Mit dem Angebot steht und fällt der Vertriebsprozess. Es ist Türöffner zum Deal und aber gleichzeitig eine fatale Bruchstelle. Es findet ein Wechsel des Kommunikationskanals statt – eine neuralgische Situation, in der nicht selten der mühevoll erarbeitete Vertriebsprozess oft abrupt abricht. Doch diesen abrupten Abbruch kann man, wie der Vertriebsexperte Pritu Detemple zeigt, entgegenwirken.
Das Angebot ist eine Bruchstelle im Vertrieb
In den meisten Vertriebsprozessen von Unternehmen lassen sich typischerweise zwei Bruchstellen beobachten: erstens die Akquise- und zweitens die Angebotsphase. Mit Bruchstelle ist eine kommunikative Bruchstelle gemeint: Personen sind in regem Kontakt und dann bricht plötzlich und (zumindest gefühlt) völlig grundlos der Austausch ab. Viele Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter verstehen nicht, warum, und es wirkt für sie schon fast willkürlich. Aber wie vieles in der Logik und Rhetorik des Vertriebes hat dies einen klaren Grund: Wir brechen nach der Bedarfsanalyse mit der Art der Kommunikation. Es erfolgt ein Wechsel von der verbalen zur schriftlichen Kommunikation. Das hat meist ganz einfache, sachliche Gründe in der Komplexität des Angebots. Ein Wechsel des Kommunikationskanals ist, dass wissen alle Marketingexperten, immer ein Umstand, der zu Abbrüchen führt. Und tatsächlich springen abgesehen von der Erstansprache potenziell die meisten Interessenten in unserem mühevoll erarbeiteten Prozess nun ab. Welche Gründe hat das?
Ein Bruch mit der bisherigen Kommunikation entsteht vor allem, wenn wir ein Angebot verschicken, wie es in der Breite der deutschen Unternehmen üblicherweise aussieht. Bis zu diesem Punkt haben wir uns bemüht, uns möglichst auf den Nutzen des Kunden zu fokussieren, ihn in den Mittelpunkt zu stellen, alles zu tun, um ihm oder ihr die beste Lösung für ihr Szenario anzubieten, sie mit Wertschätzung und Transparenz zu bedenken, und nun? Nun versenden wir die übliche DIN-A4-Seite mit ein paar Leistungspositionen, Quantitäten, Preisen, Zwischensummen, netto, brutto, Gesamtsumme, vielleicht noch die AGB im Kleingedruckten und in blassem Grau, das war es dann. Ist das konsistent? Passt diese Art Angebot in unser bisheriges Verhalten? Natürlich nicht. Es ist intransparent, generisch, austauschbar und wird nicht im Geringsten dem Anspruch an die Wertschätzung gerecht, die wir unseren Interessenten bisher entgegenbrachten. Aus diesem Grund möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen, wie Sie trotz des Wechsels des Kanals vom verbalen auf den schriftlichen eine möglichst konsistente Kommunikation an den Tag legen können.
Wie vermeiden Sie also einen konkreten Abbruch der Kommunikation an dieser Bruchstelle? Ich denke, der wichtigste Tipp dabei ist, das Angebot gleich mit einem NAS, einem Next-Action-Step, zu verbinden. Denn verschicken Sie nur eine E-Mail mit dem angehängten Angebot, ohne im Vorfeld einen nächsten handlungsfähigen Schritt verhandelt zu haben, sind Sie auf die Reaktion der Empfänger angewiesen. Eine Rückmeldung kann aber häufig ausbleiben. Selbst ein gut gemeintes »Schicken Sie mir Ihr Angebot und ich melde mich wieder bei Ihnen« lässt uns die Kontrolle innerhalb des Prozesses verlieren. Die Verbindlichkeit einer E-Mail ohne eine konkrete Terminabsprache ist nicht besonders hoch. Zudem ist die in der Demonstration hergestellte Bindung zum Produkt oder der Dienstleistung, vielleicht sogar die hervorgerufene Euphorie, nach einiger Zeit auch wieder verblasst, sodass die Motivation zur Reaktion unter Umständen nicht mehr die größte ist. Vereinbaren Sie stattdessen also lieber einen Next-Action-Step vom Typ 2, also einen verbindlichen handlungsfähigen Schritt, für das Angebot.
Tun Sie das auch möglichst bald nach dem Demonstrationstermin, um das darin erreichte Aktivierungslevel möglichst nicht zu verlieren. Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen können Sie einen nächsten Telefon- oder Meeting-Termin zur Angebotserläuterung vereinbaren und den Interessenten das Angebot erst kurz vor diesem Termin zukommen lassen. Oder Sie gehen noch einen Schritt weiter und einigen sich gleich auf einen Termin, bei dem Sie das Angebot sozusagen live präsentieren und erläutern.
Je nach Persönlichkeitstyp der Interessenten, Struktur des Buying Centers und der Beziehung, die wir zu diesen Personen haben, wird sich die eine oder die andere Variante anbieten. Eines ist bei beiden aber obligatorisch: Das Angebot zu einer erklärungsbedürftigen Leistung ist selbst ebenfalls erklärungsbedürftig! Wir verschicken keine Dokumente unkommentiert. Die Gründe sind dieselben, aus denen wir direkt nach dem Appointment Call auch nicht einfach so Marketingmaterial versenden: Aktiver Vertrieb bedeutet, dass Sie nicht die Kontrolle über den Vertriebsprozess verlieren. Wir sollten es also nicht versäumen, den Interessenten unser Angebot auch detailliert zu erklären. Viele Interessenten verlangen, das Angebot vorab geschickt zu bekommen, um es in Ruhe selbst durcharbeiten und mit den Kollegen und Kolleginnen besprechen zu können. So mancher sieht darin einen Vorteil. Es ist aber nur ein vermeintlicher, denn gerade bei erklärungsbedürftigen Produkten führen erklärungsbedürftige Angebote (und glauben Sie mir, sie sind immer erklärungsbedürftig) leicht zu Missverständnissen, die sich sofort hätten klären lassen, wenn wir als Verkäufer anwesend gewesen wären. Ich erkläre Kunden deshalb gern die Notwendigkeit, ein komplexes Angebot gemeinsam zu betrachten und durchzugehen, um solche Missverständnisse zu vermeiden. Die Erstellung eines komplexen Angebots macht weiterhin im Normalfall einiges an Arbeit und so will ich auch, dass es wertschätzend behandelt wird – wofür es zunächst einmal richtig verstanden werden muss. Deshalb will ich es gern persönlich erklären. Diese Argumentation wird meistens gut verstanden und akzeptiert, denn sie ist transparent und authentisch.
Konnten wir in den vorigen Prozessschritten schon Vertrauen zu unseren Interessenten aufbauen, wird dies zudem davon unterstützt, dass unser Verhalten auch in diesem Schritt konsistent ist und ebenso wahrgenommen wird. Wir kitten den entstandenen Bruch in der Kommunikationsform sozusagen dadurch, dass wir wieder zu unserer gewohnten, persönlich verbalen Dialogform zurückfinden.
Spätestens beim Telefonat oder Meeting zum Angebot verstehen alle, warum wir auf unser Vorgehen bestanden haben. Es liegt ein riesiger Unterschied darin, unser umfangreiches Angebotsdokument alleine durcharbeiten und verstehen zu müssen oder mit uns zusammen ›on the same page‹ zu sein. Diese englische Umschreibung trifft die Sache hier ganz wörtlich. Wir sind mit den Interessenten nicht nur auf derselben Wellenlänge, wie es in der deutschen Übersetzung heißt, sondern wir sind tatsächlich auf derselben Seite (was wiederum im doppelten Wortsinne wahr ist).
Um die maximale Klarheit und Verständlichkeit zu erreichen, teilen wir das, was wir von nun an als Angebot verstehen, in drei Teile innerhalb eines Dokuments auf:
- Die Proposition – die Leistungsbeschreibung,
- Die Position – die kaufmännische Kalkulation,
- Die Postposition – die Auftragsabwicklung.
Ein annehmbares Angebot besteht aus drei Teilen
#1 Die Proposition beschreibt die Leistung oder das Produkt, das Sie verkaufen wollen
In der Proposition, der Leistungsbeschreibung, kommunizieren wir den von uns angebotenen Lösungsvorschlag, und zwar so ausführlich und detailliert wie möglich. Was wir in der Demonstration gezeigt haben, übersetzen wir nun dementsprechend in die schriftliche Form und nehmen es in das Angebot auf. Die Proposition ist sozusagen die Fortsetzung der Demonstration mit anderen Mitteln. Es geht in diesem Teil des Angebots allerdings noch nicht um Preise, wie mancher es vielleicht gewohnt sein mag, sondern zunächst um den Inhalt. Wir geben mit der Proposition ein Statement of Work ab, ein Statement unserer Leistung an alle Entscheidungsträger. Egal ob es sich dabei um einzelne Personen oder ganze Entscheidungsabteilungen handelt. In der Proposition beschreiben wir, wie der Status quo des Kundenunternehmens vor unserer Leistung ist, was unsere Kunden durch das Produkt oder die Dienstleistung erhalten, welche Ergebnisse durch die Lösung erreicht werden und welche positiven Veränderungen dadurch entstehen.
Wir teilen diese Erläuterungen auf, sodass sie sich jeweils an die relevante Zielposition im Kundenunternehmen richten. Ergebnisse und Ziele, die etwa die Geschäftsführung oder die Finanzabteilung interessieren, zeigen also beispielsweise, wie die Lösung zur Steigerung des Umsatzes führt, Personalkosten reduziert, wie schnell der Return on Investment oder wie hoch der Total Cost of Ownership über die gesamte Laufzeit ist und so weiter. Jeder bekommt die Informationen, die für ihn oder sie relevant sind, erhält aber auch einen Einblick in die Informationen für die anderen und ist auf diese Art umfassend informiert. Während Sie das Angebot selbst zwar in Sektionen unterteilt, als Dokument aber nicht aufteilbar erstellen, können Sie leicht eine angepasste E-Mail pro Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner verfassen.
Um es in der FAB-Trias (siehe Abschnitt »The FABulous three: Features, Advantages, Benefits«, Seite 152) auszudrücken: Die Proposition adressiert vor allem den Benefit des Kunden. Sie antizipiert das Ergebnis des umgesetzten Lösungsvorschlags, verspricht also, dass der Nutzen erreicht werden wird, und beschreibt detailliert, wie dies im Einzelnen geschieht.
Warum nennen wir diesen Teil des Angebots Proposition? Denken Sie statt des Englischen an das Lateinische, dann können Sie es sich vielleicht schon denken: Die lateinische Vorsilbe »pro« bedeutet »vor«. Wir können das auf verschiedene deutsche Begriffe beziehen. Die Silbe steckt beispielsweise im Vorschlag, den wir ja der Kundin tatsächlich mit dieser Proposition unterbreiten. Wir können es aber auch wörtlich nehmen und sagen, hier steht etwas vor den Positionen. Welche Positionen sind nun damit gemeint? Natürlich die Angebotspositionen, wie Sie sie wahrscheinlich bereits kennen, genau genommen also die kaufmännische Kalkulation aus dem Kostenvoranschlag oder dem Preisangebot. Auch in diesem Wort »Voranschlag« steckt wieder die Silbe »vor«. Sie sehen, wir bereiten hier möglichst genau etwas Kommendes vor – nämlich die Kommunikation des Preises, der kaufmännischen Details.
#2 Die Position kalkuliert und kommuniziert die Kosten für den Käufer
Die Position entspricht einem Preisangebot, auf das man sich mit dem Kunden verbindlich einigen will. Für diese Verbindlichkeit ist es grundlegend, dass man sich vor der Festlegung der Position auf den genauen Umfang der Leistung oder die exakten Spezifikationen des Produkts geeinigt hat. Im Gegensatz zu einem unverbindlichen Kostenvoranschlag gibt die Position dem Buying Center Gewissheit über die zu erwartenden Kosten für Ihr Produkt oder Ihre Leistung. Es versteht sich von selbst, dass es in beiderseitigem Interesse ist, die Inhalte der Proposition so genau wie möglich festzulegen, gegebenenfalls zu besprechen, zu verhandeln und zu korrigieren, um dann in der Kalkulation der Position zu einem genauen Ergebnis zu kommen. Die Besprechung der Proposition im persönlichen Kontakt ist nicht zuletzt auch aus diesem Grund sehr wichtig. Erst wenn die Leistung verstanden wurde, hat der Preis auch seinen Wert. Ich weiß, Interessenten wollen oft vor allem eines: wissen, was es kostet. Widerstehen Sie dem Drang, hier nachzugeben und den Preis zu nennen, bis Sie sicher sind, dass die Leistung verstanden wurde.
Wie nun die einzelnen Punkte Ihrer Position aussehen, hängt natürlich von Ihrem Produkt oder Ihrer Dienstleistung ab. Seien Sie hier aber in jedem Fall möglichst transparent und verständlich. Haben Sie bei einer komplexen Dienstleistung, deren einzelne Teile schwer zu beziffern sind, dieses Verständnis bereits in der Demonstration und der Proposition hergestellt, mag eine einzige Gesamtsumme sogar ausreichend sein. Geht es um ein Produkt, bei dem der Kunde einzelne Teile auswählen und kombinieren kann, ist eine Aufschlüsselung sicher von Vorteil.
#3 Die Postposition betrifft die Abwicklung des Auftrages, Geschäftsbedingungen und rechtliche Aspekte
Die Postposition betrifft alle Teile des Angebots, die sich auf Vertragliches, Rechtliches, Geschäftsbedingungen und Ähnliches beziehen. Oft werden bei der herkömmlichen Art, Angebote zu verfassen, solche Dinge im Kleingedruckten versteckt. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Schauen Sie sich ein solches Angebot mal an. Sie finden die AGB wahrscheinlich irgendwo möglichst unsichtbar angehängt in winziger Schrift. Ich unterstelle da keinen bösen Willen. Die gute Absicht dahinter ist wohl, den Hauptteil des Angebots durch solche juristischen Texte nicht zu stören oder zu behindern. Gleichzeitig sind diese Teile aber wichtig für das Angebot und sollten nicht versteckt werden. Allein die Anstrengung, die einem beim Lesen winziger Texte in möglichst hellem Grauton abverlangt wird, grenzt an Körperverletzung.
Verstecken Sie deshalb diese wichtigen Teile Ihres Angebots nicht! Trennen Sie sie einfach vom Rest, gestalten Sie sie mit ebenso viel Aufwand wie das übrige Angebot, und schon ist das Problem der gegenseitigen Störung gelöst. Ihre Kundin kann sich so nach der Proposition und der Position ohne zusätzliche Anstrengung den rechtlichen und vertraglichen Teilen der Postposition widmen.
Die Trennung des Angebots in Proposition, Position und Postposition hat noch andere Vorteile: Sie können bei der Besprechung der einzelnen Teile jeweils eine Bestätigung und Zustimmung der Entscheider aus dem Buying Center einholen. Dieses Verbal Commitment ist die mündliche Annahme des jeweiligen Teils, mit der Sie die explizite Bestätigung haben, dass dieser gültig ist und ihm zugestimmt wird, wodurch Sie zum nächsten kommen können. Da die Teile konsekutiv aufeinander aufbauen, ist diese Art der schrittweisen Angebotsannahme ganz sinnvoll. Ich habe Klienten, die sich die einzelnen Teile sogar durch eine Unterschrift abnehmen lassen. Einige trennen die drei Angebotsteile nicht nur strukturell, sondern verschicken sie auch in einem zeitlichen Abstand voneinander. Das beugt Missverständnissen vor und gibt ihnen die Chance, noch Korrekturen und Nacharbeiten vorzunehmen, bevor ein genauer Preis genannt oder gar der Vertrag finalisiert wird. Selbstverständlich können Sie diesen Prozess gestalten, wie Sie es für sinnvoll halten.
Wichtig ist vor allem die Reihenfolge der drei Teile. Ob wir sie nun in einem Dokument hintereinanderstellen und nacheinander mit dem Kunden besprechen oder sie sogar zeitlich versetzt verschicken, spielt dabei in den meisten Fällen nicht die größte Rolle. Wir sollten aber nie den Preis vor der Leistung kommunizieren oder gar die vertraglichen Details an den Anfang stellen. Wie gesagt: Die drei Teile bauen konsekutiv aufeinander auf und sollten der Interessentin oder dem Interessenten in unserer Anwesenheit auch so vermittelt werden.
Pritu Detemple ist studierter Philosoph. Mit seiner Firma GO FOR SALES Vertriebsentwicklung unterstützt er Unternehmende beim Aufbau skalierbarer, agiler und zukunftssicherer Vertriebseinheiten. Sein Fokus liegt auf dem Einsatz von Vertriebsteams statt einzelnen „Star-Verkäufern” und der Entwicklung der passenden Kommunikationsstrategie. Dadurch, dass das Individuum und dessen Bedürfnisse im Zentrum dieser Herangehensweise stehen, vertritt er nichts weniger als einen neuen humanistischen Ansatz für einen Vertrieb von Mensch zu Mensch.