Welche Glaubenssätze peitschen dich in deinen Perfektionismus? Was sind überhaupt Glaubenssätze? Glaubenssätze sind die Wahrheiten oder besser deine Wahrheiten, die du voller Überzeugung aktuell über dich und das Leben zugrunde legst. Glaubenssätze beeinflussen den Blickwinkel, aus dem wir die Welt um uns herum betrachten. Sobald du glaubst, dass Fehler nicht tolerierbar sind, wirst du alles dafür tun, um sie zu vermeiden. Und das führt zu Stress.
Hast du aber die Haltung, dass Fehler Erfahrungen sind, von denen du lernen kannst, fördert diese Einstellung deine Resilienz und öffnet dich für neue Erfahrungen. Du kannst erkennen, Glaubenssätze funktionieren wie ein Kompass. Nicht immer ein guter, aber ein kraftvoller. Sie entstehen in unserer Kindheit und sind das Ergebnis unserer Erfahrungen, Erziehung und Einflüsse wie Freunde und Gesellschaft. Positive Glaubenssätze wie »Ich schaffe alles« oder »Ich bin wertvoll« sind motivierend und stärken dein Selbstvertrauen. Negative Glaubenssätze hingegen tun uns nicht gut. Überzeugungen wie »Ich bin nicht gut genug« oder »Ich mache alles falsch« machen uns klein und beschädigen den eigenen Selbstwert.
Einer der Hauptglaubenssätze, die mich in meinen Perfektionismus führten, war »Ich darf keine Schwäche zeigen«. Diese Vorstellung hat in meinem Leben dazu geführt, dass mir Fehler unendlich peinlich waren und ich sie um jeden Preis vermeiden wollte. Diese Haltung führte auch dazu, dass ich anderen selten gesagt habe, wenn es mir schlecht ging. Das wäre ja auch eine Schwäche gewesen …
Das Perfide an einigen Glaubenssätzen ist, dass wir sie manchmal gar nicht kennen. Es gibt Glaubenssätze, die so tief verwurzelt sind, dass sie wie ein Grundrauschen im Hintergrund laufen. Wir handeln dann automatisch nach ihnen, ohne sie zu hinterfragen. So wie bei mir, ich kannte meinen Glaubenssatz lange nicht. Sobald du deine Glaubenssätze entdeckst, holst du sie ins Bewusstsein und von da an kannst du an ihnen arbeiten.
Doch wie finden wir sie? Indem wir uns zuhören. Wenn wir mit uns selbst sprechen oder mit anderen. Du kannst auch jemanden bitten, dich zu reflektieren. Eine Freundin von mir hat sich vor ein paar Monaten bei einer Adresse versprochen, nach der ich gefragt hatte. Sobald ihr das auffiel, schoss es aus ihr heraus: »Oh Mann, bin ich blöd!« Als ich sie auf diesem Aussage ansprach, wurde ihr erst bewusst, wie oft am Tag sie sich mit diesen Satz abwertet.
Glaube mir, sobald du mit der Übung anfängst, wirst du einige Dinge entdecken, die dir dein Leben schwer machen. Allerdings gibt es auch stets positive Glaubenssätze zu entdecken. Wir erinnern uns: Jeder Mensch hat Glaubenssätze. Glaubenssätze sind wichtig, denn sie helfen uns, in der Welt zurechtzukommen. Doch manchmal leiten sie uns in falsche Richtungen. Daher ist es ungemein hilfreich, die eigenen Glaubenssätze zu erkunden. Deswegen starten wir das Selbstcoaching nun damit, uns unsere Glaubenssätze ins Bewusstsein zu rufen: Notiere alle Glaubenssätze, die für dich wichtig sind. Bewerte sie nicht. Notiere nur, was dir einfällt oder an dir auffällt. Mach diese Übung nicht an einem Tag, sondern über einen längeren Zeitraum von mindestens einer Woche.
Ein Tipp: Erlaub dir, dass die Liste deiner Glaubenssätze wachsen darf. Erweitere also deine Liste von Tag zu Tag immer dann, wenn dir etwas Neues auffällt, wonach du handelst. Vor allem die unbewussten Glaubenssätze machen sich erst mit der Zeit bemerkbar. Darum ist dies auch keine Fünf-Minuten-Übung!
Vier Fragen, die dein Leben verändern können
Positive Glaubenssätze, die dich selbstbewusst und zufrieden machen, bereichern unser Leben. Sie bieten uns die Motivation, die wir benötigen, um ein Leben in seiner ganzen Fülle auszuschöpfen. Doch negative Glaubenssätze können unser Leben belasten, uns Selbstzweifel einreden oder uns daran hindern, die Entscheidungen zu treffen, die uns glücklich machen würden. Deswegen ist es sinnvoll, an deinen negativen Überzeugungen zu arbeiten und ihnen die Kontrolle über deine Entscheidungen und Gefühle zu entziehen.
Um negative Glaubenssätze zu verändern, hat sich die bekannte Methode »The Work« von Byron Katie als erfolgreich herausgestellt. Diese Methode regt zur Selbstreflexion an, indem du deine stresserzeugenden Gedanken untersuchst und dadurch die Perspektive veränderst. Mithilfe von vier Fragen und einer Umkehrung beleuchtest du deine einschränkenden Glaubenssätze und kannst sie dann verändern.
Schritt 1: Identifizierung des stresserzeugenden Glaubenssatzes
Du identifizierst den Glaubenssatz, der dich blockiert, bei dir Stress, Ärger oder Traurigkeit auslöst oder dich in ein Überengagement treibt, wie in den Perfektionismus. Dieser Glaubenssatz wird nun klarer formuliert.
Stelle dir folgende vier Fragen zu diesem Glaubenssatz:
1. Ist es wahr? Du prüfst, ob der Glaubenssatz wirklich wahr ist. Diese Frage fordert dich zu einer ehrlichen Selbstprüfung auf.
2. Kannst du absolut wissen, dass es wirklich immer wahr ist? Die Frage sorgt dafür, dass du deinen Glaubenssatz genauer hinterfragst und prüfst, ob er die absolute Wahrheit ist.
3. Was passiert mit dir, wenn du deinem Glaubenssatz hundertprozentig glaubst? Wie fühlst du dich dann? Traurig, sauer, frustriert oder wütend? Wie fühlt sich deine Reaktion an? Behandelst du dich in dem Augenblick respektvoll, oder erwartest du nur von anderen, dass sie dich respektvoll behandeln?
4. Wer wärst du ohne diesen negativen Glaubenssatz? Nimm dir wirklich Zeit, darüber nachzudenken. Stell dir vor, du würdest gar nicht an dir zweifeln? Was wäre dann möglich?
Schritt 2: Kehr deine Gedanken um
Du kehrst den Glaubenssatz um, um ihn besser loslassen zu können. Die Umkehrung ist für die meisten Menschen die schwierigste Herausforderung, weil wir unser Gehirn darauf trainieren, die Perspektive zu wechseln. Ich gebe dir ein Beispiel: Der Glaubenssatz »Ich bin nicht gut genug« kann in der Umkehrung sein: »Die anderen sind nicht gut genug«, »Wir alle sind gut genug«, »Keiner sollte sich nicht gut genug fühlen«. Schon wenn ich das aufschreibe, spüre ich bei jeder Umkehrung ein anderes Körpergefühl. Mit jedem Satz fühle ich mich freier. Probiere es aus!
Die Methode nutzt die Neuroplastizität des Gehirns. Schon in dem Augenblick, in dem du dir die Umkehrungen ausdenkst, beginnst du dein Gehirn mit neuen Möglichkeiten zu füttern. Glaubenssätze als neuronale Muster in unserem Kopf sind nicht auf immer und ewig fest. Sie sind veränderbar. Du kannst die gefundenen Umkehrungen immer und immer wieder anwenden, sobald der negative Glaubenssatz in Erscheinung tritt. Unser Gehirn entwickelt sich unser ganzes Leben weiter. Wir müssen mit nicht hilfreichen Denkmustern nicht leben, wir können das Gehirn anregen, neue, bessere, uns nach vorne bringende neuronale Verknüpfungen zu bilden. Ein wichtiges Mittel hierzu ist die Wiederholung.
Schreibe positive Glaubenssätze, die dir besonders wichtig sind, auf und bringe sie dort sichtbar an, wo du sie täglich sehen kannst. Wenn ich einen neuen Glaubenssatz oder eine kraftvolle Affirmation in meinem Leben etablieren will, speichere ich sie in meinem Handykalender als Termin und lasse mich täglich per Smartphone daran erinnern. Die Wiederholung macht einen Unterschied. Es kann aber sein, dass das Umschreiben der Glaubenssätze bei dir nicht sehr kraftvoll wirkt. Das kann mehrere Gründe haben. Einer kann sein, dass hinter einem Glaubenssatz ein traumatisches Ereignis steckt. Dann solltest du diesen Glaubenssatz mit professioneller Unterstützung bearbeiten. Dafür gibt es einige Methoden und auch diverse Anbieter. Unter dem folgenden Link kannst du dich gerne umsehen: www.therapie.de/psychotherapie/-verfahren-/traumatherapie. Im Netz wirst du auch einige Coachingmethoden entdecken, die dir beim Auflösen von Glaubenssätzen helfen. Auch hier gilt: Für jeden Menschen passt etwas anderes. Doch auflösen und verändern können wir Glaubenssätze in jedem Fall. Am Ende sind Glaubenssätze nur Denkmuster und diese können wir gestalten.
»Denkmuster lassen sich steuern und erlernen«, sagt die Neuropsychologin Barbara Studer (Fisch-Köhler 2023). Einhundert Milliarden Nervenzellen kommunizieren in unserem Gehirn miteinander und Barbara Studer sagt, jeder neue Gedanke ergibt eine neue Connection zwischen den Neuronen. Je öfter wir die neuen Gedanken benutzen, desto mehr kommunizieren die Neuronen miteinander. Das nennt man Neuroplastizität und die bedeutet, dass sich unser Gehirn in Abhängigkeit von unseren täglichen Gedanken verändern kann. Also nimm es gerne in deine Hand und verändere dein Gehirn, indem du es durch Reflexion und Umkehrungen mit neuen Gedanken fütterst. Aber: Die Methode braucht Zeit. Und manchmal Unterstützung.

Eileen Jacobs verbindet Herz und Verstand. Als Business-Trainerin und Coach begleitet sie seit über zehn Jahren Menschen und Organisationen dabei, alte Konditionierungen zu sprengen und in neuer Leichtigkeit Ziele zu erreichen. Sie unterstützt Menschen dabei, nachhaltig neue Wege zu gehen und den Mut aufzubringen, authentische Gefühle zu leben und den Perfektionismus loszulassen.