Mehr verlernen – Zerstörung mit Struktur

Verlernen schafft Platz, damit wir Neues lernen. Niemand schreibt mehr Thür mit h. Seit 1901 haben Menschen verlernt, Thür zu schreiben. Die Achtzigstundenwoche an sieben Tagen haben wir zum Glück auch verlernt. Was heute normal klingt, wird in hundert Jahren amüsant sein. Die Diskrepanz zwischen dem, was akzeptiert ist, und dem, was als verrückt gilt, basiert auf unserer beschränkten Wahrnehmung. Bewährtes als normal und Neues als verrückt zu betrachten, ist auch normal – verrückt, oder?

Die Analphabeten des 21. Jahrhunderts sind nicht diejenigen, die nicht lesen und schreiben können. Sondern diejenigen, die nicht lernen, verlernen und umlernen können.

Alvin Toffler

»Die Denkfehler gehören zu uns und erwachsen aus dem, was wir glauben oder zu glauben glauben.« – »Viel wäre schon gewonnen, wenn du dein Weltbild als das sehen würdest, was es ist: dein persönlicher Blick auf die Welt.« – »Falsche Bilder im Kopf, Denkfehler und gepflegte Vorurteile können zu gravierenden Trugschlüssen führen.« – »Falsche Überzeugungen fesseln uns an den Status quo.« – »Wenn du sie erkennst, kannst du mit ihnen umgehen, ihren Spielraum einschränken, sie verbannen, sie mit Humor nehmen, dich mit ihnen anfreunden.« (Truchseß 2024)

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Doch damit Neues Platz im Denken und Tun finden kann, ist das aktive Ausmisten und Aufhören so wichtig. »Aufhören ist eine große Herausforderung und im Fahrwasser der Innovation eine in aller Regel übersehene Aufgabe.« »Es wird in Zukunft nicht mehr nur darum gehen, Innovationen hervorzubringen. Wir postulieren, dass stattdessen der Abschied vom Bestehenden die große Aufgabe der kommenden Zeit wird.« (Bils/Töpfer 2024)

Joseph Schumpeter prägte den Begriff der schöpferischen Zerstörung. Viele reden heute von Disruption — »to disrupt« bedeutet »unterbrechen« oder »zerstören«. Alte Trends, Produkte, Prozesse und Materialien werden zerstört und durch neue Firmen und Verfahren ersetzt. Das sieht Schumpeter als Motor für die wirtschaftliche Entwicklung.

Aufhören mit dem, was nicht funktioniert

Exnovation, also aufzuhören mit dem, was nicht mehr funktioniert, setzt Energie frei. »Ein zentraler Wettbewerbsfaktor besteht darin, unterscheiden zu können, wohin man Ressourcen fließen lässt, also wohin man Kräfte konzen-triert.« »Sobald klar ist, was das Wesentliche ist, ergibt sich daraus zwangsweise eine Erkenntnis darüber, was unwesentlich ist. Dies muss in letzter Konsequenz reduziert oder eben abgeschafft werden.« »Hier liegt die Wurzel unternehmerischer Erfolge.« (Bils/Töpfer 2024)

Das Unternehmen Zotter Schokolade GmbH pflegt eine besondere Form der Exnovation. »Wir haben ein sehr großes Sortiment, das ständig wechselt. Das führte regelmäßig zu Beschwerden unserer Kundinnen und Kunden, warum wir Sorten vom Markt genommen haben. Die Lieblinge landen nun auf dem Ideenfriedhof, und man kann sich dort von seiner Lieblingsschokolade verabschieden. Seit es einen Platz der Würdigung und des Abschieds gibt, sind die Beschwerden merklich zurückgegangen.« »Im Gegenzug sorgen wir immer wieder für neue Sorten. So entsteht ein Kreislauf aus Alt und Neu.« (Bils/Töpfer 2024)

Weiter-so-wie-bisher ist eine Illusion

Das Festhalten an alten Rezepten verhindert wirksame Veränderung. Es bleibt nichts, wie es ist. Niemals. Und es wird nie wieder so wie früher. Innoviert wird laufend, wenn nicht bei uns, dann passiert der Fortschritt woanders. Wer zu lange wartet, wird verändert.

Zerstörung ist notwendig und kein Systemfehler. Die Mehrheit der Firmen, die es heute gibt, ist in zwanzig Jahren verschwunden. Wer bleiben will, erneuert sich regelmäßig wie die Haut. Führe einen Friedhof mit toten Aufgaben, Services und Produkten ein. Häng die Löschlisten der Woche und des Monats ins Foyer und feiere sie als Befreiung von unproduktiver Überlastung. Entlastung wirkt doppelt positiv, da für wirkungsvolle Aufgaben mehr Zeit und Kraft bleiben.

»Was von all’ dem, was wir heute tun, würden wir nicht mehr neu beginnen, wenn wir‘s nicht schon täten?« ist laut Fredmund Malik die wichtigste Frage. Leidy Klotz schlägt vor: »Erst streichen, dann optimieren, was übrig bleibt. Und auf weniger bestehen, wenn andere hinzufügen wollen.« (Impulse, Mai 2024)

Brauchen wir das noch? Oder lassen wir es weg? Der Clou ist die Regelmäßigkeit. Wer immer wieder vereinfacht, braucht keinen eisernen Willen.

Trainierter Wandel braucht Minischritte

Statt den großen Wurf zu planen, ist es einfacher, in Minischritten zu starten. Mit der Tiny-Habits-Methode werden gesunde Gewohnheiten im Alltag verankert. Zwei Liegestützen jedes Mal, nachdem man gepinkelt hat. Nach einiger Zeit fällt es einem so leicht, dass man die Anzahl erhöht. Wer seinen Alltag ändern will, verknüpft die gewünschte Routine mit einer bereits bestehenden Gewohnheit und verankert sie im Alltag. Je einfacher eine Handlung ist, desto wahrscheinlicher bleibt man am Ball. Das hat nichts mit Motivation oder tollen Fähigkeiten zu tun. Man setzt einfach auf die große Macht kleiner Gewohnheiten. (Impulse, September 2023)

Um regelmäßig die Wertlos-geworden-Mülltonne zu füllen, kannst du jeden Mittwoch vor der Mittagspause Tat-Zeit-Wirkungskreise zeichnen zu den letzten fünf Arbeitstagen. Dann sprichst du mit einer Person deiner Wahl über deine Erkenntnisse. Mit einer Löschliste gehst du jeden zweiten Mittwoch zur Führungskraft. Das Ergebnis von zwanzig Löschlisten hängst du zum Aufgabenfriedhof.

Mit Tiny Habits gewinnst du Zeit für beides – wertvolle Aufgaben und Aufbruch:

  • Eine entlastende Kultur, die im laufenden Geschäft für Erfolg und Umsatz sorgt.
  • Eine aufbrechende Kultur, die zerstört, Platz schafft und für nächste Erfolge sorgt.

Natürlich leben Innovationen von der Umsetzung. Doch zuerst brauchen wir Zeit für die Zerstörung und schaffen Platz für Aufbruch und die kommenden Produkte, Services und Prozesse. Dann werden Idee gezeugt und geboren. Alles beginnt mit Fragen.

Dazu ein Tiny Habit: Statt dich zu ärgern, stell im Stau vierundvierzig Fragen. Wenn der Zug Verspätung hat, vierundvierzig Fragen. In der Schlange im Supermarkt: vierundvierzig Fragen. So trainierst du Fragen und Spinnen. Dein Vorstellungsvermögen wächst mit jeder absurden Frage.

Dann kann deine trainierte Vorstellungskraft Ideen produzieren. Neues zu denken, ist herausfordernde Arbeit. Wer investiert? Wer trainiert? Niemand würde nach der ersten Klavierstunde die Elbphilharmonie mieten und dreihundert Euro Eintritt nehmen. Bevor wir am Marathon teilnehmen, würden wir joggen gehen und trainieren. Eine trainierte Vorstellungskraft baut ein Vorstellungsvermögen auf.

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