Der gute Rat von Unwissenden

Experten gibt es ja mittlerweile für jedes Thema. Doch trotz ihrem (hoffentlich) profunden Know-how sind ihre Ratschläge nicht zwingend die Besten. Und nun? Wie kommen wir zu richtigen Entscheidungen? Ganz einfach: Fragen Sie einfach die Unwissenden …

Sich Rat von Freunden und Verwandten zu holen, ist eine weitverbreitete Strategie. Diese hat den Vorteil, dass Sie der Quelle vertrauen können. Eine Ausnahme sind natürlich Entscheidungen von denen die Freunde oder Verwandten selbst stark betroffen wären. So sind die eigenen Verwandten meist schlechte Ratgeber, wenn es um die Erbschaftsangelegenheiten in der eigenen Familie geht. In der Regel ist aber davon auszugehen, dass Freunde und Verwandte stark motiviert sind, uns den bestmöglichen Rat zu geben. Sie sind gerne bereit, ihr Wissen und ihre Erfahrung mit uns zu teilen. Leider sind das Wissen und die Erfahrung des Einzelnen begrenzt. Wie viele Fachleute in Fragen der Geldanlage kennen Sie? Auch wenn die Expertise im Freundes- und Verwandtenkreis klein ist, ist doch viel persönliche Erfahrung vorhanden. Diese Erfahrungen sind hilfreich, obwohl sich diese wahrscheinlich nicht eins zu eins auf Ihre Situation übertragen lassen. Die Entscheidungen von Freunden und Verwandten beruhen ganz häufig auf anderen Ausgangsbedingungen als bei ihnen selbst. So sind zum Beispiel Entscheidungen eines selbstständigen Unternehmers mit einem substanziellen Privatvermögen mit Entscheidungen eines Angestellten im öffentlichen Dienst mit einem kleinen Bausparvertrag nicht zu vergleichen. Die Entscheidungen zeigen uns aber, welche Optionen es gibt und anhand welcher Überlegungen die Personen zu ihrer Entscheidung gelangt sind. Außerdem können wir durch die gemachten Erfahrungen viel über mögliche Folgen erfahren. Das Risiko bei Aktienfonds war für mich immer eine eher abstrakte Größe, bis ich mit einem Freund aus den USA gesprochen habe. Er wollte 2009 in den Ruhestand gehen. Dann kam die Finanz- und Immobilienkrise. Der Wert seines Hauses und seiner Anlagen für den Ruhestand verfiel rapide. Heute 2014 arbeitet er immer noch, hofft aber, nächstes Jahr vielleicht endlich aufhören zu können. Eine solch konkrete Veranschaulichung von Risiken habe ich von diversen Anlageberatern über die Jahre hinweg nie zu hören bekommen.

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Neben den Erfahrungen, von denen wir lernen können, können uns Freunde helfen, nicht in Denkfallen zu geraten. Wie Sie sich vielleicht erinnern, neigen wir dazu, uns besser als andere Menschen einzuschätzen. Solche Überschätzungen treten vor allem bei Wissen und Kompetenzen auf, die für uns und unseren Selbstwert wichtig sind. Wenn die Fähigkeit Geld gut anzulegen, Teil Ihres Selbstverständnisses ist, dann besteht die Gefahr, sich zu überschätzen. Leider ist Fakt, dass die meisten aktiv gemanagten Aktienfonds eine Performance haben, die schlechter oder lediglich genauso gut ist, wie die allgemeine Marktentwicklung. Das Handeln der Fondsmanager wirkt sich also nicht oder sogar negativ auf die Performance der Anlage aus. Glauben Sie, dass sich die beteiligten Fondsmanager als wenig kompetent einschätzen? Ich vermute nicht. Außenstehende haben den Vorteil, die Sache nüchtern zu betrachten. Daher können Ihnen Freunde besser Rückmeldung geben, als Sie es selbst tun können. Dies ist auch bei der Illusion der Unverletzlichkeit der Fall. Wir glauben gerne, dass für uns selbst alles gut werden wird. Bei anderen sehen wir viel realistischer die Chancen und Risiken. Wenn ich heute, im Jahr 2014, Geld anlegen will, sehe ich, wie der Aktienmarkt seit dem Crash 2008/2009 steil nach oben weißt. Auch über längere Zeiträume ist der Trend klar nach oben. Wenn ich diese wahrgenommene unaufhörlich positive Entwicklung mit der Illusion der Unverletzlichkeit kombiniere, besteht die Gefahr, dass ich Risiken falsch einschätze, und meine, dass der von mir ausgewählte Fonds zu denen mit überdurchschnittlicher Performanz zählt. Freunde können mich warnen und vor diesen Illusionen bewahren.

Freunde können uns auch bei der Klärung von Zielen unterstützen. Im zweiten Kapitel hatte ich beschrieben, dass es schwierig sein kann, die eigenen Ziele zu identifizieren. Wenn Sie das Geld haben, könnten Sie einen professionellen Coach engagieren. Alternativ können Sie auch Personen bitten, die Ihnen nahestehen. Wichtig dabei ist, dass die Personen auch die Rolle eines Coaches einnehmen. Ein Coach soll Sie dabei unterstützen, Ihre Ziele zu erkennen und durch eigenes Handeln zu erreichen. Sie oder er soll Ihnen nicht Ziele vorgeben. Ihre Ziele zeigen sich in Ihrem Handeln und Ihren Wünschen. Hinter Wünschen stehen häufig Ziele, die Sie gerne erreichen würden, in die Sie aber bisher wenig oder keinen Aufwand investiert haben. Welche Ziele sind wichtiger? Nun, Sie haben bereits entschieden. Die Ziele, die sich in Ihrem Handeln zeigen, sind offensichtlich wichtiger. Hohe Rendite ist Ihr Ziel bei Geldanlagen? Dann sollten Sie sich fragen, wie viele hochriskante Anlagen Sie haben. Nur hohes Risiko bringt die Chance auf hohe Rendite (einmal abgesehen von illegalen Optionen wie Schneeballsystemen). Haben Sie viele riskante Anlagen, dann berücksichtigen Sie das Renditeziel so, wie Sie sagen. Wenn Sie aber wenige oder gar keine haben, gibt es wohl andere Ziele, die Ihnen wichtiger sind. Freunde können uns helfen, Widersprüche zwischen unseren Wunschzielen und den tatsächlich verfolgten Ziele herauszuarbeiten. Widersprüche sind immer eher unangenehm. Keiner gesteht sich selber gerne ein, das eine zu sagen und das andere zu tun. Daher werden es Verkaufsberater tunlichst vermeiden, Sie mit Ihren eigenen Widersprüchen zu konfrontieren. Das würde Ihre Zufriedenheit mit der Situation reduzieren, und kein Verkäufer hat die Zeit, Ihnen bei der Auflösung der Widersprüche zu helfen. Darum sind gute Freunde sehr wertvoll.

Sie sehen, eine hilfreiche Beratung muss sich nicht nur auf fachliche Inhalte beziehen. Darum können auch Personen ohne entsprechendes Fachwissen hilfreiche Berater sein. Das eine ersetzt aber nicht das andere.

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