Der Baum, der auf die Straße sprang

Kennen Sie das? Während ein wichtiger Kunde ein akutes Problem hat, wird in der Teamsitzung die Schuldfrage heiß diskutiert. Überflüssig zu sagen, dass dem Kunden (und dem eignen Unternehmen) so nicht geholfen wird. Auch Versicherungen können lustige Geschichten davon erzählen: „Schuld war nicht ich als Fahrer! Schuld war die Frau in dem roten Kleid!“ Sinn, Unsinn und Lösung von der Fixierung auf das Hindernis werden auf einer kurzen Reise durch die Zeit klar.

Urzeit und nacktes Überleben

Vor vielen Jahren fuhr ein Bekannter von mir nach einer Party mit dem Fahrrad nach Hause. Er hatte einiges getrunken, konnte sich aber noch sicher auf dem Fahrrad halten. Und keiner machte sich große Sorgen. Auf dem ganzen Weg über die Felder gab es an der Straße schließlich nur einen einzigen Baum. Sie ahnen schon was passierte! Genau, der Baum traf ihn völlig unvorbereitet!

Aber wie nur konnte das passieren? Die Fixierung auf die „Gefahr“ ist ein uraltes Überlebensprogramm. Hätten sich unsere Vorfahren auf die schönen Blumen anstatt auf den gefräßigen Saurier fokussiert, gäbe es jetzt keine Menschen. An sich ist dieses Verhalten also durchaus sinnvoll. Leider ist es gerade in sozialen Situationen wenig hilfreich. Der Fokus auf das Problem bringt uns nicht weiter. Aber oft passiert genau das. Wir wollen das Problem verstehen und am besten gleich auch noch den Schuldigen stellen. Warum eigentlich?

Mittelalter und Schuld

Ein klassischer Interpretationsansatz ist der, dass uns die Zuordnung von Schuld ein Gefühl von Kontrolle und Macht gibt. In einer unberechenbaren Welt wissen wir zumindest, dass wir das nicht waren! Diesmal nicht!

Und die Suche nach dem Schuldigen steckt uns geschichtlich gesehen auch noch tief in den Knochen.

Noch bis in das Mittelalter hinein wurden die Massen unter anderem mit Hilfe der Schuld untertan gehalten. Die Mächtigen hatten großes Interesse daran, dass sich der einzelne klein, minderwertig und unfähig fühlte. Und dem sind wir mental noch kaum entwachsen.

Machen Sie ein kurzes Experiment:

  1. Stellen Sie sich jetzt vor: Sie sind schuldig! Lassen ruhig für einen Moment den Kopf hängen und das unangenehme Gefühl der Unzulänglichkeit aufsteigen. Wie viel Energie steht Ihnen zu Verfügung, um die Welt zu verbessern?
  2. Und jetzt spüren Sie einmal in die Haltung der Verantwortung hinein. Sie haben die Macht, Ihr Leben und das Leben Ihrer Mitmenschen zu gestalten. Welche Körperhaltung nehmen Sie jetzt ein? Und wie sieht es jetzt mit Ihrer Energie und Ihrem Tatendrang aus?

Sie werden sicherlich schon bei diesem sehr kleinen Experiment bemerkt haben, -Schuld hält uns in negativen Mustern fest und macht uns klein und unfähig. In Verantwortung hingegen wachsen wir und fühlen uns groß und machtvoll.

Die Zeiten der Hexenverfolgung (mächtige Frauen waren den Obersten ein Graus) sind zwar vorbei, aber der Fokus auf die Schuld ist noch heute zu erleben. So mittelalterlich das anmutet, so real ist es leider immer noch im Unternehmensalltag.

Dabei können wir uns das doch gar nicht leisten!

Neuzeit und Zeitnot

Wir haben ja noch nicht einmal die Zeit dazu! Der Druck auf Mitarbeiter und Führungskräfte nimmt in vielen Unternehmen stetig zu. Es wird vom Einzelnen immer mehr verlangt, – natürlich in kürzerer Zeit. Da hilft uns weder unser Urzeit- noch unser Mittelalterprogramm weiter! Zugegeben, Schuldzuweisungen können durchaus auch einmal unseren Alltag erhellen, wenn sie in Form der schon erwähnten lustigen Schadensmeldungen bei Versicherungen auftauchen. Folgende Stilblüten machen vor allem eins ganz klar: Ich war es nicht! „Ich musste schneller fahren, um durch den Luftzug die Biene aus dem Auto zu kriegen.” – „Die Fahrt war an einem Baum zu Ende. Er stand unter Alkohol.” – „Der andere Wagen war absolut unsichtbar, und dann verschwand er.”

– Und wenn ich gar nicht Schuld bin, ist die Welt schließlich quasi in Ordnung, weil sie nachvollziehbar und damit kontrollierbar erscheint.

Natürlich führen Schuldzuweisungen aber weder dazu, dass die Versicherung bezahlt, noch, dass andere Probleme verschwinden. Wie können wir es also besser machen?

Zukunft und Lösung

In einer akuten Konfliktsituation ist es wirklich sinnvoll die Ursachenforschung als erstes einmal zu vergessen. Sobald wir uns eine Auszeit nehmen können, ist ein Reflektieren darüber durchaus sinnvoll. Aber jetzt muss erst einmal die Kuh vom Eis geholt werden. Damit wir nicht in alte Programme zurückfallen, lohnen sich folgende Fragen:

  • Wo wollen wir hin? Was ist die positive Perspektive auf die wir zusteuern wollen?
  • Was muss jetzt als erstes passieren, damit wir diese positive Situation herbeiführen können?
  • Was sollten wir unbedingt tun, um weiteren Schaden zu verhindern?
  • Wer kann unterstützend hinzugezogen werden?

Mit diesen Fragen können Sie festgefahrene Teamsitzungen sowie negative innere Dialoge wieder auf Kurs bringen. Und schauen wir erst einmal wieder in die richtige Richtung, unterstützt uns unser Fokus auch neuronal. Denn wenn wir auf die positive Perspektive schauen, schaltet unser biologisches System von Überlebenskampf auf Kreativität um. Wir fühlen uns machtvoll, haben viel Energie und können leicht Lösungen generieren.

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