Ehrbarkeit in der Praxis – Ein KI-Experiment

Beginnen wir mit einem Gedankenexperiment zur Übung ehrbaren Denkens und Handelns als Führungskraft. Ich habe ChatGPT gebeten, die Überlegungen einer ehrbar und integer agierenden Führungskraft zu folgender Frage darzustellen: »Würde ein ehrbarer Kaufmann nach dem Beginn des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine noch Geschäfte in Russland machen? Grundlage der Überlegung sind die vier Werte der Versammlung Ehrbarer Kaufleute zu Hamburg.«

Die Antwort von ChatGPT: »Die Entscheidung eines ehrbaren Kaufmanns, nach dem Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine weiterhin Geschäfte in Russland zu machen, würde durch die ethischen Werte der Ehrbarkeit beeinflusst. Diese Werte beinhalten Anstand, Respekt, Haltung und Redlichkeit. Hier ist eine detaillierte Betrachtung, wie diese Werte die Entscheidung beeinflussen könnten.

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Anstand

Wert: Ein ehrbarer Kaufmann handelt so, dass er niemandem aktiv Schaden zufügt.

Analyse: Der Krieg in der Ukraine hat zu erheblichem menschlichem Leid und massiven wirtschaftlichen und sozialen Schäden geführt. Ein ehrbarer Kaufmann würde in Betracht ziehen, wie das Geschäft in Russland indirekt zur Unterstützung eines Regimes beitragen könnte, das diesen Krieg führt. Selbst wenn das Geschäft selbst neutral ist, könnte die Fortführung von Geschäften in Russland als Unterstützung des Regimes angesehen werden, was im Widerspruch zum Wert des Anstands stehen könnte.

Schlussfolgerung: Aus Anstandsgründen könnte ein ehrbarer Kaufmann entscheiden, keine Geschäfte mehr in Russland zu tätigen, um sich nicht an den Auswirkungen des Krieges zu beteiligen.

Respekt

Wert: Ehrbares Verhalten berücksichtigt die Interessen Dritter und wägt die Einflüsse der eigenen Aktivitäten auf Gesellschaft und Umwelt ab.

Analyse: Der Krieg hat weitreichende Auswirkungen auf die ukrainische Bevölkerung und auf die internationale Gemeinschaft. Ein ehrbarer Kaufmann würde die möglichen negativen Konsequenzen seiner Geschäftsbeziehungen auf die betroffenen Menschen und Länder berücksichtigen. Wenn das Fortführen von Geschäften in Russland als respektlos gegenüber den Opfern des Krieges angesehen wird oder das öffentliche Bild des Unternehmens schädigt, wäre dies ein wichtiger Faktor.

Schlussfolgerung: Im Sinne des Respekts gegenüber den betroffenen Menschen und der internationalen Gemeinschaft könnte es als unangemessen erachtet werden, Geschäfte in Russland fortzuführen.

Haltung

Wert: Ehrbare Kaufleute weichen auch in schwierigen Situationen nicht von ihrer Überzeugung ab und berücksichtigen geltende Gesetze sowie ethische Normen.

Analyse: Die Haltung eines ehrbaren Kaufmanns würde auch die moralischen und ethischen Implikationen der Situation berücksichtigen. Der Krieg hat internationale Verurteilung und Sanktionen ausgelöst. Ein ehrbarer Kaufmann würde möglicherweise der Auffassung sein, dass es ethisch nicht vertretbar ist, Geschäfte mit einem Land zu tätigen, das international isoliert ist und unter Sanktionen steht.

Schlussfolgerung: Aus Gründen der Haltung könnte ein ehrbarer Kaufmann beschließen, seine Geschäftsbeziehungen mit Russland einzustellen, um sich nicht an einem unethischen Konflikt zu beteiligen.

Redlichkeit

Wert: Ehrbare Kaufleute sind verlässlich, halten ihre Versprechen und streben nachhaltigen Erfolg an.

Analyse: Redlichkeit umfasst auch die Verantwortung für die langfristigen Konsequenzen der eigenen Handlungen. Wenn ein Unternehmen trotz des Krieges Geschäfte in Russland fortführt, könnte es in der Öffentlichkeit und bei seinen Stakeholdern als unredlich angesehen werden. Der anhaltende Konflikt könnte auch zu Risiken und Unsicherheiten führen, die langfristigen Erfolg gefährden.

Schlussfolgerung: Ein ehrbarer Kaufmann könnte aus redlichen Gründen entscheiden, keine Geschäfte mehr in Russland zu machen, um langfristige ethische Integrität und öffentliches Vertrauen zu wahren.

Fazit: Insgesamt würde ein ehrbarer Kaufmann, der die Werte Anstand, Respekt, Haltung und Redlichkeit ernst nimmt, wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass es nicht angemessen ist, nach dem Beginn des Angriffskriegs Geschäfte in Russland fortzusetzen. Die ethischen Überlegungen und die Auswirkungen des Krieges auf Menschen und Gesellschaft würden die Entscheidung beeinflussen, die Geschäftsbeziehungen entsprechend anzupassen oder zu beenden.«

Jetzt bist du an der Reihe: Wie würdest du die Frage beantworten, was wäre bei dir anders und warum? Was haben du und dein Unternehmen in der geschilderten Situation getan? Ist eure Handlung ehrbar?

Im kleineren Kreis aus Geschäftsführern haben wir über die Frage und Antwort diskutiert und dabei zeigte sich, dass der individuelle Kontext und die persönliche Sicht sehr unterschiedlich ausfallen können. So hat ein Unternehmer angemerkt, dass er auf bestimmte Teile des Geschäfts nicht verzichten könne, um die Arbeitsplätze zu Hause nicht zu gefährden. Ein anderer liefert humanitäre Güter nach Russland und stuft die ethische Frage »Dürfen wir den Menschen Gesundheit vorenthalten?« höher ein als die Bedenken, das Regime zu unterstützen. Andere (auch ich) haben ihre Geschäfte eingestellt beziehungsweise verlangen von Lieferanten Belege dafür, dass diese ihre Geschäfte mit Russland eingestellt haben. Das war wie gesagt nur ein kleiner Kreis und jede Aussage war an sich plausibel. Wie lautet die Meinung in deinem Unternehmen und ist diese das Ergebnis eines Diskussions- und Entscheidungsprozesses, in den die Werte des ehrbaren Kaufmanns integriert waren?

Worry more about your conscience than your reputation. Because your conscience in what you are, your reputation is what others think of you. And what others think of you is their problem.

Charlie Chaplin, britischer Komiker, Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor, und Filmproduzent.

Für dich als Entscheider könnte die Schlussfolgerung aus dem Gedankenexperiment sein, dich mit anderen zum Thema Integrität und Ehrbarkeit auszutauschen und auf diese Weise deine Fähigkeit zur Beurteilung und Entscheidung solcher Fragen zu verbessern.

Case Study: Steven Bartlett

Steven Bartlett geboren am 26. August 1992 in Botswana, ist ein britischer Unternehmer, Investor und Podcaster. Aufgewachsen in Plymouth, England, gründete er 2014 im Alter von zweiundzwanzig Jahren gemeinsam mit Dominic McGregor die Social-Media-Marketingfirma Social Chain. Fünf Jahre später ging das Unternehmen an die Börse und wurde mit über dreihundert Millionen Dollar bewertet.

2017 startete Bartlett den Podcast »The Diary of a CEO«, der sich zu einem der weltweit meistgehörten Podcasts entwickelte. In diesem Format interviewt er prominente Persönlichkeiten wie Simon Cowell, Jada Pinkett Smith und Richard Branson. 2021 wurde Bartlett als jüngster Investor in die BBC-Sendung »Dragons‘ Den« aufgenommen. Zudem gründete er Unternehmen wie die Flight Group, zu der Flight Studio, Flight Fund, Flight Story und Flight Books gehören, sowie Thirdweb, eine Plattform zur Vereinfachung der Entwicklung von Web3-Anwendungen.

In jüngster Zeit geriet Bartlett zunehmend in die Kritik. Eine Untersuchung der BBC vom Dezember 2024 ergab, dass in seinem Podcast »The Diary of a CEO« gesundheitsschädliche Fehlinformationen verbreitet wurden. Gäste äußerten unbelegte Behauptungen, etwa dass Krebs durch eine ketogene Diät heilbar sei, ohne dass Bartlett diesen Aussagen ausreichend widersprach. Experten warnten, dass solche unkritisch verbreiteten Falschinformationen das Vertrauen in die Schulmedizin untergraben könnten.

Zudem wurden im August 2024 Werbeanzeigen für die Unternehmen Zoe und Huel, in denen Bartlett auftrat, von der Advertising Standards Authority (ASA) als irreführend eingestuft und verboten. Der Grund: Bartletts finanzielle Verbindungen zu diesen Firmen wurden in den Anzeigen nicht offengelegt, was gegen Werberichtlinien verstößt.

Diese Vorfälle werfen Fragen hinsichtlich der Verantwortung von Influencern und Podcastern bei der Verbreitung von Informationen und der Transparenz ihrer geschäftlichen Beziehungen auf. So zeigt auch der Fall Bartlett, dass wir stets dahingehend vorsichtig bleiben müssen, mit wem wir es zu tun haben. Ein sehr erfolgreicher Mensch kann ehrbar sein, muss es aber nicht beziehungsweise kann mit der Zeit in zweifelhafte Richtungen abgleiten. Sein Buch »The Diary of a CEO« habe ich trotz der aktuellen Fehlentwicklungen in die Literaturliste aufgenommen, denn er richtet sich auf Basis seiner Erfahrungen an der Unternehmensspitze an Führungskräfte und gibt einige wertvolle Tipps. Aber Vorsicht …!

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