PowerPoint-Präsentationen, so haben Untersuchungen gezeigt, werden von mehr als 80% der Zuhörer als langweilig empfunden. Nichtssagende Worthülsen und überladene Folien füllen die Leinwand, Anglizismen und Wortmonster ermüden das Publikum. Verzichten Sie doch das nächste mal auf den Wirkungskiller. Gute Gründe gibts genug …
Schauen wir uns die einzelnen Punkte, die PowerPoint zum Wirkungskiller machen einmal genauer an:
1. Die große Leinwand und der kleine Mensch
Immer wieder beeindruckt mich das Größenverhältnis von Mensch und leuchtender, großer PowerPoint-Projektionsfläche. Wie winzig der Mensch wird! Wie schnell alle Augen sich auf die leblose und kalte Wand richten. Wie unbedeutend die Person des Präsentierenden wird! Gleichzeitig bestätigt uns die moderne Gehirnforschung eindringlich, dass nur menschliche Bindungen Überzeugungs- und Lernprozesse in Gang bringen können. Es sind die Menschen, die uns überzeugen — und nie die Technik! 93 Prozent der Wirkung gehen laut wissenschaftlichen Untersuchungen von der Person des Präsentierenden aus!
2. Abdunkeln und leises Summen vertiefen die Trance
Nachdenklich stimmt folgende Beobachtung: Sobald der Beamer aufleuchtet fallen die Menschen in ihre Sessel zurück, verschränken die Arme vor der Brust und schalten auf „Berieselung“ um. Es ist, als ob sich die Zuhörer bereit machen, sich zu erholen, mit Ihren Gedanken abzuschweifen und das Business-Kino an sich vorbeirauschen zu lassen. Auch wenn moderne Beamer hohe Lumen-Werte und einen niedrige Geräuschpegel haben, wird immer noch gerne leicht abgedunkelt. Das leise Summen und die angenehme Verdunkelung gepaart mit der meist monotonen Folien-Ablesestimme des Präsentierenden führen schnell in ein angenehmes Nickerchen am Arbeitsplatz.
3. Nur Kontakt verpflichtet — nicht die Technik oder ein sprechender Rücken
Die wenigsten Präsentierenden sind so professionell, dass Sie kurz auf die Folie zeigen und dann eindringlich mit Blickkontakt weitersprechen. Die meisten drehen sich um — und bleiben mit dem Blick auf die Folie an der Wand hängen. Somit präsentieren sie den Zuschauern ihren „sprechenden“ Rücken. Das hat viele Nachteile. Es kommt keine Beziehung zustande, denn nur Blickkontakt erzeugt Kontakt, nur Kontakt erzeugt Gefühle und nur über Gefühle entsteht eine Beziehung. Ein weiterer Nachteil eines „sprechenden Rückens“: der Präsentierende hat sein Publikum nicht mehr im Blick. Er kann die feinen Nuancen der Zustimmung oder Ablehnung nicht wahrnehmen — und kann seine Präsentation nicht auf sein Publikum abstimmen. Er verfehlt sein Ziel! Es hagelt Absagen und Niederlagen!
4. Wenn der Zuhörer den Text gleichzeitig lesen und zuhören muss oder: Die Visualisierung von Banalitäten
Irgendjemand hat den Irrtum in die Welt gebracht, dass sich die Behaltequote erhöht, wenn man die gleiche Botschaft auf zwei Kanälen präsentiert bekommt. Das stimmt nicht (es wurde auch noch nie bewiesen). Im Gegenteil. Der Medienforscher Professor Richard Meyer hat wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Doppelung von Text und Bild zu Informations- und Aufmerksamkeitsverlust führt und rät eindringlich dazu, Text nie zu visualisieren — sondern nur passende Bilder zum Text! Es gibt noch eine Unart, zu der PowerPoint dank seiner Einfachheit verleitet: Die Visualisierung von Banalität. Visualisierungen haben die Aufgabe, Komplexes einleuchtend zu machen, Emotionen zu erzeugen oder Kernbotschaften anschaulich zu beweisen. Deshalb werden nur ganz bestimmte Elemente visualisiert! Doch was tun die meisten Präsentierenden? Sie visualisieren Banales, Unwichtiges und Dinge, die definitiv nicht im Gedächtnis verankert werden sollen — manche visualisieren sogar angreifbare schwache Argumente! Den Todesstoss geben aber die Folien, die so beziehungsintensive Formulierungen wie „Herzlich willkommen!“, „Sehen Sie das auch so?“, „Auf Wiedersehen!“ auf die Wand projizieren.
5. Nicht alle Menschen sind Augentiere
Wenn wir uns die unterschiedlichen Limbischen Persönlichkeiten mit ihren unterschiedlichen Denkstilen ansehen, wird schnell deutlich: nicht alle Menschen sind visuell dominant veranlagt. Das bedeutet: nicht bei allen ist das Auge der bevorzugte Sinneskanal. Gefühlvolle Teilnehmer verlassen sich mehr auf kinästetische (tiefensensible) Aspekte, strukturierte Teilnehmer bevorzugen im Überzeugungsprozess das beispielhafte, konkrete und praktische Erleben. Aber auch der eher visuelle, experimentelle Denkstil kann mit an die Wand geworfenen Textsplittern und Satzhäppchen nichts anfangen! Er braucht Bilder. Der logische Denkstil vielleicht? Immerhin ist PowerPoint seine Erfindung und sein Lieblingsmedium beim Präsentieren. Die Antwort ist einfach. Der logische Denkstil schätzt die Effektivität von PowerPoint — als Präsentator! Aber wenn er im Publikum sitzt, langweilt er sich genauso wie alle anderen! (Ich habe es sehr oft beobachtet!)
6. Satzfragmente verleiten zu Nominalstil und akademischen Worthülsen
Sprechen Sie im normalen Leben so?
- Optimierung der Nutzkapazität von Bestandsflächen
- Flexibilisierung der Arbeitsprozesse
- Optimierung der Schnittstellen im Workflow
- Effektive Transaktionen und Teamkonstellationen
Warum sprechen wir dann so, sobald PowerPoint an ist? Weil man uns jahrelang gesagt hat, wir sollen die Texte auf der Folie kurz halten! Und das geht am besten mit Nominalisierungen (Verb plus „ung“ am Wortende), den blutleeren Lieblingsworten deutscher Bürokratie. Das ist falsch! Texte gehören gar nicht auf die Folie. Texte werden gesprochen — nur Bilder, Grafiken, Videosequenzen werden gezeigt! Die Bilder haben nur drei Funktionen: beweisen, verdeutlichen oder emotionalisieren! Die Texte werden so gesprochen wie Menschen reden: in „mündlichem Deutsch“: kurze Sätze, viele Verben; im Präsenz; wenig Nebensätze; Satzabbrüche; Pausen usw.
7. Es lebe das Gießkannenprinzip!
Weil PowerPoint so schnell geht und so einfach ist, werden massenhaft Folien produziert und auf diese wird Vorteilsargument um Vorteilsargument gequetscht! Das kann aus vielen Gründen nicht überzeugen! Viele Argumente wirken beliebig, sie lenken ab, sie gehen unter. Unter vielen Argumenten ist immer auch ein Schwaches dabei! Viele Argumente verleiten zur Aufzählung und nicht zur überzeugenden Inszenierung. Unter vielen Argumenten ist immer auch eines dabei, dass die Anti-Werte der Zuhörer trifft. Sie bringen somit das Publikum gegen sich auf! Es sind k.o.-Kriterien. Viele Argumente wirken monoton und langweilig! Nach so viel Gießkannenprinzip sitzt das Publikum meist da wie ein begossener Pudel — überzeugt und begeistert ist es bestimmt nicht! Typisch für diese Situation ist der Satz: „Wir müssen uns das in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Sie hören dann von uns.“ Zu viele Argumente machen Ihre Zuhörer entscheidungsunfähig!
8. Monotonie und Gleichartigkeit — keine Höhepunkte, keine Spannung, keine Emotionen
Wenn Sie sich die Problemlöseformel aus Kapitel 2 vor Augen halten dann erkennen Sie, dass es sich um ein psychologisch raffiniertes Konstrukt handelt. Ein Konstrukt das eine Spannung auf die Lösung erzeugt, strategisch auf die Erreichung des Präsentations-Ziels ausgerichtet ist und geschickt auf der Klaviatur der Emotionen spielt: Angst, Furcht und Bedrohung wechseln sich ab mit Sehnsucht, Hoffnung und Zuversicht. Vertrauen und Glaubwürdigkeit, Sympathie und Begeisterung sind unerlässlich um Menschen für sich zu gewinnen. Wie soll das PowerPoint alleine schaffen? Das schaffen nicht einmal begnadete Redner nur mit PowerPoint — sie brauchen dazu alternative Inszenierungen (wie sie im nächsten Kapitel beschrieben werden).
9. Information-Overload!
Ich habe in meinem Leben schon sehr viele PowerPoint-Vorträge gesehen. Und ich kann von beeindruckenden Zahlen berichten. Ein Teilnehmer hatte eine 200 Seiten starke Präsentation im Coaching dabei! Auch wenn es das Maximum darstellt, 30, 40, 50 Folien sind keine Seltenheit! Und dann die Folien selbst. Überladen. Zu viel auf einer Folie: zu viel Text, zu undurchsichtige Grafiken, zu viele Bilder. Zu viel von allem! Auch hier verleitet die Architektur von PowerPoint zu dieser Maßlosigkeit — es ist so einfach aus dem Internet Bilder runter zu laden, es geht so schnell noch ein paar Folien aus einer anderen Präsentation einzufügen. Und Bullet-Charts? Die kann jeder innerhalb von Minuten produzieren! Der Zuhörer schaltet angesichts der Informationsflut ab, sein Gehirn streikt — und seine Emotionen? Die richten sich höchstens gegen das Ganze: ihm ist langweilig, er fühlt sich verwirrt, er ist verunsichert. Das sind keine guten Voraussetzungen um Menschen zu gewinnen! Zeigen Sie wenig! Und zeigen Sie sinnvoll: entweder um Ihre Kernbotschaften zu beweisen, um sie einleuchtend zu machen oder um Emotionen zu erzeugen. Wenig — aber wirkungsvoll visualisieren.
10. Erinnerungen an den Kindergarten: Fliegende Texte, kreisende Bilder, grelle Farben und geschmacklose Master
Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass die Charts professionell und ästhetisch ansprechend gestaltet sind und habe PowerPoint trotzdem eine vernichtende Wirkung attestiert. Was aber, wenn PowerPoint nicht einmal professionell eingesetzt wird? Wenn geschmacklose Farbschematas unsere Augen beleidigen? Wenn billige Cliparts plötzlich zu Winken anfangen? Wenn Bilder sich im Kreis drehen und Schriften einen Karneval in Rio aufführen? Das ist dann nicht nur ein Wirkungsvernichter — das ist die beste Möglichkeit, um Glaubwürdigkeit zu verspielen und Vertrauen zu vernichten.

Anita Hermann-Ruess ist eine gefragte Expertin zum Thema Präsentieren und Rhetorik. Sie verbindet auf einzigartige Weise die klassische Rhetorik mit Erkenntnissen aus der Neurobiologie.