Kein Glück ohne …

Glück und Glückfinden darüber wurden viele Bücher geschrieben, Seminare veranstaltet und sonst irgendwie siniert. Dennoch rasen wir rastlos durchs Leben auf der Suche nach dem ultimativen Glück. Es ist ein bisschen wie Schatten fangen – immer wenn man da ist, ist er wieder weg. Der Happyologe Patrik Wenke hat mit dem Abt Shi Heng Zong darüber gesprochen und erstaunliche Antworten bekommen.

Auf meiner Suche nach dem Weg zum Glück bekam ich von einem Freund einen Tipp. Er erzählte von einem Kloster, genauer gesagt dem Shaolin Temple Europe in Otterberg (Rheinland-Pfalz). Dort fand ein traditionelles Ullambana-Fest statt. Das Ullambana-Fest wird zum Gedenken der Eltern und Vorfahren gefeiert.

Das Buch zum Thema

Rendezvous mit dem Glück
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»Denkt jederzeit an eure Eltern und Vorfahren. Alljährlich aus Kindesliebe im Gedenken an sie, haltet die Ullambana-Feier.«

Buddha

Dieses Ullambana-Fest bot mir die Gelegenheit, einige Meister kennenzulernen und an Übungen teilzunehmen. Angeboten wurden unter anderem Qigong-Kurse. Qigong hält den Geist klar und hilft, den Körper belastbar und dynamisch zu trainieren bei simultan ausgleichender Ruhe seiner Emotionen. Qigong ist als praktische Verbindung zu verstehen, in der sich alte Kunst und moderne Wissenschaft vereinen.

In den ebenfalls angebotenen Tai-Chi-Kursen wurde den Teilnehmern die bewegte Meditation nahegebracht. Ziel war die Harmonisierung von Körper und Geist. Dieser wundervolle Tag machte mir ganz schnell klar, dass ich hier fündig werde auf meiner Suche nach dem Weg zum Glück.

An diesem Tag gab es für mich zwei Kernbotschaften:

  1. Turn off the Music: Komm zur Ruhe und schalte alle Außengeräusche ab. Finde dich und deine innere Mitte.
  2. Play your own Music: Höre auf deine innere Stimme und fange an, Mitgestalter deiner eigenen Stimme zu werden.

Was ist deine eigene Musik? Deine Berufung? Deine Persönlichkeit? Deine Aufgabe? Deine Mission? Ich war so unendlich dankbar für diese Erkenntnis und wollte mehr wissen, also ging ich zuAbt Shi Heng Zong, der im Tempel saß und allgemeine Fragen über Buddhismus und den Alltag im Kloster beantwortete. Als ich vor ihm stand, fragte ich sofort los: »Was ist Glück? Und: Wie finde ich es?«

Auf diese zwei Fragen gab es eine sehr schnelle und sehr inspirierende Antwort vom Abt.

»Setz dich Junge, die Antwort kann länger dauern!« Und dann saßen wir und er erzählte und erzählte und erzählte … Ich wollte mitschreiben, damit ich nichts vergesse. Doch der Abt sagte: »Was du über Glück wissen musst, ist ganz einfach: Die meisten Menschen suchen vergeblich das Glück im Außen, dabei liegt das Glück in dir und es kann auch nur von dir entdeckt werden.«

Die meisten Menschen suchen das Glück im Außen: Wenn ich im Lotto gewinne, wenn ich eine andere Beziehung hätte, wenn ich mehr Geld hätte, wenn ich einen anderen Job hätte, wenn ich nur jünger wäre, wenn ich älter wäre, wenn ich fitter wäre, wenn ich …

Wenn du Glück im Außen suchst, bist du von äußeren Umständen abhängig. Also wartest du auf bessere Umstände, bessere Möglichkeiten, bessere Chancen, bessere Zeitpunkte, bessere … Und dann wartest du und wartest und wartest und machst dein Außen für dein Unglück weiterhin verantwortlich.

Wenn du dann das Glück hast, dass von außen etwas kommt, was dich glücklich macht, bist du wieder davon abhängig. Denn was von außen kommt, ist anfällig und nicht von Dauer. Du wünschst dir ein Auto? Du bekommst das Auto. Und eines Tages ist das Auto weg (Diebstahl, Unfall, Defekt et cetera). Jetzt bist du wieder unglücklich.

Wahres und vor allem dauerhaftes Glück kommt von innen, denn das innere Glück ist nicht anfällig von äußeren Umständen. Es ist autonom und bleibt. Wahres, inneres Glück ist immer wieder abrufbar, wenn du es brauchst.

Dieses Glück gehört dir!

Ich bedankte mich beim Abt und erzählte ihm von meinem Buchprojekt. Da die Schlange der Menschen, die Fragen an den Abt hatten, immer länger wurde, verabredeten wir uns für einen späteren Interviewtermin.

Kurze Zeit später fuhr ich also voller Vorfreude erneut nach Otterberg. Das Interview fand im Kloster statt. Wie zu erwarten, war es ein wundervoller, glücklicher Tag, an dem wir lachten, philosophierten und Geschichten erzählten, die unsere Herzen berührten. Ich bedankte mich noch einmal ganz herzlich für die Einladung zum Ullambana-Fest und dieser bereichernden Erfahrung eines Umfeldes voller Harmonie und klarem Bewusstsein, sowie des Einblicks ins Klosterleben und zum Thema Buddhismus. Da ich zum Buddhismus noch eine große Neugier verspürte, fragte ich den Abt nach den tieferen Botschaften des Buddhismus. Abt Shi Heng Zongs Antwort lautete: »Schön, dass es dir gefallen hat. Der Buddhismus hat eine lange Tradition in vielen Bereichen.« Wichtig ist der Einklang mit sich selbst durch Achtsamkeit, der Einklang mit anderen Menschen durch Würde und der Einklang mit der Umwelt und allen Lebewesen mit Respekt. Das hat auch etwas mit Glück zu tun, denn wir wünschen allen Lebewesen in unserem täglichen Gebet Glück.

Mögen alle Lebewesen mit Glück und den Ursachen von Glück erfüllt sein. Mögen alle Lebewesen von Leid und den Ursachen von Leid getrennt sein. Mögen alle Lebewesen in Gleichmut verweilen, frei von Anhaftung und Hass. Mögen alle Lebewesen glücklich sein.«

Damit waren wir ja sofort wieder beim Thema Glück. Ich bat den Abt auf den Punkt »Einklang mit sich selbst durch Achtsamkeit« detaillierter einzugehen. Darauf antwortete Abt Shi Heng Zong: »Wenn du die Welt verändern willst, fang bei dir an. Ich glaube jeder Mensch ist für sich selbst der Mittelpunkt der Welt. Nur von dort aus kann er die Welt wahrnehmen und verändern. Wenn der Mittelpunkt (also du) nicht glücklich (b)ist, wie soll der Rest der Welt glücklich sein? Fang bei dir an und bringe dich in Einklang. Übe dich in Achtsamkeit. Achtsamkeit alleine reicht nicht, du musst auch in Aktion kommen. Dazu gibt es eine schöne passende Geschichte:

›Eine reiche Frau hat seit Jahren ihr Haus nicht verlassen, weil sie Angst hat, dass ihr Besitz ausgeraubt wird. Sie ist jeden Tag zu Hause und passt auf. Eines Tages muss sie zum Amt und auch persönlich erscheinen. Sie benachrichtigt ihren Gärtner und sagt: ›Sei achtsam‹.

Die Frau verlässt ihr Haus und kommt nach drei Stunden wieder. Die Eingangstür steht weit offen und alles wurde ausgeraubt. Sie rennt zum Gärtner und schimpft, dass er nicht achtsam war. Der Gärtner erwiderte: ›Aber ich war achtsam.‹ Es waren vier Einbrecher: Ein kleiner Mann, zwei mittelgroße und ein großer Mann. Zuerst haben Sie die Tür aufgebrochen. Dann haben Sie die Möbel rausgetragen und anschließend den Tresor. Zum Schluss haben sie noch die Gemälde eingepackt und dann sind sie fortgefahren.‹

Achtsam zu sein alleine, reicht nicht, du musst auch ins Tun kommen. Achtsamkeit heißt also nicht nur Wahrnehmung, sondern auch Handeln. Beispiel Umwelt: Es reicht nicht, dass du achtsam bist und siehst, wie die Umwelt zerstört wird. Du solltest auch ins Handeln kommen, aktiv etwas zum Umweltschutz beitragen und unsere Ressourcen schützen.« Was für eine schöne Geschichte zum Thema Achtsamkeit.

Dazu fiel mir ein Satz ein, den der Meister des Qigong-Kurses beim Ullambana-Fest gesagt und der mich im Anschluss tagelang bewegt hatte. Er sagte, dass unser Umfeld zu laut sei und dass uns viele Eindrücke von außen von uns selbst ablenken. Um zur Ruhe zu kommen, sollte ich alle Außengeräusche ausschalten. Er nannte es: Turn off the Music

Abt Shi Heng Zong hatte dafür ein passendes Beispiel: »Um mit dir selbst im Einklang zu sein, braucht es Ruhe. Schau hier …« Der Abt nahm ein Glas Wasser, hält es über ein Blatt Papier und bewegt es. »Und? Kannst du etwas lesen, was auf dem Papier steht?«

Natürlich konnte ich nichts lesen. Nachdem der Abt nun das mit Wasser gefüllte Glas auf das Blatt gestellt hatte und das Wasser sich nicht mehr bewegte, fragte er erneut: »Kannst du es jetzt lesen?«

Ja, jetzt konnte ich es klar und deutlich lesen! Daraufhin Abt Shi Heng Zong: »Wenn du nicht zur Ruhe kommst, kannst du nichts erkennen. Das ist der Grund, warum wir geistberuhigende Meditation machen. Es hilft uns, klar und deutlich zu sehen. Tief in dir liegen alle Antworten und auch das Glück findest du in dir. Du musst dir nur die Zeit nehmen und genau hinsehen!«

Ich war beeindruckt, wie einfach und logisch das klang und das Beispiel ließ keinen Zweifel. Ich bin selbst verantwortlich für mein Glück. Die meisten Menschen suchen das Glück im Außen, machen auch das Außen dafür verantwortlich und geben diesem die Schuld für das Nicht-Glück. Wem du Schuld gibst, gibst du Macht. Heißt also:

Macht = Ich bin für mein Glück selbst verantwortlich.

Machtlos = Ich suche die Schuld im Außen.

Das sah Abt Shi Heng Zong ebenso: »Genauso ist es. Äußeres Glück ist nicht bedingungslos und damit nicht wahrhaftig. Materialistisches Glück ist abhängiges Glück und macht uns machtlos in unserem Glück. Bedingungsloses Glück findest du nur in dir und verleihst dir damit Macht über dein Glück. Es gehört dir – bedingungslos und für immer.

Das innere Glück ist erfüllend und nur von uns. Daher haben wir die Macht über unser eigenes Glück und sind nicht machtlos, wenn das äußere Glück plötzlich verschwindet.

Viele Menschen denken immer noch, man könne sich Glück kaufen. Für einen kurzen Moment ist das vielleicht auch so. Ich kann mir im heißen Sommer eine Klimaanlage kaufen und bin damit für den Moment vermeintlich glücklicher als die Menschen, die keine Klimaanlage haben. Aber gekauftes Glück ist nicht langfristig und vor allem nicht wahrhaftig.«

Play your own Music

Abt Shi Heng Zong antwortete: »›Play your own Music‹ ist der Beginn deiner Selbstfindung und vor allem deiner Selbstgestaltung. Spiel deine Musik und steuere damit bewusst dein bewusstes Ich. Keine Einflüsse von außen, sondern alles von deinem inneren Ich. Wenn du zur Ruhe gekommen bist und die Außenmusik für einen Moment ausgeschaltet hast, findest du Antworten auf alle deine Fragen. Höre nur auf deine innere Stimme und lass Emotionen zu. Emotionen sind aufgewühltes, schmutziges Wasser im Geist. Emotionen sind unkontrolliert. Deshalb verwandle Emotionen in Gefühle, damit du diese bewusst durch geistige Ruhe steuern kannst. Damit gelangst du zur inneren Ruhe und Gelassenheit und schaffst es, deiner eigenen Musik zu lauschen. Aus dieser gelassenen Ruhe kannst du dann deine eigene Musik aufspielen: Play your own Music!«

Hier als To-do-Plan einmal zusammengefasst:

  1. Turn off the Music.
  2. Kontrolliere deine geistige Ruhe.
  3. Genieße die Stille für einen Moment.
  4. Stelle dir die drei Fragen:
  5. Wo stehe ich jetzt und wohin will ich?
  6. Was will ich und was will ich nicht?
  7. Wer bin ich und wer will ich sein?
  8. Und dann … Play your own Music
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