Hauptsache Sie reden weiter mit!

Schlagfertigkeit ist mehr als die immer passende Antwort oder gar das letzte Wort zu haben. Schlagfertigkeit bedeutet Übersicht, die diplomatische Mitte und Fantasie. Fertigkeit ist dabei eine Voraussetzung für das anschließende »Schlagen«. Wie jede Sprache ihre eigene Grammatik hat, ist auch Schlagfertigkeit ein Dialekt mit Antworten nach bestimmten Mustern. Wer diese Muster beherrscht, ist um keine Antwort mehr verlegen.

Wer schlagfertiger sein möchte, braucht ein Ziel. Dieses Ziel sollte niemals vorrangig sein, den anderen »fertig zu machen«. Angemessen im Sinn der Schlagfertigkeit ist eine meisterhaft kontrollierte Reaktion, wann immer jemand sie für angebracht hält. Sie brauchen dabei übrigens niemals irgendwelche Erwartungen eines realen oder vorgestellten Publikums erfüllen, schon gar nicht die Ihres Angreifers als Teil davon!

Elegant Schlagfertige haben sich längst davon verabschiedet, sie müssten aus Rücksicht auf andere eine wehrhafte  Antwort für sich behalten wollen. Wer das weiterhin tun möchte, sollte sich bewusst dafür entscheiden, dass beispielsweise ein versuchter Angriff eine Antwort gar nicht erst verdient. Denn nichts ärgert einen Sender von Gemeinheiten mehr, als wenn er keinen Empfänger dafür hat und sein Angriff ins Leere läuft. Gar nichts zu tun ist damit durchaus ein wirkungsvoller Schlagfertigkeitsstil.

Die eigenen emotionalen und Statusinteressen sind bei der Schlagfertigkeit vorrangig und sogar noch wichtiger als der richtige Moment für eine schlagfertige Antwort. Entscheidet sich jemand für die Abwehr, sollte er jedoch aus einem Gefühl für diesen richtigen Moment heraus handeln. Selbst nicht betroffene Dritte ermutigt ein schlagfertiges Verhalten, in Konflikten zu vermitteln und dabei stets die eigene Handlungsfreiheit zu bewahren.

Ein 93-Jähriger kommt zum Arzt und beklagt sich, dass er nur noch dreimal in der Woche Sex haben könne. Sein Freund sei 97 und sagt, er schaffe es noch täglich. Arzt: »Dann sagen Sie das doch auch!«

Eine der Basiskompetenzen für Schlagfertigkeit sind Kreativität und schnelles Assoziationsvermögen. Die können auch genutzt werden, um den eigenen inneren Zustand zu steuern, wenn es für schlagfertiges Wirken nach außen noch nicht reicht oder wir auf Schlagfertigkeit bewusst verzichten. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn wir einen wichtigen Kunden oder unseren Chef durch eine schlagfertige Reaktion verprellen würden. Eine schlagfertig freche Antwort gegenüber dem Vorgesetzten erlauben Sie sich deshalb besser erst, nachdem sie woanders einen Arbeitsvertrag unterschrieben haben.

Eine schlagfertige Bemerkung setzt der Äußerung des Gegenübers idealerweise keine Behauptung entgegen. Denn wenn Schlagfertigkeit angemessen ist, geht es schon lange nicht mehr um Zahlen, Daten und Fakten, sondern um die Beziehung an sich.

Schlagfertigkeit nutzt als Antwort den Assoziationskontext und kehrt über ihn die Angriffsenergie gegen den Angreifer selbst um, damit die Beziehung hinterher wieder anschlussfähig wird. Je besser unsere Assoziationsfähigkeit dabei ist, desto leichter fallen uns die Grundtechniken einer wirklich eleganten Schlagfertigkeit.

Schlagfertigkeit können wir zum Beispiel lernen, indem wir uns zunächst einmal »auf Empfang stellen« und Schlagzeilen in Zeitungen als Quelle der Inspiration nutzen. Nicht immer sind Überschriften gelungen, aber meistens erfüllen sie eines der wichtigsten Kriterien für Schlagfertigkeit: Gut gelungen sind sie kurz!

Humor ist als nächstes eine stets beliebte Zutat schlagfertiger Reaktionen und kann durch aufmerksames Zuhören und Kreativitätsübungen gesteigert werden. So öffnen wir auch die Augen für das Absurde einer Situation – und das können wir durchaus auch selbst sein. Wer gelernt hat, dann auch über sich selbst zu lachen, ist auf seinem Weg zur gelassenen Schlagfertigkeit schon ziemlich weit. Humor nimmt den Druck aus fiesen Situationen und führt uns zurück an die Kreuzung zur Sachlichkeit.

Nun ist gerade in vielen Firmen Humor nur vor der Schicht und nach Feierabend (wieder) erlaubt. Schade eigentlich – und definitiv kein empfehlenswerter Stil, weil er unsere Kreativität unterbindet. Im Sinn der Schlagfertigkeit sollten wir mit dieser Regel brechen. Komisch ist meistens, womit niemand rechnet und was jeden erfreut.

Der Chef erzählt einen Witz und alle lachen herzhaft, bis auf einen Mitarbeiter: »Ich muss nicht mehr, ich gehe morgen in Pension.«

Allerdings ist für viele, die sich für ein Schlagfertigkeitstraining anmelden, genau das ein Problem. Falls ihnen im akuten Fall überhaupt etwas einfällt, ist es nicht »komisch«, sondern  »verschlimmert« die Situation sogar noch. Wer sich hier über jede auch noch so späte Idee freue (»Das sag ich beim nächsten Mal …«) lädt sein Unterbewusstsein ein, die Reflexe für dieses nächste Mal zu trainieren. Je mehr Situationen wir wohlwollend nachbereiten, desto größer wird unser Repertoire. Also freuen Sie sich ab sofort über gute Einfälle am Tag danach! Loben Sie sich dafür, und lernen Sie ganz einfach dazu!

Eine nonplusultra witzige Antwort, die alle Faktoren einer Situation berücksichtigt, muss dabei gar nicht sein. »Ach was!«, sagt  Loriot, der Meister des schlagfertigen Kurzkommentars. Und Peter Falk löst als »Inspektor Columbo« viele kritischen Situationen so: »Ich hätte da noch eine Frage …« – Alles ist besser als gar nichts und der Eindruck von Wehrlosigkeit!

Schlagfertigkeit ist ein Spiel mit Spaß als eines seiner Ziele und Verlierern, die weiter im Rennen bleiben. Die Moral von der Geschichte ist, dass gerade jemand versucht hat, uns ziemlich unmoralisch zwischen die beiden großen Zehen zu treten. Das tut Männern wie Frauen weh. Was auch immer wir dagegen tun, ist stets entweder mehr oder aber weniger geschickt. Es wird durch Training besser und ist auf jeden Fall berechtigt. Wer sich vor Schmerzen krümmt, verliert als Nächstes sein Gesicht!

Für die elegante Schlagfertigkeit ist zu gewinnen übrigens kein Muss. Das Ergebnis darf durchaus die aktuell »beste Alternative« sein, denn die geht immer – selbst bei einer Niederlage. Zumindest haben wir dann diese beste Alternative genutzt; es hätte schließlich schlimmer kommen können!

 Auch wenn Humor ein guter Kompass für schlagfertiges Handeln ist, gibt es weitere Zutaten zu Methoden, die jeder anwenden kann. Manchmal muss man den Versuch einer Kränkung sehr entschieden zurückweisen, in anderen Situationen kann man ihn schweigend an sich abperlen lassen. Um in solchen Situationen gelassen zu bleiben, empfiehlt sich auch der Mut zur Pause.

Zeigen Sie sich höchst präsent, und lassen Sie sich Zeit zu reagieren. Ein Kurzkommentar oder eine Standardantwort reichen für den Anfang. Wenn Sie den Antwortreflex ihres Angreifers aktivieren möchten, stellen Sie eine Frage. Das schafft Ihnen genügend Luft, um die wichtigste Entscheidung: Wollen Sie überhaupt reagieren? Oder entziehen Sie sich als Gegner, indem Sie ein ganz neues Thema beginnen?

Klar ist in Situationen für Schlagfertigkeit immer, dass eine Beziehung sich neu sortiert. Nie geht es dann noch um Zahlen, Daten und Fakten. Damit die Beteiligten schnell wieder auf die Sachebene zurückkommen, müssen sie erst die Beziehungsebene klären.

Gelungene Schlagfertigkeit stellt die Augenhöhe wieder her und sorgt im Zweifelsfall dafür, dass Sieger und Verlierer beide ihr Gesicht wahren und erhobenen Hauptes den Streitplatz verlassen können. Reagieren Sie entschlossen, wenn jemand Sie schlecht behandelt. Bleiben Sie entspannt und ökologisch, was Ihren Aufwand für die Reaktion betrifft! Akzeptieren Sie Ihre eigene Antwort, so unvollkommen sie auch sein mag. Hauptsache: Sie reden weiter mit!

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