Debatten werden nicht nur in Talkshows geführt. Wir führen sie tagtäglich, nur nennen wir sie nicht so. Immer dann, wenn wir die lockere Diskussion verlassen, etwas wettbewerbsorientierter unserer Argumente für oder gegen etwas schärfen und überzeugen wollen, beginnen wir zu debattieren. Doch spätestens, wenn die Argumente der anderen mehr überzeugen als die eigenen neigen wir dazu, auch unfaire Karten zu ziehen.
Die Debatte ist ein strukturierter Austausch von Argumenten und Sichtweisen mit dem Ziel, die Gesprächsgegenüber von meiner Meinung zu überzeugen. Die Grundeinstellung ist: »Ich habe recht und du weißt das noch nicht. Deshalb werde ich dir jetzt ausführlich erklären, warum meine Meinung alternativlos ist!«
Dann starten wir mit Argumenten, mit Beispielen, wir zitieren Fachleute, Studien und Koryphäen des Themas. Wir berufen uns auf Gesetze und Normen, dass die Geschichte uns das gelehrt hat, und legen uns etwas zurecht, was den anderen überzeugen muss. Da sind wir schon beim Knackpunkt der Debatte. Die unbedingte und nicht zu diskutierende Voraussetzung für den Erfolg einer Debatte ist, dass beide Gesprächspartner grundsätzlich bereit sind, die eigene Meinung aufzugeben, wenn die Argumente der Gegenseite überzeugender sind.
Daran scheitern viele Debatten und du ahnst, was ich von politischen Debatten in der Politik und TV-Shows halte. Dass Sich-nicht-bewegen-Wollen vom eigenen Standpunkt, fordert das Gegenüber noch stärker heraus. Noch schlagkräftigere Argumente werden in der zweiten Runde herbeigezerrt, unsere Stimme wird eindringlicher, weil wir das Gefühl haben, mit mehr Energie unseren Standpunkt durchsetzen zu können. Dieses Verhalten wiederum erzeugt automatisch eine größere Abwehrhaltung: »Je eindringlicher jemand auf mich einredet, umso mehr blockiere ich.« Diese scheinbare Bockigkeit fordert den Debattierenden noch mehr heraus und so eskaliert das Gespräch in die wohlbekannte Formulierung: »Mit dir kann man ja nicht diskutieren!« Zurück bleiben zwei beleidigte Meinungskreise und schmollende Menschen.
In Vertriebsschulungen wird diese Hartnäckigkeit von Anfang an eingebläut. Ein »Nein« sei lediglich die Abkürzung von »Noch Ein Impuls Notwendig«. Also weiterreden und versuchen, den anderen mit stärkeren Argumenten zu schütteln, getreu dem Motto: »Der muss doch zu bewegen sein!«
Ich komme zum schon erwähnten Beispiel von Max Müller zurück, als ich ihm dies erläuterte.
»Jetzt wird mir einiges klar. Ich habe meinen Chef davon zu überzeugen versucht, dass ich so eine externe Unterstützung nicht brauche. Ich habe meine bisherigen Erfolge aufgezeigt. Als das nichts nützte, habe ich Kundenäußerungen angeführt, Kollegen zitiert und auf das Protokoll des Mitarbeitergesprächs verwiesen. Hat auch nichts gebracht. Zum Schluss habe ich auf einen Kollegen verwiesen, der das meiner Ansicht nach nötiger hätte.«
»Glauben Sie, dass es ein Argument gegeben hätte, Ihren Chef umzustimmen?«
»Natürlich nicht, denn sein Entschluss stand von vornherein fest und er hätte sich von nichts und niemanden abbringen lassen«.
»Warum haben Sie dann weiter mit ihm diskutiert?«
Nach einer langen Pause gab Herr Müller zu: »Weiß ich nicht, war wohl pure Unsicherheit und Verzweiflung!«
Ich will es hier schon vorwegnehmen, wie du das umgehen könntest. Traue dich, in dem Gespräch die Frage zu stellen: »Wenn wir jetzt über die Sache diskutieren, besteht die Möglichkeit, dass ich dich überzeugen kann und du deinen Standpunkt ändern würdest?«
Es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine irritierende Pause entstehen und dich ein verständnisloser Blick treffen. Widerstehe der Versuchung, dich zu rechtfertigen, und halte tapfer die Pause aus. Bei einem klaren »Ja«, beginne, deine Argumentationskette abzufädeln. Bei einem umschriebenen oder zögerlichen »Nein«, erspare dir und dem anderen jeden weiteren zermürbenden Austausch. Der wird dich definitiv nicht zum Ziel bringen. Das Gespräch kann nur zu einer fruchtlosen Diskussion werden und irgendwann frustriert und ergebnislos abgebrochen werden.

Christoph Maria Michalski ist »der Konfliktnavigator«, renommierter Streitexperte, Autor und Redner. Seine Ideen helfen, knifflige Situationen souverän zu meistern. Praxiserprobt und mit seinen drei Ausbildungen als Musiker, Pädagoge und IT-Fachmann inspiriert er damit andere Menschen. Die Resultate sind weniger Stress, mehr Erfolg und entspannte Leichtigkeit. Als Zauberer, Marathonläufer und Motorradfan lebt er den perfekten Mix aus Energie und Kreativität.