Sieben Rhetoriktipps, die Sie unbedingt vergessen sollten

Sie lauern überall, verführen darauf zu hören, sie gleich zu tun und anzuwenden. Klappt es dann doch nicht, liegt es natürlich am Anwender, der es nicht richtig gemacht, verstanden oder umgesetzt hat. Doch in Wirklichkeit trifft hier Theorie auf Realität. Die Tipps und Ratschläge sind gut gemeint, aber oft nicht aus der Lebenswelt des Anwenders. Und das gilt nicht nur für die Rhetorik gilt. Es ist typisch für fast alle ultimativen Lebensweisheiten.

Von denen einen Rat zu holen, die nicht den gleichen Weg gehen, ist nutzlos. (Konfuzius)

Genau hier trifft häufig Theorie auf Realität. Die Tipps und Ratschläge sind gut gemeint, aber oft nicht aus der Lebenswelt des Anwenders. Dabei ist die Ursache so klar wie auch verständlich, denn der Tippnehmer arbeitet nicht selten unter völlig anderen Voraussetzungen, Erwartungen, Zielsetzungen und Vorgaben als der Ratgeber. Genau deshalb haben sich im Lauf der Jahre viele Rhetorik-Tipps als wahre Bremsen und Bürden herausgestellt, die Souveränität, Sicherheit, Kompetenz und Autorität eher ins Wanken bringen. Es ist Zeit für eine Überprüfung und selbstgewählte Korrektur.

Tipp 1: Nur eine freie Rede ist eine gute Rede!

Die freie Rede ist das Ziel eines jeden Redners und damit beginnt das Missverständnis: Was ist eine freie Rede überhaupt? Der Redner, der seinen Vortrag ganz ohne Manuskript auswendig vorträgt oder mit Manuskript frei vorträgt? Sprechen wir von auswendig oder von frei? Redner wie z.B. Barack Obama und andere Persönlichkeiten sprechen mit Manuskript und wissen auch warum, denn sie kennen die feine aber entscheidende Nuance: Ein guter Redner ist der, der auch was zu sagen hat!

Was spricht für ein Stichwortmanuskript, welches eine Struktur hat und so übersichtlich gestaltet ist. Die Vorteile sind immens:  Der Redner kann auf spontane Gedanken und Impulse eingehen und in den Vortrag einfließen lassen. Auch Zwischenfragen oder –rufe verlieren gänzlich ihren Schrecken, denn der Redner ist frei von Angst den roten Faden zu verlieren. Das Manuskript ist auch in der digitalen Welt angekommen. Umso verblüffender ist es, dass von 12 Anwender 10 nicht damit arbeiten oder gar nicht wissen, dass es eine Referentenansicht bei PPT gibt. Wer eine Rede frei halten will ist also gut beraten zu lernen mit einem Manuskript umzugehen.

Tipp 2: Präsentieren Sie noch mit PowerPoint oder möchten sie faszinieren?

Wenn es etwas gibt was ich nicht kann, mag und/oder beherrsche, sich aber dummerweise weltweit in allen Unternehmen durchgesetzt hat, würde ich auch schimpfen. Fakt ist, PPT ist nicht mehr wegzudenken, sondern aufgrund des globalen Interagierens auch noch sinnvoll, praktisch, effizient usw..

Das einige PPT-Vorträge mehr an ein betreuten Vorlesen erinnern, liegt oft an den endlosen Textpassagen die auf der Folie gebannt sind. Und schon beginnt die tragisch-komische Vorstellung: Der Text ist an der Wand und es hört niemand mehr zu, da alle am Lesen sind. Endlich: Der Zuhörer ist fertig und weil der Leser immer schneller als der Vorleser ist hört dieser jetzt das, was er eben noch selbst gelesen hat – tragisch und komisch zugleich, keinesfalls aber vernünftig, nachhaltig und klug.

Wenn ich weiß, dass Vortragsfolien und Handouts zwei verschiedene Dinge sind und die Referentenansicht den Redner frei und spannend vortragen lassen, dann geht PPT doch!

Tipp 3:  Akzeptiere deine Stimme, denn sie ist wie sie ist!

Die eigene Stimme zu akzeptieren ist sicher ein erster und wichtiger Schritt, aber nur als Ausgangspunkt des Stimmtrainings. Die Stimme ist ein wichtiger Teil der Kommunikation und hat großen Einfluss auf das was und wie wir etwas sagen und sie wirkt unmittelbar. Auch kann sie einen Gesamteindruck bestätigen oder im schlechteren Fall die Glaubwürdigkeit ins Wanken bringen. Deshalb ist es durchaus vernünftig und professionell die eigene Stimme zu trainieren.

Die gute Botschaft – die Stimme ist trainierbar, wie z.B. durch regelmäßiges lautes Lesen von Gedichten. So schult man Stimme, Betonung und Aussprache.

Tipp 4: Schlagfertigkeit

Hart kontern, schlagfertig reagieren, Störer ignorieren, Störer dem Gruppendruck aussetzen, eben zum Schlag-fertig! Das ist eine Kampfansage und widerspricht in jeder Phase der rhetorischen Idee von Souveränität, Charisma und damit auch dem Sinn des WWW-Prinzips: Wertschätzung, Wohlwollen und Wahrnehmen.

Betrachtet man die Alternativen zur Schlagfertigkeit, so ist der Unterschied sehr schnell hör- und fühlbar: einfallsreich, geistreich, clever, scharfsinnig … eben mit Esprit, smart, elegant und vor allem souverän in sich ruhend. Cowboy oder Experte?

Tipp 5: Souveränität in der Hosentasche

Sicher ein rein männliches Phänomen und zugleich sehr verbreitet. Doch was wird damit signalisiert? Ist das entspannt, lässig, selbstsicher – oder etwa ein Zeichen von Unsicherheit und geringer Wertschätzung? Was will man(n) verstecken: das mangelnde Selbstwertgefühl oder fehlendes Charisma?

Zum einen ist eine sichtbare Gestik ein Gebot der Fairness, denn das Gegenüber soll sehen, ob das Gesagte auch wirklich so gemeint ist. Zum anderen, wer neben einer amüsanten, pointierten und bildhaften Sprache auch seine Gestik einsetzt, um zu unterstreichen oder zu untermauern, wird seine Zuhörerschaft einfach fesseln.

Wer Selbstwertgefühl hat und anderen Wertschätzung schenkt, wird niemals auf die Idee kommen, die Hände zu verbergen, denn ein echter Gentleman hat niemals die Hand in der Hosentasche.

Tipp 6: Ein guter Vortrag glänzt mit kurzen Hauptsätzen

Der Tipp überwiegend in kurzen, knappen Hauptsätzen zu sprechen, ist nun wirklich überholt. Redner, die sich diesem Ideal verschrieben haben, wirken häufig holprig, gehetzt, steif, aufgeregt, hektisch, kurzatmig bis emotions- und leidenschaftslos.

Fakt ist, eine Rede ist keine Schreibe und benötigt deshalb auch Melodie und  Bilder und dafür  gibt es die Königsdisziplin der Rhetorik, die Narration. Mit ihren Funktionsweisen kann sie den Zuhörer begeistern, berühren, befähigen und bewegen – Rhetorik pur.

Tipp 7: Die Zukunft spricht political correctness

Was darf man sagen, was nicht, was ist böse, diskriminierend, moralisch nicht vertretbar oder wo ist das Tabu bzw. die Grenze. Wozu wir heute den Begriff politically correct schon fast inflationär benutzen, standen einst so einfache Worte wie Tabus, Benehmen, Anstand, Sitte und Moral – kurz, eine werteorientierte Rhetorik. Die Idee mit einer Art Sprachpolizei die Sprache und das Sprachverhalten zu verbessern, ist eher fragwürdig zumindest in den Auswirkungen. Wo viele Regeln zu beachten sind, ist Freiheit und somit die freie Rede nicht mehr vorhanden. Durch die Angst etwas Falsches zu sagen, zu meinen oder ein anderer könnte etwas falsch verstehen, entsteht Sprachlosigkeit und Beklemmung – was einer freien Rede eher im Wege steht.

Was bedeutet das? Wem es an Respekt, Werten, Anstand, Sitte und Moral fehlt, den wird ein political correctness nicht abhalten, umstimmen oder umerziehen, das hat die Vergangenheit mehr als einmal bewiesen. Wer allerdings bei sich und seinen Mitmenschen Wertschätzung, Wohlwollen und Wahrnehmung walten lässt, der benötigt kein Regelwerk dieser Art. Die Freiheit der Rhetorik findet sich immer im Individuum wieder. So ist es ausgerechnet der berühmte und oft zitierte Rhetoriker Marcus Cicero selbst, der das Thema „Tipp“ wie folgt abrundet: „Niemand kann dich besser beraten als du selbst“.

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