Zielsetzung als Denkfalle

Ob nach der Schule, nach dem Studium oder auf der Karriereleiter – Ziele zu haben ist das oberste Gebot. Doch Ziel ist nicht gleich Ziel. Damit wir rationale Entscheidungen treffen können reicht es nicht aus nur Ziele zu haben. Wir brauchen Ziele, die wir bewusst berücksichtigen und die wichtig für uns sind. Und das ist keineswegs trivial …

Dass unsere Präferenzen nicht stabil sind, sondern sich je nach Entscheidungssituation ändern, deutet darauf hin, dass unsere Ziele zu wenig Einfluss auf unsere Entscheidungen haben. Der Vorteil eines rationalen Vorgehens beim Entscheiden ist, dass unsere Ziele uns stärker ins Bewusstsein gerückt werden und so eher unser Entscheidungsverhalten leiten können. Das hört sich gut an, funktioniert aber nur dann, wenn wir erstens klare Ziele haben und zweitens die Ziele, die wir bewusst berücksichtigen, auch die Ziele sind, die wirklich für uns wichtig sind. Denken Sie zurück an unser Ausgangsbeispiel mit der Lebensplanung am Ende der Schulzeit. Nur wenige Personen sind in der glücklichen Lage wie meine Freundin Barbara, die dank ihrer langjährigen Tätigkeit bei Amnesty International, wusste, dass sie Jura studieren und Anwältin für Asyl- und Menschenrechtsfragen werden wollte. Für die meisten ist nicht klar, was sie machen sollen, und ob ihnen das Ziel eines Studiums mit guten Karriere- und Einkommensaussichten genauso wichtig ist wie ihren Eltern. Dass in solchen Fällen eher die zur Auswahl stehenden Optionen und deren Beschreibung unsere Entscheidungen leiten, ist nicht verwunderlich.

Doch es gibt nicht nur ein Zuwenig an Zielbeachtung, es gibt auch ein Zuviel. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eines der Ziele ein hedonistisches Ziel ist, also das Ziel, das uns etwas gefallen, schmecken, Lust bereiten oder ganz allgemein unser Wohlbefinden steigern soll. Ein Beispiel wäre das Ziel, eine Ausbildung oder ein Studium zu machen, bei dem wir Spaß haben. Was passiert, wenn wir in einer solchen Situation Personen bitten, auf ihre Ziele zu achten?

Diesen Fall haben Timothy Wilson und seine Kollegen als eine der Ersten untersucht. Studentinnen sollten verschiedene Poster beurteilen und durften sich danach eines aussuchen. Zur Verfügung standen Werke von van Gogh und Degas aber auch Poster mit Cartoonfiguren. Ein Teil der Teilnehmerinnen sollte einfach eine Entscheidung treffen, der andere Teil sollte die Gründe analysieren, die aus ihrer Sicht für oder gegen das jeweilige Poster sprachen. Es ergaben sich zwei interessante und in nachfolgenden Studien vielfach replizierte Befunde. Erstens: Das Reflektieren über die Gründe veränderte die Entscheidung. Die Personen wählten andere Poster, wenn sie über ihre Entscheidung nachdachten. Was ich nicht erwartet hätte, es entschieden sich nach dem Nachdenken mehr Personen für einen Cartoon, während die befragten Studentinnen ansonsten die klassischen Gemälde bevorzugten. Zweitens: Die Personen, die reflektierten, waren hinterher mit ihrer Entscheidung weniger zufrieden. Als die Forscher die Studierenden zwei Wochen nach der Teilnahme anriefen, hatten die Nachdenker seltener ihre Poster aufgehängt und selbst denen, die es gemacht hatten, gefiel das Poster weniger als den Nicht-Nachdenkern.

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Wie kann das sein? Sollte nicht das Nachdenken über Ziele und Gründe zu besseren Entscheidungen führen? Ja, das sollte es, aber nicht, wenn das Hauptziel der Entscheidung ein hedonistisches ist. Wenn wir anfangen, Ziele und Gründe zu analysieren, fallen uns gut begründbare, aber nicht unbedingt für das spätere Erleben relevante Aspekte ein. Wir könnten beispielsweise annehmen, dass ein Cartoon an der Wand unsere Stimmung heben kann oder ein van Gogh uns als altbacken und elitär erscheinen lässt. Nach der Entscheidung spielen aber diese beim Nachdenken gefundenen Gründe gar keine Rolle mehr für uns. Es geht einfach nur darum, ob uns das gewählte Poster gefällt. Wir haben also Ziele in die Entscheidung einbezogen, die irrelevant sind und uns von der für uns besten Option abgebracht haben. Kennen Sie jemanden, der eine Ausbildung oder ein Studium gemacht hat, das der Familientradition entsprach und der unglücklich damit war? Mir würden Beispiele einfallen.

 Die oben beschriebenen Beispiele zeigen, dass der erste Schritt beim rationalen Entscheiden, die Suche nach relevanten Zielen, alles andere als trivial ist. Denkfallen lauern allerorten. Wir können die falschen Ziele auswählen und so ganz rational zu einer Entscheidung gelangen, die nicht gut für uns ist. Aber selbst wenn wir uns auf die Suche nach für uns wichtigen Zielen begeben, können wir uns leicht täuschen und uns Ziele einreden, die andere für wichtig halten, oder die gut begründbar sind, wenn uns andere danach fragen. Wie können wir vermeiden, in diese Falle zu tappen, wenn wir uns unserer Ziele nur teilweise bewusst sind und unsere Präferenzen von Äußerlichkeiten beeinflusst werden? Einen Hinweis geben uns unsere früheren Entscheidungen und wie glücklich wir mit den Resultaten waren. Wenn wir erkennen, was uns glücklich gemacht hat, dann sehen wir, was uns wohl wichtig ist. Das heißt natürlich nicht, dass wir die anderen, uns bewussten Ziele vernachlässigen sollen, aber wir sollten auch darauf achten, dass es uns mit den Konsequenzen gut gehen muss.

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