Der Resilienzfaktor Impulskontrolle (Teil II)

Jemand durchkreutz Ihre Pläne auf den letzten Metern. Ohne Rücksicht auf Verluste holen Sie zum Gegenschlag aus und üben Vergeltung … Doch dieser erste Impuls ist vermutlich der schlechteste. Denn wenn Sie jetzt die Kontrolle verlieren, verlieren Sie in diesem Moment das worauf es ankommt …

Sie erinnern sich vielleicht an das Finale der Fußballweltmeisterschaft, Frankreich gegen Italien, in Berlin. Zinédine Zidane wird auf das Übelste von seinem Gegenspieler Materazzi beschimpft, geht zu ihm zurück und versetzt ihm einen brutalen Kopfstoß auf die Brust. In dieser Situation hatte er weder seine Emotionen noch seine Impulse unter Kontrolle. Wichtig ist, hierbei zu sehen, dass ihn diese Verhaltensweise ganz klar von seinem Ziel, also von seinem Erfolg abgebracht hat: den Gewinn der Fußballweltmeisterschaft im Rahmen des letzten Spiels seiner Karriere. Vielleicht gehören Sie zu den Menschen, die dazu sagen: »Richtig gemacht! Endlich mal jemand, der sich nichts gefallen lässt«, und vielleicht entspringt diese Einstellung der Tatsache, dass Sie eigentlich selbst gerne einmal so etwas machen würden, sich aber immer zurückhalten (müssen). Ich selbst habe bei meiner Arbeit als Sportpsychologe zahlreiche Profimannschaftssportler gefragt, was ihre Meinung dazu ist, und ich kann Ihnen Eins garantieren: Ich habe nicht einen Sportler getroffen, der Verständnis für diese Geste aufgebracht hätte. Es gab nicht einen, der nicht gesagt hat: »Der hätte in der Kabine richtig Ärger von mir bekommen, weil wir deswegen wahrscheinlich das Spiel verloren haben. Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle.«

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Hoch resiliente Menschen verstehen es, ihre ersten Impulse, insbesondere in Drucksituationen, effektiv zu steuern. Dies ist nicht nur in Situationen starker Emotionen von Bedeutung, sondern auch in unserem alltäglichen Leben. Daher ist Impulskontrolle auch nicht mit Emotionssteuerung gleichzusetzen, wie man es an dieser Stelle vermuten könnte. Impulskontrolle kann entsprechend auch mit dem sehr bekannten und wenig beliebten Wort Disziplin übersetzt werden. Denn hoch resiliente Menschen sind in vortrefflicher Weise in der Lage, konzentriert und achtsam an einer Aufgabe zu arbeiten und sich nicht permanent von anderen Aufgaben, Ideen oder Menschen ablenken zu lassen. Sie verfolgen darüber hinaus konsequent ihre Ziele, bringen Dinge zu Ende und erlangen darüber wiederum ein positives Gefühl wie Zufriedenheit oder Stolz, etwas zu Ende gebracht zu haben. Kennen Sie diese Situation, in der Sie kurz vor Feierabend Ihr Mailprogramm schließen möchten und sehen, dass da noch drei angefangene Mails geöffnet sind, an die Sie sich gar nicht mehr erinnern können? Oder dass Sie am Ende des Arbeitstages frustriert sind, weil Sie das Gefühl haben, so gar nichts erreicht oder abgeschlossen zu haben?

Genau deswegen ist Impulskontrolle in unserer Arbeitswelt von größter Bedeutung. Insbesondere wenn wir Aufgaben nachgehen, die uns nicht so viel Spaß machen, und diese gehören nun einmal zum Berufsleben dazu, ist es heutzutage enorm einfach, seinem ersten Impuls zu folgen. Erst einmal die Mail lesen, die gerade noch reingekommen ist, das Telefon klingelt, ich gehe mal schnell dran, der Kollege macht eine Kaffeepause und lädt Sie ein, mitzugehen, lange nicht mehr bei facebook oder bei XING nachgeschaut. Die Möglichkeiten, sich ablenken zu lassen, waren noch nie so groß. Ja, unsere Welt ist vernetzter und dadurch komplexer geworden und viele Forscher behaupten, wie gesagt, dass es genau das ist, was uns krank macht und in den Burn-out führt. Ich behaupte: Es ist nicht die Komplexität, die uns krank macht, sondern die Art und Weise, wie wir mit ihr umgehen. Professor Fredmund Malik, einer der führenden Managementvordenker unserer Zeit, stellt in seinem Buch Führen, Leisten, Leben folgende provokante, aber auch sehr treffende These auf (Malik 2000: 325):

»Fast alle der so häufig diskutierten Begleiterscheinungen intensiver Arbeit und beruflichen Leistungsdrucks wie Stress, Hetze und Hektik, gesundheitliche Schäden und viele familiären Querelen lassen sich, so behaupte ich, auf Mängel in der Arbeitsweise zurückführen. An viel und harter Arbeit erkrankt man nicht so leicht. Davon wird man müde. Man erkrankt an ineffizienter, sinn- und ergebnisloser Arbeit.«

Fredmund Malik

Wir müssen also in unserer modernen Lebenswelt lernen, bewusster mit der ganzen Komplexität umzugehen und eben vielleicht mal den Griff zum Blackberry oder zum iPhone lassen, um dafür eine Aufgabe wirklich zu Ende zu bringen. Hoch resiliente Menschen müssen dies nicht mehr lernen, denn sie tragen diese Fähigkeit bereits in sich und ziehen daraus ein großes Gefühl der Zufriedenheit.

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