Warum ist der Respekt verloren gegangen? Der Verlust von Respekt in vielen öffentlichen, aber auch privaten Diskussionen hat mehrere Ursachen. Zum einen sind es die Bubbles, Sozialen Medien, Communitys usw. die eine Eigendynamik entwickeln und uns in unserer Meinung bestätigen. Wir gewöhnen uns an das Gefühl, immer recht zu haben und dass alle anderen falsch liegen. Die Fähigkeit, mit abweichenden Meinungen umzugehen, verkümmert.
Konflikte aber auch Diskussionen laufen schnell aus dem Ruder. Meist geht es nicht um Sachargumente, sondern es wird versucht das Gegenüber mundtot zu machen, auf persönlicher Ebene zu diskreditieren oder bloß zu stellen. Eine gängige Praxis die wir aus Talkshows kenn, die aber mittlerweile gelebte Praxis im beruflichen Umfeld oder auch in den Social Media ist. Doch wie lassen sich solche Angriffe abwehren und wie kommen wir zu einer sachlichen Streitkultur mit Respekt zurück?
Oft geht es auch nicht mehr um eine gemeinsame Wahrheit um eine echte Lösung. Es geht um einen ideologischen Kampf der Fakten als Werkzeuge einsetzt.
» Die eigene Meinung steht längst fest. Das stören Fakten nur.«
So wird jede Meinungsverschiedenheit zu einem ideologischen Krieg. Verstärkend kommt hinzu, dass Schlagfertigkeit und verbale Angriffe gefeiert werden, während Nuancen und Kompromisse als Schwäche gelten. Das trägt einer zur Verrohung der Streitkultur bei und macht jede Kultur der Konfrontation zunichte.
Zu beobachten ist auch, dass sich Menschen in unsicheren Zeiten an triviale Antworten und Feindbilder klammern. Wer eine andere Meinung vertritt ist Gegner eine Bedrohung. Zudem sind Angriffe auf die Person emotional oft wirksamer als Sachargumente. In größeren Runden wird es auch eingesetzt um zu polarisieren. Solche Angriffe fallen unter den Begriff „Argumentum ad Hominem“ (Argument gegen die Person) und haben viele Formen:
- Beleidigung oder Herabwürdigung: Der Gegner wird direkt beleidigt oder seine Kompetenz wird infrage gestellt.
Beispiel: „Sie haben von diesem Thema ohnehin keine Ahnung.“ - Unterstellung von Motiven: Die Absichten des Gegenübers werden diskreditiert, anstatt seine Argumente zu widerlegen.
Beispiel: „Das sagen Sie doch nur, weil Sie davon persönlich profitieren.“ - Strohmann-Argumente: Das Argument des Gegners wird bewusst falsch wiedergegeben und dann leicht widerlegt.
Beispiel: A sagt: „Wir sollten die Steuern für Reiche moderat erhöhen.“ B antwortet: „Sie wollen also die Leistungsträger bestrafen und unser Wirtschaftssystem zerstören?“ - Vergiftung des Brunnens („Poisoning the well“): Die Glaubwürdigkeit einer Person wird im Voraus zerstört, noch bevor sie überhaupt sprechen kann. Beispiel: „Bevor wir ihn hören, muss man wissen, dass er schon immer zu Übertreibungen neigt.“
Und wie lassen sich solche Angriffe abwehren?
Der Schlüssel liegt darin, ruhig zu bleiben und den Angriff zu neutralisieren, anstatt sich auf die persönliche Ebene herabzuziehen.
- Bleiben Sie bei der Sache: Zeigen Sie, dass Sie den Angriff bemerkt haben, aber leiten Sie sofort zum Thema zurück.
Strategie: „Ich verstehe, dass Sie mich persönlich angreifen, aber lassen Sie uns zum eigentlichen Thema zurückkehren: den Kosten…“ - Benennen Sie die Taktik: Machen Sie den Ad-hominem-Angriff transparent, aber sachlich.
Strategie: „Das ist ein Argumentum ad Hominem. Es geht hier aber nicht um meine Person, sondern um die Fakten.“ - Hinterfragen Sie die Relevanz: Fordern Sie eine Erklärung, warum das persönliche Argument für die Sache relevant sein soll.
Strategie: „Können Sie mir bitte erklären, was mein Alter mit der Richtigkeit meines Arguments zu tun hat?“
Wie lässt sich streiten mit Respekt umsetzen?
Die Grundlage für eine respektvolle Streitkultur liegt in der Haltung und in der bewussten Anwendung von Kommunikationstechniken:
#1 Trennen die Sache von der Person: Der Kern von respektvollem Streit ist, die Argumente des anderen anzugreifen, niemals die Person selbst. Denke daran: Du diskutierst/streitest nicht über den Menschen, sondern über die Sache.
#2 Höre aktiv zu: Unterbrechen nicht. Versuchen , die Argumente des Gegenübers zu verstehen, bevor du antwortest. Das zeigt Wertschätzung und hilft dir, auf das eigentliche Anliegen zu reagieren, nicht nur auf die Oberfläche.
#3 Nutzen „Ich-Botschaften“: Sagen „Ich habe den Eindruck, dass…“ oder „Aus meiner Perspektive ist das so…“, anstatt „Sie sind falsch“ oder „Sie liegen da komplett daneben“. Das verringert die Konfrontation und öffnet den Weg für einen Austausch.
#4 Erkennen Emotionen an: Wenn eine Diskussion emotional wird, spreche das an. Sätze wie „Ich merke, das Thema ist Ihnen sehr wichtig“ oder „Das scheint Sie zu frustrieren“ können die Spannung nehmen und eine Rückkehr zur Sachebene ermöglichen.
Das Streiten mit Respekt ist eine Kunst, die wieder erlernt werden muss. Der Verlust von Respekt in Diskussionen ist kein Zufall, sondern das Ergebnis mehrerer Entwicklungen.

Christoph Maria Michalski ist »der Konfliktnavigator«, renommierter Streitexperte, Autor und Redner. Seine Ideen helfen, knifflige Situationen souverän zu meistern. Praxiserprobt und mit seinen drei Ausbildungen als Musiker, Pädagoge und IT-Fachmann inspiriert er damit andere Menschen. Die Resultate sind weniger Stress, mehr Erfolg und entspannte Leichtigkeit. Als Zauberer, Marathonläufer und Motorradfan lebt er den perfekten Mix aus Energie und Kreativität.