Geldanlagen sind nur ein Beispiel für komplexe Produkte und Sachverhalte, mit denen wir häufig zu tun haben. Selbst wenn wir viel Erfahrung mit diesen Dingen haben, verstehen wir überraschend wenig von ihnen. Gleichzeitig unterliegen wir der Illusion, die Dinge dennoch zu verstehen. Und nun? Ein Berater muss her – damit Sie bessere Entscheidungen treffen können. Doch auch hier lauern Denkfallen, die dazu führen, dass wir suboptimale Entscheidungen treffen.
Geldanlagen sind nur ein Beispiel für komplexe Produkte und Sachverhalte, mit denen wir häufig zu tun haben. Selbst wenn wir viel Erfahrung mit diesen Dingen haben, verstehen wir überraschend wenig von ihnen. Aber wir haben häufig die Illusion, die Dinge zu verstehen. Wissen Sie zum Beispiel, wie eine Waschmaschine funktioniert? Dann nehmen Sie sich bitte ein Blatt Papier und malen Sie eine auf.
Diese und ähnliche Aufgaben haben der Psychologe Frank Keil und seine Kollegen Leuten gestellt. Die meisten Personen meinen, dass Sie erklären können, wie Fahrräder, Waschmaschinen und Autos funktionieren. Analysiert man aber die Zeichnungen, so sind die Dinge meist nicht funktionstüchtig. Zum Beispiel braucht eine Waschmaschine einen Motor, ein Heizelement, einen Wasserzulauf und einen Wasserablauf sowie eine Pumpe. Mindestens eines dieser Elemente wird gern vergessen. Ein solches mangelndes Verständnis besteht, obwohl wir sehr viel Erfahrung mit diesen Dingen gesammelt haben. Bei Fahrrädern können wir die zugrunde liegenden Wirkmechanismen sogar sehen, trotzdem machen wir Fehler.
Die meisten gewinnbringenden Finanzprodukte sind wesentlich komplizierter als Alltagsdinge, und wir haben nur sehr wenig direkten Kontakt mit diesen. Nur verlustbringende Anlagen wie Sparbücher sind einfach. Meines Wissens hat noch niemand empirisch untersucht, ob es auch bei Finanzprodukten eine Illusion des Wissens gibt. Da Personen generell dazu neigen, ihre Kompetenzen zu überschätzen, vermute ich aber, dass es eine solche Illusion auch bei Geldanlagen gibt, insbesondere bei Personen, die sich etwas Wissen angeeignet haben. Ich würde mich selbst zu dieser Gruppe zählen. Trotz dieser Tendenz, das eigene Wissen zu überschätzen, nehmen Bankkunden sehr gerne Beratung in Anspruch.
Um es gleich klar zu sagen, Beratung ist gut, weil Sie uns das Wissen und die Erfahrung anderer zugänglich macht. Ein solches Wissen könnten wir uns niemals in absehbarer Zeit selbst aneignen. Daher hilft Beratung uns, bessere Entscheidungen zu treffen. Aber auch hier lauern Denkfallen, die dazu führen können, dass wir Entscheidungen treffen, die für uns möglicherweise nicht optimal sind.
Weise sind selten – Heilige noch seltener
Die allermeisten Berater, mit denen wir zu tun haben, sind gleichzeitig Verkäufer. Sie kennen wahrscheinlich die Werbung einer großen deutschen Bank, die sich die Beraterbank nennt und mit der besten Kundenberatung wirbt. Die Berater dieser Bank haben verschiedene Ziele, unter anderem die Zufriedenheit ihrer Kunden und den Umsatz mit Finanzprodukten und -dienstleistungen. Und die Anreize vonseiten der Bank sind so gesetzt, dass es für die Berater rational ist, ihr Handeln an genau diesen Zielen auszurichten. Wenn wir diese Ziele betrachten, ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass Zufriedenheit und das Treffen der besten Entscheidung nicht dasselbe sind.
Schauen wir uns als Analogie die Entscheidung über ein Mittagessen an. Ich entscheide mich für das Mittagsbuffet eines nahegelegenen thailändischen Restaurants. Ich bin mit der Entscheidung sehr zufrieden, weil die mich begleitenden Kollegen sagen, dass dies eine sehr gute Idee war. Der Duft am Eingang erhöht die Zufriedenheit der ganzen Gruppe zusätzlich. Das Essen ist lecker, trotzdem nehme ich nur einmal Vorspeise und zwei Portionen Hauptgerichte. Den Nachtisch lasse ich weg. Satt und zufrieden kehre ich an meinen Schreibtisch zurück. Ich bin also sowohl mit der Entscheidung als auch mir ihren Folgen sehr zufrieden. Aber war das die beste Entscheidung? Wahrscheinlich nicht. Trotz meiner vermeintlichen Zurückhaltung habe ich zu viel gegessen und werde heute Nachmittag müde sein.
Bei Geldanlagen kann uns Ähnliches passieren. Ich bin zufrieden, dass ich nun endlich etwas für meine Altersvorsorge getan habe und freue mich jedes Jahr über den Kontoauszug, der eine positive Entwicklung des Wertes meiner Anlage zeigt. Das bedeutet aber nicht, dass die Entscheidung die beste war. Glücklicherweise bekommen wir sehr selten Hinweise darauf, ob eine andere Entscheidung besser gewesen wäre. Mein Lebensversicherer sagt mir netterweise nicht, wie die Wertentwicklung einer anderen Anlage über den gleichen Zeitraum gewesen wäre.
Lassen Sie uns etwas näher analysieren, wie Zufriedenheit in einer Beratungssituation entsteht. Der Schlüssel liegt darin, sich gut beraten zu fühlen. Und darauf hat der Berater großen Einfluss. Studien zeigen, dass Kunden (die Beratungssuchenden) es schätzen, wenn der Berater ehrlich, vertrauenswürdig, kompetent und sympathisch ist. Ich sollte vielleicht besser sagen, wenn er oder sie so wirkt. Ob ein Berater tatsächlich so ist, können wir meist nicht wissen.
Kleider machen Leute
Dass die äußere Erscheinung das Entscheidende ist, zeigt sich darin, wie Leute auf Schauspieler reagieren, die eine bestimmte Rolle spielen. Würden Sie sich lieber von einer ihnen unbekannten Krankenschwester oder von Dr. Shepherd aus Grey’s Anatomy behandeln lassen? Erstaunlich viele Leute haben Zutrauen zu Patrick Dempsey, obwohl er keinerlei fundierte medizinische Ausbildung hat. Aber er scheint sympathisch und kompetent zu sein. Doch woher kommt unser Eindruck von Kompetenz? Diese und andere Fragen der Wahrnehmung und Beurteilung anderer Personen werden in der Sozialpsychologie erforscht. Die Antwort liegt darin, dass wir bestimmte Vorstellungen darüber haben, wie sich kompetente Personen verhalten und wie diese aussehen. Was das Aussehen angeht, wird Kompetenz häufig mit Seniorität und professioneller Businesskleidung assoziiert. Es gibt also einen Grund, warum Bankberater in der Regel gut gekleidet sind und Ärzte einen Kittel tragen, obwohl dieser bei niedergelassenen Ärzten meist überflüssig ist.
Kompetenz und Selbstsicherheit
In Bezug auf das Verhalten wird Kompetenz mit Selbstsicherheit und gezeigtem Fachwissen verbunden. Das selbstsichere Auftreten ist bei Beratern eine grundlegende Voraussetzung für die erfolgreiche Tätigkeit. Fachwissen wird durch das Gesagte demonstriert. Bankberater unterstreichen ihre Aussagen mit Zahlen und Abbildungen. Auch das Verwenden von Fachbegriffen ist eine Strategie, um Kompetenz zu zeigen. So greifen beispielsweise Ärzte im Gespräch mit Patienten gerne auf die Medizinersprache zurück und werden so als kompetent erlebt. Inwieweit das Gesagte und die beschriebenen Fakten tatsächlich zutreffen, kann der beratene Laie kaum beurteilen.
Vertrauensfallen
Fehlen uns noch Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit als erwünschte Eigenschaften von Beratern. Beides wird mit Offenheit verbunden. Es ist kein Zufall, dass Berater Persönliches preisgeben und auch bereit sind, Unwissenheit in gewissen Bereichen und zum Teil auch kleinere Fehler einzugestehen. Beides wird als Hinweis auf Ehrlichkeit interpretiert. Gute Referenzen sind ein Hinweis auf Vertrauenswürdigkeit und auch Kompetenz. So vertraue ich mehr einem Berater/einer Beraterin, den oder die mir Freunde oder Bekannte empfohlen haben, als Beratern, die ich mehr oder minder per Zufall treffe. Was ich dabei gerne übersehe, ist dass die Freunde auch Laien sind und ihre Empfehlung auf ihrem Eindruck und ihrer Zufriedenheit beruhen. Besonders deutlich ist diese Denkfalle, wenn der Empfehlende Teil derselben Institution ist. Wenn Berater andere Berater empfehlen, entsteht zusätzliches Vertrauen, obwohl dieses nur auf dem Vertrauen gegenüber der ersten Person beruht.
Die Sympathiefalle
Der letzte Punkte auf unserer Liste war die Sympathie. Wie Sie mit Sicherheit wissen, beruht Sympathie häufig auf einem unmittelbaren Bauchgefühl. Manche Personen sind uns spontan sympathisch. Aber Sympathie kann man auch erzeugen. Neben Offenheit und Zugewandtheit ist die wahrgenommene Ähnlichkeit entscheidend. Das kann die Ähnlichkeit zu uns selbst sein. Ein Bankberater, der bei mir um die Ecke wohnt, den gleichen Kurzhaarschnitt wie ich hat und auch ein gutes Glas Rotwein schätzt, ist mir einfach sympathisch.
Gleich und gleich
Die Ähnlichkeit muss aber nicht unbedingt zu mir selbst bestehen. Es kann auch die Ähnlichkeit zu anderen, von mir gemochten Personen sein. Der Berater könnte mich an meinen Vater oder die Beraterin an meine Tochter erinnern. Beides ist mit einem Sympathievorsprung verbunden. Wie Sie sehen, beruht ein Teil des Gefühls, gut beraten zu sein, auf der Wahrnehmung des Beratenden. Diese Wahrnehmung spiegelt wider, wie der Berater ist, aber sie lässt sich in gewissen Grenzen im Sinne des Beraters optimieren. Wir nehmen die Person als ehrlicher, vertrauenswürdiger, kompetenter und sympathischer wahr, wenn die Person unsere diesbezüglichen, in der Regel unbewussten Erwartungen erfüllt.
Kommen wir jetzt aber endlich zur eigentlichen Beratung. Was macht eine gute Beratung aus? Nun im Sinne einer rationalen Entscheidungsfindung sollten am Anfang natürlich Ihre Ziele stehen. Gute Beratung greift diesen Punkt auf. Wie wir aber in Kapitel 2 gesehen haben, ist das mit den Zielen gar nicht so einfach. Gerade bei Geldanlagen ist die Zeitperspektive häufig sehr lang und persönliche Ziele sind alles andere als stabil. Meine Ziele heute, in zehn Jahren und beim Renteneintritt sind wahrscheinlich nicht die gleichen. Vielleicht brauchen wir Beratung darüber, was unsere Ziele in Zukunft vermutlich sein werden. Rückblickend hätte ich eine solche Beratung brauchen können. Nehmen wir einmal an, die Ziele sind hinreichend klar. Dann ist bei Geldanlagen die Risikobereitschaft die nächste wichtige Frage. Diese Frage ist äußerst schwierig zu beantworten.
Hier sind ein paar Annäherungen: Sie könnten in die Vergangenheit schauen, und analysieren, welche Risiken Sie bisher bereit waren, bei Geldanlagen einzugehen. Wenn Sie bisher nur festverzinsliche Anlagen hatten, spricht das für eine geringe Risikobereitschaft. Ein hohes Maß an Versicherungen würde ebenfalls dafür sprechen. Sie könnten aber Ihren Blick etwas erweitern und überlegen, wie viele Risiken Sie insgesamt bereit waren, einzugehen. Vielleicht sind Sie ja bei Geldanlagen sehr risikoscheu, sind aber beim Pokern gerne bereit, Risiken einzugehen. Dann wäre es wohl falsch zu sagen, dass Sie risikoaversiv sind. Das ist aber alles der Blick in die Vergangenheit. Wir hatten im ersten Kapitel gesehen, dass rationale Entscheidungen auf dem Blick in die Zukunft beruhen. Das würde aber bedeuten, dass sich das gewählte Risiko nach Ihren Zielen und den möglichen Folgen Ihrer Entscheidung richten sollte. Ihre Risikobereitschaft ist demnach nicht eine Voraussetzung für Ihre Entscheidung, sondern Teil der Entscheidung selbst. Das wird deutlich, wenn wir uns die Ertragsperspektive risikoloser Geldanlagen ansehen. Die Frage ist nicht, ob Sie Gewinn machen werden, sondern welchen Verlust Sie für die Sicherheit bereit sind, zu zahlen. Aus dieser Perspektive kann es Sinn machen, eine risikoreichere Geldanlage zu wählen, auch wenn Sie bisher vermeintlich risikoscheu waren. Vielleicht waren Sie es gar nicht, sondern die für Sie optimale Balance zwischen Risiko und Ertrag war einfach so, dass Sie risikoarme Anlageformen gewählt haben (oder Sie hatten einfach noch keinen Kontakt zu anderen Anlageformen).
Sie sehen, ich kann mit der Frage nach meiner Risikoneigung nicht viel anfangen. Trotzdem wird sie gerne herangezogen, um eine Vorauswahl zwischen verschiedenen Optionen zu treffen. Warum ist das so? Erstens macht es die Arbeit für den Berater leichter, da die Optionen nach den verschiedenen Risikoklassen sortiert sind, und zweitens fühlen Sie sich gut beraten, weil Ihre persönlichen Präferenzen erfragt und berücksichtigt werden.
Nach Klärung der Ziele und der Risikoneigung steht die Suche und Auswahl von Optionen an. Eine der wichtigsten Aufgaben des Beraters ist es, eine Vorauswahl bei den Optionen anhand der von Ihnen gesetzten Ziele vorzunehmen. Dies ist bei der Bank genauso der Fall wie im Schuhgeschäft. Mit dieser Vorauswahl werden bereits viele Entscheidungen für Sie getroffen. Das ist auch gut so, weil es die endgültige Entscheidung für Sie wesentlich erleichtert. Die Manipulationsmöglichkeiten, die damit verbunden sind, hatten wir bereits im letzten Kapitel kennengelernt. Dann gilt es zwischen diesen Optionen zu entscheiden (oder aber gegen alle Optionen). Natürlich können Sie jede Menge Informationen zu den einzelnen Anlagemöglichkeiten bekommen. Die wichtigsten Unterschiede sind die Wahrscheinlichkeiten der Folgen. Bei sicheren Anlageformen sind die Folgen so gut wie sicher, das bedeutet, Sie können einfach die Folgen direkt miteinander vergleichen. Und das heißt, Sie können Kosten und Gewinn einfach bei jeder Option subtrahieren und die Option mit dem höchsten Nettogewinn bestimmen. Bei unsicheren Anlageformen müssen Sie auch noch die Wahrscheinlichkeiten mit berücksichtigen.

PD Dr. York Hagmayer ist Akademischer Rat am Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie an der Universität Göttingen. Nach Stationen bei der IBM Academy of Management und am King’s College in London forscht er gegenwärtig zu Fragen der Entscheidungsfindung im medizinisch-psychologischen Bereich.