Der Kunde – Mittelpunkt, Individuum oder Nerv-Faktor?

Gerade in Zeiten einer kaum überschaubaren Produktvielfalt und von immer mehr Angeboten im Dienstleistungsbereich wird der Kunde als Individuum immer wichtiger. Aber nur wer sich auf seine Kunden und deren individuelle Anforderungen und Wünsche konzentriert, wird zufriedene und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch loyale Kunden haben. Man kann nicht wirklich glaubhaft den Kunden in den Mittelpunkt stellen und gleichzeitig jeden Einwand mit „Ja, aber …“ beginnen.

Überzeugungstechniken wie „So dachten andere Kunden auch zu Anfang, bis sie dann gemerkt haben, dass …“ bringen den Kunden nicht mehr automatisch dazu, seinen Einwand zu vergessen. Der Kunde merkt heute sehr genau, ob sich der Verkäufer wirklich mit ihm beschäftigt oder doch eher mit dem Produkt, welches verkauft werden soll.

„Was erlauben Kunde?“, so würde es wahrscheinlich der bekannte Fußballtrainer Giovanni Trappatoni ausdrücken. Kunden sind heute autonomer und selbstbewusster geworden. Kaum hat der Kunde einen Rabatt angeboten bekommen, geht er zum nächsten Anbieter und versucht, noch ein paar Prozent mehr herauszukitzeln. Im Grunde war das aber schon vorher klar. Denn wer wegen eines Rabattes kommt, der geht auch wegen eines besseren Rabattes meist wieder. Darüber hinaus tut der Kunde seine Meinung über Produkte, Service, Unternehmen und auch über die Verkäufer kund. Social Media heißt das Stichwort. Er „twittert“, teilt seine Erfahrungen in Portalen und Foren mit anderen oder betreibt sogar eigene Blogs. Auch im Business sind langjährige Geschäftsbeziehungen nicht mehr die Regel und beim Netzwerken wird offen über die eigenen Erfahrungen mit Dienstleistern und Lieferanten diskutiert. Was aber hat dies mit dem Verkauf zu tun? Der Verkäufer ist heute oft der erste und manchmal einzige Vertreter des Unternehmens, mit dem der Kunde persönlichen Kontakt hat. Der Verkäufer steht also repräsentativ für das Unternehmen, die Marke, das Produkt und alles, was dazugehört. Wie ein Kunde reagiert, wenn er unzufrieden ist, kann man schwer vorhersagen. Umso wichtiger ist es, Unzufriedenheit des Kunden im Verkauf und der Akquise zu vermeiden.

Kunden möchten endlich wieder als Individuum wahrgenommen werden und das tun erfolgreiche Verkäufer. Sie haben die Aufgabe, Allgemeinnutzen in individuellen Nutzen umzuwandeln, die Werbesprache aus der Marketingabteilung in die Sprache zu übersetzen, die der Kunde versteht. Aus den vielen Vorteilen und Nutzen, die Produkte und Leistungen heute bieten, muss der Verkäufer diejenigen identifizieren, die für den Kunden tatsächlich relevant sind. Und er muss am besten genau in dem Moment beim Kunden sein, wenn er beginnt, über eine Investition nachzudenken. Individuelle Leistungen und Produkte, die den Kunden begeistern, zeigen, dass sich der Verkäufer mit ihm auseinandersetzt und nach Lösungen sucht. Die Firma „123-Küchen“ hat dies zu ihrer Philosophie gemacht.

„Jeder Kunde ist für uns ein Individuum, so auch seine Wünsche, was die Küche betrifft. Und jeder, der unser Haus betritt, wird auch als solches betrachtet.“

Wie kann ich aber nun meine persönlichen Ziele oder die Umsatzvorgaben meines Unternehmens mit kundenorientiertem Verkauf vereinbaren? Geht das überhaupt? Die Antwort lautet „Ja“. Dazu ist aber etwas Geduld und Weitsicht nötig. Solange man den Kunden noch „closed“, Einwände mit zig Techniken „behandelt“, und das „Nein“ des Kunden bis zur fünften Wiederholung nicht akzeptiert, wird das nicht gehen. Wenn man Kunden schubladenartig in Typen einteilt, sie mit Tieren und deren Aussehen vergleicht, wie zum Beispiel den „Nix-Raffer“, den Choleriker, den Wissens-Junkie und den behäbigen Elefantentyp, wird das nicht zum Erfolg führen. Was Sie tun können, um Ihre Kunden und Interessenten wirklich individuell zu sehen und ihnen dies auch zu zeigen:

  1. Haben Sie wirkliches Interesse an Ihren Kunden, dann konzentrieren Sie sich auf den Kunden. Interesse kommt vom lateinischen „inter“ (zwischen, inmitten) und „esse“ (sein) und bedeutet so viel wie „dabei sein“. Seien Sie bei Ihrem Kunden, in seiner Welt, in seinem Verständnis.
  2. Vermeiden Sie stereotypes Denken und Handeln. Auch wenn Sie bereits beim vierundachtzigsten Bauunternehmen akquirieren und einen Gesprächstermin vereinbaren wollen, nutzen Sie die Erfahrungen, die Sie in den dreiundachtzig Gesprächen davor gesammelt haben. Lassen Sie gleichzeitig die Möglichkeit zu, dass genau dieses Bauunternehmen alles anders macht und nicht vergleichbar ist.
  3. Lassen Sie auch Dinge zu, die nicht in Ihr Bild passen. Es kann durchaus sein, dass es heute sehr erfolgreiche Unternehmen gibt, die zum Beispiel keine Homepage haben. Nehmen Sie es auf und nehmen Sie es erst einmal an.
  4. Seien Sie neugierig. Reanimieren Sie diese Fähigkeit, die Ihnen in der Kindheit irgendwann einmal versucht wurde abzugewöhnen. Fragen Sie nach, suchen Sie nach Parallelen, werden Sie ab und zu wie Mr. Spock vom Raumschiff Enterprise. Finden Sie etwas „faszinierend“ statt seltsam.
  5. Hören Sie zu und hören Sie hin. Schenken Sie besonders in den ersten Phasen des Verkaufsprozesses dem Interessenten Ihre volle Aufmerksamkeit.
  6. Machen Sie sich immer wieder klar, dass es nicht um Sie geht, nicht um Ihre Produkte oder Ihr Unternehmen. Es geht um den Kunden, seine Probleme, Bedarfe, Ziele und Wünsche. Verkäufer sind Dienstleister. Leisten Sie also Dienst am Kunden.
  7. Zeigen Sie dem Kunden, dass Sie in der Lage sind, in seine Welt einzutreten. Zeigen Sie, dass sie ihn verstanden haben, indem Sie Feedback geben.
  8. Sprechen Sie den Kunden direkt an und reden Sie nicht in allgemeinen Sprechblasen. Anstatt „das ist ja heute in der Branche sehr wichtig“, sagen Sie lieber „wie Sie vorhin erwähnt haben, kommt es Ihnen in der Beziehung zu Ihren Kunden darauf an, …“.
  9. Fragen Sie direkt: „Was ist Ihnen besonders wichtig?“ Seien Sie persönlich, nicht allgemein.

Die Welt des Kunden ist komplex – leben Sie damit!

Überlegen Sie einmal, welchen Prozess Sie beruflich oder privat in Gang setzen müssen, um etwas einzukaufen.

  • Wessen Zustimmung benötigen Sie?
  • Wer muss informiert werden?
  • Welche Rahmenbedingungen gibt es?
  • Nach welchem Schema läuft eine Bestellung ab?
  • Wer entscheidet am Ende?

Nutzen und Bedarfe müssen in verschiedene Richtungen kommuniziert werden, es gibt eine Reihe von Personen, die (sich) fragen: „Und was habe ich davon?“ Dies gilt nicht nur für große Unternehmen oder Konzerne. Jedes Unternehmen, jeder Mensch hat seinen Kaufprozess und dieser ist in der Regel immer gleich. Für den Verkäufer ist es auf den ersten Blick selten ersichtlich, welche Prozesse und Entscheidungswege eine Rolle spielen. Oft weiß selbst der Kunde nicht einmal, welche Reaktionen im direkten Umfeld ausgelöst werden. Meist zeigt sich dann am Ende des Verkaufsprozesses, dass wohl etwas „vergessen“ wurde, wenn der Kunde dann doch nicht kauft. Die Gründe haben dann aber nicht mehr direkt mit dem Angebot zu tun, sondern mit dem Umfeld, dem System. Gerne nutze ich hier zur Visualisierung das Bild eines Mobiles. Wenn Sie an einem Teil ein kleines Stückchen ziehen, gerät ein Teil am anderen Ende ebenfalls in Bewegung. Für einen Verkäufer bedeutet dies, dass er – mit dem Wissen um diese spezifischen Zusammenhänge und deren Analyse – einfacher verkaufen kann.

Versuchen Sie nicht nur etwas über den Bedarf des Kunden herauszufinden, sondern auch über das System, dessen Teil er ist.

Ein Unternehmen ist nicht nur eine Zweckgemeinschaft, in dem sich Menschen zur Arbeit und zur Verwirklichung von Zielen zusammenfinden. Es ist ein vernetztes und komplexes (nicht immer auch kompliziertes) System, welches eher kybernetisch als statisch zu betrachten ist. Als Verkäufer hat man meist keinen direkten Zugang zu diesem System. Ein Verkäufer muss daher möglichst zum „Insider“ werden, um zu verstehen, wie genau dieses System funktioniert. Wie werden Sie zum Insider? Indem Sie auf die Dinge achten, die Ihnen Erkenntnisse über das System und die Kultur liefern:

  • Die Interaktion und der Umgang den Menschen im Unternehmen.
  • Den Umgang des Unternehmens mit den eigenen Kunden.
  • Die Merkmale der „ungeschriebenen Gesetzte“.
  • Die Antworten, die Sie auf Ihre Fragen erhalten.

 

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