Lassen Sie sich bloß nicht unterbuttern! Immer wieder kommt es vor, das Sie sich destruktiven oder manipulativen Angriffen ausgesetzt sehen. Nehmen Sie das bloß nicht persönlich denn der Angreifer versucht nur mit allen Mitteln seine eigenen (unmoralischen) Ziele zu erreichen. Moralisch verurteilen braucht man diese Angriffe aber keineswegs – Sie sind nur ein Zeichen von Schwäche. Auch wenn Sie diese Mittel nie einsetzen würden kann es nicht schaden Sie zu kennen ….
Ein destruktiver oder manipulativer Angriff hat nur ein Ziel: mit allen Mitteln
zu verhindern, dass das Präsentationsziel erreicht wird und/oder mit allen Mitteln
eigene Ziele durchsetzen. Diese Angriffe sollten nicht vorschnell mit moralischen
Kategorien verurteilt werden — denn oft sind sie das einzige Mittel schwächerer
oder abhängiger Gruppen um unmoralische Ziele zu verhindern. (Es handelt sich
hierbei um die ethische Debatte: Heiligt der Zweck die Mittel?) Auch wenn Sie sich
entscheiden, diese Mittel nie selbst einzusetzen, so wäre es doch unklug sie
nicht zu kennen und ihnen hilflos ausgeliefert zu sein. Wehrhaft zu sein bedeutet
auch, weniger angegriffen zu werden. Ihr Gegenüber spürt Ihre Grenzen und wechselt
zurück auf die faire Ebene. Das schont Ihre Nerven, verkürzt Diskussionen und
führt zu besseren Lösungen.
Unfaire Angriffe haben folgende Ziele:
- Sie sollen tief treffen, sodass der Angegriffene mit seinen Emotionen
(Wut, Rache, Angst, Fluchtgedanken ) beschäftigt ist und nicht mit der Sache! - Sie sollen verunsichern, sodass seine gute Vorbereitung und gute
mentale Verfassung ausgehebelt wird - Der Angegriffene wird müde und angeschlagen und kann dadurch seine
Sache nicht mehr so konsequent und selbstbewusst vertreten - Sie weisen automatisch in eine unterlegene Situation, denn egal wie
wir reagieren, ob aggressiv, ob unterwürfig oder ob souverän — wir bleiben Reagierende.
Aber: Diese Attacken haben nur dann eine Chance, wenn Sie sie zulassen.
Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass unfaire Angriffe sofort gekontert werden.
Es ist wichtig, unfaire Gesprächsbeiträge zu erkennen und konsequent und souverän zu
unterbinden. Sonst wird man im schlimmsten Fall zum Spielball und zum Opfer.
Seien Sie immer auch auf solche Argumente vorbereitet und üben Sie, sich
zu wehren. Vergeuden Sie aber nicht viel Energie dabei. Springen Sie — auch
wenn es noch so schwer fällt — nicht emotional an. Souverän mit unfairen Angriffen
umgehen bedeutet, seine Emotionen kontrollieren zu können. Der Coolere gewinnt!
Denn er behält den kühleren Kopf. Wer sich schnell emotionalisieren lässt, läuft
Gefahr, taktisch in die Defensive zu geraten, in ein Streitgespräch verwickelt zu
werden und das eigentliche Sachziel aus den Augen zu verlieren.
Albert Thiele (2004) unterscheidet in seinem sehr empfehlenswerten Dialektik-Ratgeber
zwischen Fried- und Kampfdialektik:
Merkmale fairer Argumentation (Frieddialektik)
- Alle Beteiligten suchen gemeinsam nach der Lösung
- Andere Meinungen werden wertschätzend behandelt
- Das Regelwerk des Fairplay wird beachtet
- Verbale Auseinandersetzungen belasten nicht die persönlichenBeziehungen
- Die Beteiligten räumen dem besten Argument den Vorrang ein
- Macht- und Dominanzrituale spielen keine Rolle
- Auch gegensätzliche Standpunkte werden fair und gelassen diskutiert
- Auch in heftigen Diskussionen wahren alle Beteiligten ihr Gesicht
- Es kann auch hitzig und leidenschaftlich zugehen, zum Wohl der Sache
Merkmale unfairer Argumentation (Kampfdialektik)
- Das Regelwerk des Fairplay wird missachtet
- Der Gegner wird offen oder verdeckt angegriffen
- Beim Gegner werden Unterlegenheitsgefühle oder Ängste erzeugt
- Nonverbale Droh- und Kampfgebärden werden eingesetzt
- Klima ist angespannt und frostig
- Hohes Stress-Niveau beim Angegriffenen
- Es gibt Sieger und Verlierer
Profi-Technik: Wie du mir, so ich dir!
Grundsätzlich gilt die Regel in der Rhetorik, immer nur so fair zu sein,
wie es der andere erlaubt. Die Spieltheorie hat nachgewiesen, dass diese
Methode die höchsten Gewinne einbringt und gesellschaftlich von höchstem
Nutzen ist, da schwarze Schafe sanktioniert werden und wieder fair spielen.
Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil!
Die Dialektik unterscheidet weiterhin innerhalb der Kampfdialektik zwischen
destruktiven und manipulativen Angriffen (Holz:1981). Destruktive Angriffe
sind zwar aggressiv und verletzend, aber sie sind offen und erkennbar. Man
kann ihnen Paroli bieten und zurück zur fairen Ebene gelangen. Manipulative
Angriffe tun auf den ersten Blick nicht weh: sie sind mitfühlend,
einschmeichelnd, beziehungsorientiert — aber nur auf der Oberfläche.
Denn unter der honigsüßen Fassade lauern die gefährlichsten Taktiken
der Täuschung, der Irreführung und der Lüge. Und da sie nicht offen
gezeigt werden, ist es auch sehr schwer sie zu bekämpfen.
Profi-Tipp: Aus Spielen aussteigen
Alte Konflikte lösen
Wer oft und immer wieder in die gleichen Spiele verwickelt wird, bei dem
deutet das auf einen ungelösten Konflikt (Eltern, Geschwister, Autoritäten)
hin. In der heutigen Realität wird immer wieder die gleiche Konstellation
und Konfliktsituation gesucht, um das alte Muster zu lösen (zu heilen).
Resonanz-Phänomene kennen
Wer sich wie ein Wolf verhält — ist meist auch von bissigen Wölfen
umgeben. Gleich und Gleich gesellt sich gerne und zieht sich magisch an.
Wer sich faire Kunden, nette Kollegen und verständnisvolle Vorgesetzte
wünscht, kann zuerst an den eigenen mentalen Programmen arbeiten — und
dann nach dem Resonanzphänomen wieder ähnliche Menschen anziehen.
Glaubenssätze hinterfragen
Wenig hilfreich sind Glaubenssätze wie Ich muss immer gewinnen! oder Jeder
muss mich mögen. Der eine Satz führt dazu, immer wieder ungewollt in Spiele
einzusteigen; der zweite führt dazu, immer wieder ungewollt zum Spielball in
Spielen zu werden. Besser: Ich gebe mein Bestes! oder Allen Menschen recht getan,
ist ein Ding, das niemand kann.
In allen drei Fällen kann ein professionelles Coaching weiterhelfen.
So wie jeder Mensch seine ganz eigenen Waffen hat, so hat auch jeder Mensch seinen
ganz eigenen wunden Punkt. Ihn zu kennen macht gelassen und souverän. Er ist uns
oft verborgen, doch sich mit ihm auseinanderzusetzen ist unerlässlich. Wer seinen
eigenen Schatten in die Gesamtpersönlichkeit integriert wird reifer, wirkt souverän
und wird nicht so schnell emotional verletzt und somit von seinem Ziel abgebracht.

Anita Hermann-Ruess ist eine gefragte Expertin zum Thema Präsentieren und Rhetorik. Sie verbindet auf einzigartige Weise die klassische Rhetorik mit Erkenntnissen aus der Neurobiologie.