten?
Machen Sie eine Liste der Personen, die Sie in Ihrem Netzwerk haben wollen. Stecken Sie sich das Blatt in die Tasche, es wird Ihnen in den nächsten Tagen dazu noch so mancher einfallen.

  • Name
  • Beruf oder Firma
  • Mein Interesse
  • Vorleistung
  • Wo/Wie Kontakt aufnehmen?

Wenn Sie wissen, wo Sie Ihren neuen Netzwerkpartner treffen, stellen Sie einen Kontakt. Ist der erste Kontakt geschafft, vertiefen Sie die Verbindung. Je mehr Sie über die andere Person und über ihre Bedürfnisse und Interessen wissen, desto einfacher ist es, einen Aufhänger für einen erneuten Kontakt zu finden. Ein guter Aufhänger kann eine Information oder ein Kontakt sein, den Sie einem Ihrer anderen Netzwerkpartner anbieten.

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