Na denn, also einfach Gas geben und ab geht die Reise durch ein glückliches, erfülltes und erfolgreiches Leben, Herausforderungen annehmen, motiviert bewältigen und auf zu neuen Ufern! Ganz easy, stimmts? Und was, wenn wir auf unserer Vollgas-Tour von der Autobahn abgekommen sind und im Schlamm feststecken? Oder wenn wir immer wieder gegen die Wand rennen, vielleicht nur zehn Zentimeter neben der offenen Tür? Sind wir dann immer noch hoch motiviert? Wieso folgen wir so oft den gleichen Strategien, obwohl sie nicht funktionieren? Sind wir im Grunde nicht schlauer als die Fliege hinter der Glasscheibe, die sich beim Versuch, nach draußen zu gelangen, zu Tode verausgabt?
Es geht um Störungen, Blockaden, Frustrationen, Ängste und die Strategien dagegen. Störungen sind ein Zeichen dafür, dass es uns nicht gelungen ist, das zu erreichen, was uns echtes Wohlbefinden verschafft. Anders ausgedrückt: Unsere psychische Ökologie ist dann aus dem Lot. Unser Dopaminsystem ist in diesem Fall entweder arbeitslos oder wird mit kompensatorischen Aktivitäten bei Laune gehalten: Fernsehen, Computerspiele oder noch schlimmer: Alkohol oder andere Drogen. Die sind übrigens neuronal sehr effektiv, aber überhaupt nicht empfehlenswert. Irgendein schlauer Kopf hat einmal gesagt: »Es gibt Menschen, die haben Ziele, und andere, die haben Lieblingssendungen.« Wir haben die Wahl zwischen Selbstverwirklichung und kompensatorischer Ablenkung – und nicht zwischen Sekt oder Selters, wie manche meinen. Fernsehen und Alkohol, auch in höherer Dosierung, sind sehr geeignete Mittel, unserem Gehirn einen Streich zu spielen. Sie täuschen ihm, zumindest kurzzeitig, Bedürfnisbefriedigung vor – bis zum bösen Erwachen und dann wird oft eine höhere Dosierung erforderlich.
Die Nützlichkeit des Irrtums
Das, was wir tun, tun wir deshalb, weil es sich in irgendeinem Zusammenhang einmal als nützliche Strategie erwiesen hat. Wir erinnern uns: Unser Gehirn speichert nur das als nützliches Verhaltensmuster ab, was zur Aufrechterhaltung unserer Lebensfunktionen und zur Erreichung eines höheren Gleichgewichtsniveaus (Konsistenz) beiträgt oder zumindest eine Verringerung unserer inneren Ökologie, also Inkonsistenz, verhindert. Grundsätzlich ist also das, was wir tun, nicht schlecht. Aber es kann im konkreten Zusammenhang völlig inadäquat und sogar kontraproduktiv im Hinblick auf unsere Annäherungsziele sein. Unser Handeln ist dann in Bezug auf Problembewältigung ein Misserfolg, unsere Strategie erweist sich als ungeeignet. Wir empfinden dies meist als Belastung. Jetzt bieten sich drei Wege an:
- Wir entwickeln eine neue Bewältigungsstrategie, die sich erfolgreich erweist und stabilisieren damit unser psychisches System, erreichen also wieder ein höheres psychisches Gleichgewicht.
- Wir setzen meist schon bewährte Vermeidungsstrategien (weg von) und/oder kompensatorische Strategien (»Man gönnt sich ja sonst nix!«) ein. Diese schützen uns zwar temporär vor einer weiteren Destabilisierung (Inkonsistenz), sind aber nicht geeignet, das Problem erfolgreich zu lösen und damit unsere psychische Ökologie zu verbessern.
- Sämtliche höheren Strategien versagen, uns entgleitet die Kontrolle, Stress entsteht, tiefere Schichten unseres Gehirns übernehmen das Regime und lösen Stressreaktionen aus: Verteidigung, Flucht oder Erstarrung dominieren.

Andauernde negative Bewältigungserfahrungen laufen Gefahr, in einen Teufelskreis zu führen. Hüther nennt ihn Circulus vitiosus. Probleme werden nicht mehr als Herausforderungen, sondern als Belastungen empfunden, ein geringes Kohärenzgefühl (»Das schaffe ich doch sowie nicht!«) befördert Self-Fulfilling Prophecies, die dann zum tatsächlichen Scheitern führen. Dies wiederum weckt negative Erwartungen (»Hab ich doch gewusst …«), Unlust macht sich breit und fördert zukünftig Vermeidungsstrategien (»Ich lass das dann besser mal …«). Auch dies sind erlernte und alles andere als ineffektive Strategien, schützen sie uns doch vor weiteren Enttäuschungen und Verletzungen.
Genau aus diesem Grund fällt es uns aber oft so schwer, uns zu verändern. Unser bewusstes Ich sagt uns vielleicht: »Da läuft was falsch«, aber wir bewegen uns weiter auf den eingefahrenen Bahnen – eben weil unser Unbewusstes Es den bewährten neuronalen Autobahnen oft mehr vertraut, als neuen Trampelpfaden, die erst noch getreten werden müssen. Wenn zum Beispiel ein Kind erfahren hat, dass es nur geliebt wird, wenn es die Erwartungen der Eltern ohne Widerspruch erfüllt, wird es auch als Erwachsener dazu tendieren, Erwartungen von Autoritätspersonen kritiklos zu erfüllen und unter Um-ständen sogar Herabsetzungen der Person hinnehmen. Das kindliche Verhal-ten war nützlich, vielleicht sogar not-wen-dig, das Verhalten des selbstständigen Erwachsenen ist es nicht mehr und schadet dem Individuum mehr, als es nützt. Dennoch schätzt auch der erwachsene Mensch die Gefahr einer Emanzipation von derartigen Abhängigkeiten oft als ungleich größer ein als die Chance, die damit verbunden ist. Die notwendige Veränderung, so sehr sie vielleicht sogar ge-wünscht wird, bleibt aus.
Stärken stärken
Sind wir also unverbesserlich? Sollten wir aufhören, uns verändern zu wollen? Keineswegs, denn es gibt zwei Quellen, die es uns ermöglichen, unser Denk- und Verhaltensprogramm zu ändern oder zu erweitern. Dies sind zum einen unsere inneren Bedürfnisse, also unsere Antriebe, Leidenschaften und Sehnsüchte. Diese bilden die motivationalen Schemata. Und dies ist zum anderen unsere Fähigkeit zur Imagination, also unsere lebendige Vorstellungskraft davon, wie unsere Welt aussehen sollte. Sich auf das zu be-sinnen, was uns antreibt, was uns wirklich wichtig ist, was uns innerlich berührt, ist eine Voraussetzung dafür, dass wir uns verändern und unsere Ziele erreichen können. Tun wir das nicht, oder stehen unsere vorder-gründigen Ziele sogar im Widerspruch zu unseren wichtigsten Bedürfnissen, werden wir unsere Ziele nur unzureichend, oder gar nicht erreichen. Was wir nicht wirklich aus tiefstem Herzen wollen, hat auch keine Attraktivität und strebt nicht nach Umsetzung.

Es ist völlig zwecklos und eher kontraproduktiv, unliebsame Muster zu bekämpfen. Bedenken Sie, dass jedes Ihrer neuronal gebahnten Muster in irgendeinem Kontext für Sie sinnvoll ist, denn sonst hätten Sie es nicht gelernt. Es ist in jedem Fall eine Bewältigungsstrategie, auch wenn Sie die als problematisch empfinden. Ein neuronales Vakuum aber ist biologisch nicht vorgesehen und wäre fatal. Gerade deshalb wird im Coaching mit NLP schon lange Wert darauf gelegt, alte Muster zunächst als nützlich zu akzeptieren, um dann gesündere Muster zu finden, welche die Funktion der alten Muster übernehmen können. Sie werden alte Muster nur ablegen können, wenn sie nicht mehr benötigt werden und etwas Neues, Besseres an ihre Stelle tritt. Das ist ein Lernprozess. Und den fördern Sie mit positiven Erfahrungen. Positive Erfahrungen wiederum können Sie nur machen, wenn Sie ein zugkräftiges Annäherungsziel verfolgen, das attraktiv genug ist, um Sie nicht beim ersten Hindernis stolpern zu lassen.
Blockaden lösen
All das hört sich relativ einfach an, aber Veränderungsprozesse fallen Menschen oft genug sehr schwer. Sie kennen sicher Beispiele aus Ihrem eigenen Leben, wo Sie woll-ten, aber nicht konnten. Das kann mehrere Ursachen haben. Oft dominiert Angst vor dem ungewissen Aus-gang unser Verhalten. Wir wissen gut, was wir haben, und jede Veränderung könnte bedrohlich sein. Oder konkurrierende Ziele blockieren die Veränderung. Anderen Menschen wiederum stehen selbstbeschränkende Glaubenssätze im Weg. »Ach, das können andere doch viel besser als ich …« Also verändern wir lieber nichts. Bewusstes Wollen hilft da nicht weiter. Erst wenn Sie Ihrem Unbe-wussten, genauer gesagt, den Anteilen, die Ihren inneren Wün-schen am nächsten sind, das beste Futter liefern, werden Sie den Mut auf-bringen, sich vom Problem weg hin zu Lösungen zu bewegen.
Effektive Veränderung geht also nur, wenn wir sämtliche Ebenen unseres neuronalen Apparates in den Prozess der Veränderung mit einbeziehen: unsere Grundbedürfnisse und motivationale Schemata, Emotion und Kognition, bewusste und unbewusste Prozesse, Fähigkeiten, Glaubenssätze, Werte und das, was wir als Identität bezeichnen, unser unverwechselbares Ich sowie dessen soziale Einbindung.
Das Verhalten folgt der Haltung
Jeder Mensch hat Strategien entwickelt, um Werte über Haltungen in Verhalten umzusetzen, um damit seine Bedürfnisse zu befriedigen. Diese Strategien sind variabel und darum auch individuell verschieden. Wer zum Beispiel den Wert »Ich möchte beachtet werden« realisieren möchte, könnte folgende Haltungen entwickeln:
- »Andere sollen sich zurückhalten, ich will die erste Geige spielen.«
- »Ich genieße das Bad in der Menge, und ich fühle mich mit dem Publikum verbunden.«
- »Mich erfüllt es mit Freude, wenn Menschen mir vertrauen.«
Und je nachdem, welche dieser Haltungen dominiert, könnte die betreffende Person eine Karriere als (Macht-)Politiker, als Schauspieler oder als Arzt oder Therapeut anstreben. Für alle drei stehen verschiedene Wahrnehmungen im Vordergrund, obwohl sie alle den gleichen Wert anstreben. Dieses Beispiel soll verdeutlichen, wo Veränderungsprozesse ansetzen können. Haltungen und Werte sind bessere Ansatzpunkte als deren Ausdruck: das Verhalten. Wenn wir es dann noch schaffen, die erforderlichen Ressourcen zu aktivieren, ist nichts unmöglich, außer wir zweifeln daran oder die Ökologie des Systems gerät ins Wanken.

Dr. Constantin Sander hatte eine mehrjährige Karriere in der naturwissenschaftlichen Forschung hinter sich, als er in die Wirtschaft wechselte und dann in einem mittelständischen Unternehmen die Marketingleitung übernahm. Kommunikative Prozesse faszinierten ihn schon lange und so absolvierte er neben dem Job zunächst eine Ausbildung zum NLP-Master und später zum Integrativen Coach. Er betreibt in Heidelberg eine Coachingpraxis und berät Firmen im Marketing. Am liebsten geht er mit seinen Klienten in den Wald: „Dort gibt’s keine Wände, sondern Bäume, die fast in den Himmel wachsen. Und daher auch genug Inspiration für die manchmal eingeschränkte Wahrnehmung.“