Contra geben, wenn es unfair wird

Morgens halb zehn im Meeting. Der Kollege verfolgt deine Präsentation mit demonstrativer Neugier. Lässig zurückgelehnt, mit verschränkten Armen und ausgestreckten Beinen zieht er gelegentlich die Augenbrauen hoch und atmet hörbar aus. Obwohl er noch nichts gesagt hat, zeichnet sich an seiner Körpersprache ab, dass er auf Angriff gepeilt ist. Wer sich jetzt verunsichern lässt, verliert Führung und Status – und auf Dauer auch Selbstachtung. Es lohnt sich, Contra zu geben!

Wiederholungstäter

Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Kollege so verhält. Erst kürzlich hat er, ohne auf das Ende der Präsentation zu warten, unterbrochen und deinen Vorschlag in der Luft zerrissen. Dann hat er gleich ergänzt, wie er es machen würde. Zu deiner Überraschung bekam er nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern auch teilweise zustimmendes Nicken des Teams. Während du noch entsetzt nach einem Gegenargument gesucht hast, der Todesstoß: „Da brauchst du jetzt doch nicht beleidigt zu sein!“

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Der Gefühlscocktail, der hier gemixt wird, ist explosiv: Der Angreifer versucht schon während der Präsentation zu verunsichern, in dem er mit seiner Körpersprache zeigt: Ich bin nicht deiner Meinung. Verbal erklärt er jedoch nicht, warum er sich so verhält – er lässt sein Opfer im Dunklen tappen. Ein Teil deiner Sensorik ist also bereits während der Präsentation damit beschäftigt, herauszufinden, warum sich diese Person so eigenartig verhält. Das kostet Energie, die beim Darlegen der Inhalte fehlt und dich schwächt. Die inhaltliche Kritik folgt auf dem Fuße mit einem anschließenden Vorschlag, wie man es besser macht.

So demontiert der Gegner deinen Status sukzessive und stellt sich mit seinem Vorschlag über dich. Gekrönt wird die Aktion schließlich durch die fiese Unterstellung, du seist beleidigt, worin natürlich mitschwingen soll, dass du überempfindlich bist und keine Kritik verträgst.

Kein Pardon bei Dreistigkeit

Diese dreiste Strategie bringt selbst das ruhigste Gemüt zum Brodeln. Wer jetzt an die Decke geht, bestätigt genau das, was der Angreifer gerade unterstellt hat. Damit hat er sein Ziel erreicht und serviert dem Publikum auch gleich den Beweis, dass er Recht hatte. Doch was tun?

Ignorieren? Nein, denn dann bleibt die gemeine Unterstellung im Raum. Also heißt es Kante zeigen und dem Kritiker die Bühne entziehen.

Voraussetzung dafür ist die innere Haltung: Den Angriff nicht als solchen werten, sondern mit Interesse reagieren. Sonst machen wir uns selbst zum Opfer und den anderen stärker. Wer führt, vergibt selbst eine Bewertung für die Aussage des Gegenübers: „Das ist eine interessante Sichtweise. Danke für deinen Input.“

Bei Unterstellungen das Verhalten ansprechen: „Ich bin mit konstruktiver Kritik einverstanden. Unterstellungen wie diese bitte ich dich zu unterlassen.“ Oder einfach den Spieß umdrehen und die Aussage als falsch bewerten: „Wie kommst du zu dieser falschen Annahme?“

Herdendrama

Sobald ein Angriff im Raum steht, sind alle Anwesenden betroffen. Menschen verhalten sich ähnlich einer Herde – die ganze Aufmerksamkeit geht in die Führungsfrage: Wer ist stärker? Wer führt uns durch das Meeting?

Deshalb gilt für Präsentierende: Bleib in Führung! Nimm die Kritik auf, reagiere – im ersten Schritt freundlich, doch bei fiesen Unterstellungen klar und deutlich. So bleiben Status und Sicherheit erhalten, und die Aufmerksamkeit kann rasch wieder zum Thema gelenkt werden, statt sich in Randschauplätzen zu verlieren.

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