Einer deiner größten Feinde, wenn es um erfolgreiche Kommunikation geht, ist dein Ego. Es ist immer da und verlangt von dir, es in all seinen Wünschen zu unterstützen. Dein Ego will immer recht haben! Alles andere wäre eine Niederlage! Ein Gesichtsverlust! Darum sollst du kämpfen ohne Rücksicht auf Verluste, so lange, bis du entweder recht bekommst oder deine Meinung zumindest bis zum bitteren Ende verteidigt hast. In unserem Beispiel haben wir gesehen, wohin das bedingungslose Hören auf sein Ego führt. Kein angenehmer Abend beim Italiener, kein entspanntes Essen und schon gar keine anschließende romantische Nacht innerhalb der eigenen vier Wände. Statt dessen Streit, Anschuldigungen, getrenntes Schlafen und ein tagelanges, angespanntes Verhältnis samt unauslöschlicher Erinnerungen an den Streit. Danke, Ego!
Niemand behauptet, dass du jedem bei allem recht geben sollst. Tatsache ist jedoch, dass wir Menschen in den allermeisten Fällen bei wenig bis komplett unwichtigen Dingen recht behalten wollen. Unser Ego befiehlt uns das. Wegen Nebensächlichkeiten werden Kämpfe aufgenommen und ausgefochten. Die ursprüngliche Meinungsverschiedenheit tritt schon bald in den Hintergrund. Der verbale Rundumschlag verlagert sich auf Nebenschauplätze. Die Argumente und Formulierungen werden nach und nach verallgemeinernder, persönlicher und beleidigender. Dabei ist es so einfach, sich viel Nerven und böses Blut zu ersparen. Es ist so leicht, positive Entwicklungen zu erreichen und die eigene Wirklichkeit angenehm zu gestalten. Und wie machst du das? Ganz einfach! Du gibst dem anderen recht!
Sie: »Ach Schatz, das erinnert mich an unseren ersten gemeinsamen Italienurlaub. Weißt du noch die kleine, romantische Pizzeria neben unserer Pension, wo wir so oft gegessen haben?«
Er: »Freilich, weiß ich das. Die war echt toll! Vor allem der Kellner, der Luigi, der uns immer bedient hat. Der war wirklich ein ganz ein Netter!«
Sie: »Luigi? Nein, Schatz, der hat Mario geheißen.«
Er: »Mario? Nun gut, da habe ich wohl was verwechselt. Du hast recht! Na, dann auf den Mario! Und jetzt wollen wir was Feines bestellen. Weißt du schon, was du als Vorspeise willst?«
Anderen Menschen, wann immer es dafür steht, recht zu geben, ist ein Zeichen von Stärke, nicht von Schwäche. Dieses Vorgehen erlaubt es dir, Konflikte zu vermeiden, deine eigenen Nerven zu schonen und wichtigere Ziele zu erreichen. Du stehst über unwichtigen Kleinigkeiten. Du lässt dich nicht von deinem zerstörerischen Ego leiten, sondern von deinem Selbstbewusstsein! Selbstbewusste Menschen wissen, dass es manchmal Sinn macht, auch wenn man überzeugt davon ist, im Recht zu sein, in kleinen Dingen nachzugeben. Und zwar dann, wenn sie dafür die gewünschten Reaktionen erhalten.
Wenn du anderen recht gibst, gibst du ihnen das Recht auf ihre Meinung. Durch dein taktisches Nachgeben reduzierst du so schon einmal leidige Themen auf ein Minimum. Hat dein Gesprächspartner erst einmal recht bekommen, ist sein Ego still. Er hört auf, seine Standpunkte elendslang auszuführen. Das gilt auch für Situationen, wo es gar keine zwei Meinungen gibt. Stichwort: Dauerredner. Du kennst das sicher: Jemand erklärt dir seit Minuten seinen Standpunkt und obwohl du ihm bereits oft genug zu verstehen gegeben hast, dass du seine Äußerungen verstanden und zur Kenntnis genommen hast (»Ich verstehe.«, »Ich habe Sie verstanden.«), hört der andere einfach nicht auf zu reden. Du bist genervt.
Was ist passiert? Ganz einfach: Dein Gesprächspartner ist noch nicht wirklich überzeugt, dass du ihn wirklich verstanden hast, und argumentiert und erklärt deswegen unaufhaltsam weiter. Wenn du willst, dass er innerhalb von Sekunden schweigt, sage einfach schon am Beginn seiner Ausführungen ein bis zwei Mal »Du hast recht!« zu ihm. Zauber! Magie! Er ist wie auf Kommando still und noch wichtiger: Er fängt nie mehr mit dem Thema an.

Der zweite große Vorteil dieser Strategie liegt darin, dass du, wenn du jemandem recht gibst, oft seinen Respekt erhältst. Du zeigst Größe, und das merkt er ganz genau! Denn meist ist er sich ja selber nicht so sicher, ob er jetzt wirklich absolut im Recht ist. Und falls er sogar ernste Zweifel hatte, aber das nicht zeigen wollte, dann weiß er nach deinem Recht-Geben auch ganz genau, dass du dies nur aus einem Grund getan hast: damit endlich Ruhe ist. Er wird dir das dann natürlich nicht sagen, aber sein Wissen, dass du ihn, obwohl er vielleicht (oder sicher) im Unrecht war, den Wind aus dem Segel genommen hast und selbstbewusst über den Dingen stehst, lässt ihn nicht nur überrascht, sondern auch etwas peinlich berührt zurück. Und selbst wenn er wollte: Er kann nicht darüber zu diskutieren anfangen, ob du ihm aus rein taktischen Gründen recht gegeben hast. Denn sonst gibt er sich die Blöße, zugeben zu müssen, dass er wissentlich etwas Falsches vorgegeben hat.
Um Ziele zu erreichen, ist es also immer gut, dein Ego im Zweifelsfall deutlich zurückzuschrauben und logisch zu denken. Erfolgreich sein statt recht haben! Das große Ziel im Auge behalten, statt darauf wegen Kleinigkeiten zu verzichten. Hierzu als weiteres Beispiel ein kurzer Dialog, den ich kürzlich bei einer großen Elektrohandelskette mithören durfte: Ich stehe vor der Vitrine mit den neuen Smartphones. Der Herr neben mir hat seinen Blick auf das neueste, teuerste Telefon gerichtet. Der Verkäufer tritt auf ihn zu.
Verkäufer: »Sie interessieren sich für das neue X?«
Kunde: »Ja, genau! Ich habe da nur noch ein paar Fragen!«
Verkäufer: »Sehr gerne! Darf ich Ihnen auch das neue Modell von Y zeigen? Das ist sehr beliebt.«
Kunde: »Nein, danke! Da gibt es ja immer Probleme mit der Akkuzeit.«
Verkäufer: »Nein, nein, das war nur vor dem letzten Software-Update. Jetzt ist die Stand-by-Zeit super!«
Kunde: »Nein, das ist auch bei der neuen Version so. Ich habe da erst gestern den Bericht darüber in der »Handy 123«-Zeitschrift gelesen.«
Verkäufer: »Nein, das ist eine neue Software-Version jetzt. Die 6.4er. Ich habe das Handy selbst und da passt jetzt alles.«
Kunde: »Nein, ich meine schon die 6.4er. Da gibt es Probleme. Sagen auch meine Kollegen.«
Verkäufer: »Das kann ich mir nicht vorstellen. Da gibt es keine Probleme mehr. Ich glaube, Sie meinen die 6.3er-Software «
Kunde: »Nein, die neueste!«
Verkäufer: »Wissen Sie was? Ich gehe schnell zum Computer und suche den Artikel auf der Homepage von »Handy 123« und drucke Ihnen den aus. Die haben sicher die alte Software-Version gemeint.«
Kunde: »Nein, danke! Brauchen Sie nicht. Ich weiß schon, was ich sage. Ich würde jetzt gerne …«
Verkäufer: »Ich bin gleich wieder da!«
Und schon eilt unser eifriger Verkäufer weg, um das Beweisstück auszudrucken. Der Kunde schaut mich verärgert an und sagt »Na, glaubt man das. Der hat keine Ahnung, von was er spricht!« Ich nicke ihm zu und sage (Überraschung!): »Da haben Sie sicher recht!« Der Kunde nimmt einen tiefen Atemzug und entspannt sich. Sein Ego ist beruhigt. »Na, mir ist das jetzt auf alle Fälle zu blöd. Sagen Sie dem Verkäufer, dass ich das Telefon jetzt online bestelle. Das war eigentlich sowieso mein Plan. Wiedersehen!« Eine Minute später kommt der Verkäufer freudestrahlend mit seinem ausgedruckten Testbericht zurück. Nach meiner Mitteilung über den Verbleib des Kunden verfinstert sich sein Blick. »Na, super! So sind sie, die Leute. Kennen sich nicht aus und dann rennt man extra herum, um ihnen zu helfen. Und dann so was! Undankbar sind die Leute!« Und was antworte ich unserem Spitzenverkäufer wohl? Dreimal darfst du raten! Genau! »Da haben Sie recht!« Und schon ist er wieder zufrieden und bereit, mir ohne große Diskussionen meine eigenen Fragen zu beantworten.

Der Verkäufer hat sich von seinem Ego leiten lassen. Anstatt dem Kunden einfach recht zu geben und das eigentliche Ziel, nämlich den Verkauf des Telefons, zu erreichen, hat er auf der ganzen Linie versagt: kein Umsatz, kein Kunde, Ärger und Frust! Es war in Wirklichkeit vollkommen egal, wer recht hatte. Vielleicht ahnte der Kunde ja auch schon, dass er mit seiner Behauptung vielleicht danebenlag. So oder so: Sein Ego befahl ihm, nach den Belehrungen des Verkäufers ein deutliches Zeichen zu setzen: Rückzuck! Spätestens beim zweiten Beharren des Kunden auf seiner Meinung hätte der Verkäufer sein eigenes Ego ausschalten und sich auf das wirklich Wichtige konzentrieren sollen: den Verkauf!
Verkäufer: »Sie interessieren sich für das neue X?«
Kunde: »Ja, genau! Ich habe da nur noch ein paar Fragen!«
Verkäufer: »Sehr gerne! Darf ich Ihnen auch das neue Modell von Y zeigen? Das ist sehr beliebt.«
Kunde: »Nein, danke! Da gibt es ja immer Probleme mit der Akkuzeit.«
Verkäufer: »Nein, nein, das war nur vor dem letzten Software-Update. Jetzt ist die Stand-by-Zeit super!«
Kunde: »Nein, das ist auch bei der neuen Version so. Ich habe da erst gestern den Bericht darüber in der »Handy 123«-Zeitschrift gelesen.«
Verkäufer: »Ach so, verstehe! Da haben Sie sicher recht! Gut, dann schauen wir uns einmal das feine X-Stück an.«
So wird verkauft! Das eigene Ego unter Kontrolle haben, taktisches Recht-Geben, Umsatz machen! Zum Abschluss ein passender Auszug aus dem Buch Das neue Verhandeln von Christoph Krüger und Peter Kensok:
»Casanova reist über eine lange Strecke mit der Kutsche. Ein Mitreisender prahlt stolz mit einem wunderschönen Schwert, das vor ihm einem Heiligen gehört habe. Die anderen Passagiere verhöhnen diesen Mann, er könne niemals beweisen, dass dieses Schwert das des Heiligen sei. Casanova, seinem Ruf nach mindestens bei Frauen ein großartiger Verhandler, stutzt: »Ich glaube dir. Du hast zweifellos das Schwert dieses Heiligen!« Nach diesem partnerschaftlichen Ansatz entwickelt sich ein Gespräch, das in eine konkrete Verhandlung mündet. Am Ende verkauft Casanova seinem Gegenüber zu dessen berühmtem Schwert auch noch die passende Lederscheide, die er – ach so zufällig – gerade bei sich führt. Verhandler werden eben nicht dafür bezahlt, auf eine kleinkarierte Weise recht zu behalten, sondern dafür, ein insgesamt optimales Ergebnis zu erzielen. Wer recht hat, das ist einem Verhandler wie Casanova in diesem Fall egal, das Verhandlungsergebnis jedoch nicht.«
Recht geben kannst du übrigens auf viele Arten. Von direkt und schnörkellos bis hin zum Recht-Geben unter gewissen, versteckten Vorbehalten.
»Sie haben absolut recht!
»Du hast recht«
»Das stimmt!«
»Da hast du sicher recht!«
»Da haben Sie wohl recht!«
»Von Ihrem Standpunkt aus haben Sie recht!«
»So gesehen haben Sie natürlich recht!«
etc.

Mag. Martin Sernko zählt zu den führenden Kommunikationsexperten Europas. Bekannt für seinen eigenen, unverwechselbaren Stil – geprägt von hoher Dynamik, Innovation und Motivation –, steht er dafür, Altbekanntes stets kritisch zu durchleuchten sowie gänzlich neue Ansätze und Techniken zu entwickeln.