Selbstführung ist heute im Trend. Doch viele Menschen tun sich schwer damit. Doch sie funktioniert. Es kommt also mehr auf dich an, als du vielleicht bisher angenommen hast!Denn nur wenn du überzeugt bist, dass du deine Situation beeinflussen kannst, dass du dein Leben gestalten kannst, kannst du wirken.
Zwar ist Selbstführung heute im Trend, doch tun sich viele Menschen damit schwer. Dafür gibt es viele gute Gründe, doch für dich ist zunächst wichtig, zu erkennen: Selbstführung ist eine Voraussetzung, um ein bewusstes Leben zu führen. Noch mehr ist sie für all diejenigen unverzichtbar, die im Beruf allgemein oder in einer Führungsrolle im Besonderen, erfolgreich sein wollen.
Aber was heißt Selbstführung?
In erster Linie erkennst du, dass es in jeder Situation und bei jeder Erfahrung stets die Perspektive des »Außen« sowie die des »Innen« gibt. Außen bedeutet: alles, was mein Wahrnehmungssystem, meine Sinne, wahrnehmen können. Ich sehe beispielsweise zum Fenster hinaus und sehe ein Feld, ein paar Bäume, ein paar Häuser, den Himmel mit Wolken. Ich sitze im Arbeitszimmer und sehe dessen Ausgestaltung, alle Objekte vom Stuhl über die vielen Bücher und einen kleinen Tisch bis hin zum Boden. Ich höre auch Geräusche in der Nähe oder in der Ferne. All dies ist außen und zeigt uns unsere Realität.
Radikal betrachtet, ist jedoch selbst diese nach außen gerichtete Wahrnehmung durch die eigenen Fähigkeiten und auch durch die Grenzen der Wahrnehmung gefiltert. Der grüne Baum, das braune Haus sind in diesem Sinne nur, was mein Auge und der Prozess des Sehens als wahrnehmen. Wahrnehmungsexperten würden sagen, dass es subjektiv wahr ist, weil wir es so wahrnehmen. Farbenblinde Menschen können zum Beispiel nur eingeschränkt Farben sehen. Ist das, was jemand mit dieser Einschränkung sieht, deswegen nicht mehr wahr?
Die subjektive Wahrheit ist durch die innere Welt beeinflusst
Herzkohärenz-Übungen ermöglichen es uns, unsere Fixierung auf die eigene Wahrnehmung ebenso schnell zu erkennen wie die von anderen Menschen. Das kann viele emotional aufgeladene Situationen rasch entschärfen.
Du hast beispielsweise mit einem Arbeitskollegen eine immer hitzigere Diskussion über ein Projekt. Ihr habt vollkommen unterschiedliche Meinungen zu den aktuellen Prioritäten. Du möchtest vorangehen, er möchte zuerst den Sinn des Ganzen verstehen. Ihr beide beharrt auf eurem Standpunkt und beginnt, euch am Unverständnis des anderen zu nerven. Erst wenn ihr herunterkommt, könnt ihr erkennen, dass eure emotionalen Reaktionen aus euren inneren »Welten« entstehen und nicht aus einer da draußen unabhängig existierenden Wahrheit. Es geht nur um subjektive Wahrheiten.
Unser Denken, unsere mentalen Fähigkeiten erweitern das Feld des Außen zusätzlich durch alle Informationen, die wir der Welt da draußen zuordnen. Die aktuelle weltpolitische Lage, die Gesellschaft, in der wir leben, die geografische Lage unseres aktuellen Standortes, die ganze Welt aller Objekte, die sich über unsere direkte Umwelt bis zur Erde und über diese hinweg zieht.
Was ist nun das Innen?
Unser Denken würden die meisten als »Innen« einordnen. Denn alle Gedanken entstehen in uns. Die Informationen, Reize oder Signale kommen zwar von außen, aber die Verarbeitung derselben, geschieht im Inneren. Wir nehmen Informationen auf, verarbeiten diese, filtern, interpretieren, bewerten und erschaffen dazu neue, eigene Gedanken. Oft sind wir uns im Alltag nicht bewusst, dass wir ständig in solchen mentalen Prozessen stecken. Wir lassen diese Gedankenketten einfach laufen und viele gewöhnen sich daran, dass das einfach so ist. Dabei vergessen wir, dass wir grundsätzlich jederzeit, in jedem Moment, neu entscheiden könnten, was wir mit aller Information, mit allen Impulsen von außen machen, und vor allem machen wollen. Das ist aber nur möglich, wenn wir uns den Unterschied von außen und innen bewusst machen.
Nun kommen weitere Aspekte im Inneren dazu. Menschen haben Motive, Bedürfnisse, gegenseitige Erwartungen und Ansprüche an sich selbst. Diese beeinflussen unbemerkt die Wahrnehmung der Realität und färben unsere Interpretation dessen, was wir hören, sehen und fühlen.
Ein Beispiel: In deinem Team beginnt heute eine neue Mitarbeiterin mit der Arbeit. Du kennst diese Person noch nicht, auch wenn sie dir bereits einmal vorgestellt wurde. Du bist skeptisch, weil sie viel jünger ist als alle anderen Teammitglieder. Deine neue Kollegin scheint selbstbewusst und fast etwas überheblich zu sein. Sie könnte Unruhe ins Team bringen, auch wenn sie gute Qualifikationen mitbringt. Du erwartest, dass sie vor allem in den ersten Wochen bescheiden auftritt und erfahrene Kolleginnen und Kollegen wie dich wertschätzt. Du möchtest sie unterstützen, aber nur, wenn sie zeigt, dass sie deine Hilfe erhalten möchte …
Was ist nun die Realität im Außen und wie wird diese vom ersten Moment an durch deine Annahmen, eigenen Bedürfnisse, eigenen Befürchtungen sowie eigenen Vorlieben gefärbt und gefiltert?
Wenn ich nicht erkenne, dass es bei den Begegnungen mit dem neuen Teammitglied ein Außen gibt – ihre Verhaltensweisen, ihr Auftreten, Aussagen – und ein Innen – meine Gedanken zu ihr, meine emotionalen Reaktionen, meine Annahmen, frühere Erfahrungen und viel mehr –, dann kann ich nur darauf hoffen, dass alles gut geht. Der erkannte Unterschied der beiden Perspektiven von innen und außen hingegen ermöglicht es dir, über deinen inneren Teil nachzudenken, diesen zu erkennen und bewusst deine Gedanken, deine Empfindungen und letztlich dein Verhalten zu steuern.
Das Wichtigste ist, dass wir uns ermöglichen, zu verstehen, dass alles, was uns im Leben, bei der Arbeit und privat begegnet, was uns geschieht und was andere uns antun, immer auch eine Komponente hat, die von uns selbst beigesteuert wird. Ohne diese Erkenntnis und Grundannahme, ist Selbstführung nicht möglich.
Deine Aufmerksamkeit ist steuerbar
Ich finde es immer wieder faszinierend, wie wenig Menschen heute realisieren, dass sie ständig abgelenkt sind. Das heißt, dass sie mit ihrer Aufmerksamkeit nicht an einem Platz bleiben können und sich diese ständig unterbewusst bewegt, vom Blick nach vorn zu mir als Seminarleiter, hin zum Handy, dann zum Nachbarn, wieder zurück nach vorn, erneut auf das Handy und so weiter.
Du hast vielleicht auch schon die Menschen beobachtet, wenn sie im Zug sitzen oder auf diesen am Bahnsteig warten. Es ist dasselbe, und manchmal hoffe ich einfach, dass niemand in diesem Schlafzustand zu Schaden kommt. Sie weichen sich mit Blick auf das Handy im letzten Moment aus oder stolpern, weil sie den kleinen Stein auf dem Boden nicht gesehen haben. Es ist wie ein Schauspiel, wenn man es mal von außen betrachtet und mitverfolgt. Die Leute klagen über Stress und bemerken nicht, dass diese permanente Aufmerksamkeitsfalle genau diesen von innen her erschafft oder noch erhöht.
Was ist das Problem? Unser Geist kann tatsächlich in kürzester Zeit an verschiedenen Orten sein. Wir können an die unangenehme Sitzung von gestern denken, dabei eine per Mail hereinkommende Nachricht oberflächlich betrachten und uns im nächsten Moment bereits auf die geplante Radtour am Wochenende freuen. Das geistige Hin und Her sowie die damit verbundenen, oft unbemerkten emotionalen Reaktionen verwirren unser System und unseren Körper. Das löst physiologische Stressreaktionen aus. Das geht so den ganzen Tag, wenn ich es nicht unterbreche oder bemerke.
Nun kommt die gute Nachricht: Wir haben die angeborene Fähigkeit, unsere Aufmerksamkeit jederzeit lenken oder steuern zu können. Die Gewohnheit, unsere Aufmerksamkeit gleichsam fremdgesteuert und ohne Einflussmöglichkeit von einer Sache zur anderen ziehen zu lassen, kann verlernt werden.
So kannst du deine Aufmerksamkeit lenken
Halte doch jetzt, gerade da, wo du bist, mit dem Buch in der Hand, inne, und frage dich: Wo ist gerade in diesem Moment meine innere Aufmerksamkeit? Beim Buch in der Hand, bei den Gedanken dazu? Beim Blick durchs Fenster? Und wiederhole diese Frage viele Male hintereinander. Wo ist sie jetzt? Und jetzt?
Was stellst du fest? Die Aufmerksamkeit wandert von einem Objekt zum anderen und die Frage ist: »In welchem Moment hast du selbst entschieden, wo deine Aufmerksamkeit sein soll?«
Das ist dann der zweite Teil der Übung: Überlege dir, jetzt, wo du deine Aufmerksamkeit gerade haben möchtest. Beim Buch? Bei deiner Atmung? Bei den Gedanken zum späteren Gespräch mit deiner Lebenspartnerin? Oder wo sonst?
Vielleicht hast du schon bemerkt, dass es eigentlich stets möglich wäre, diese Frage zu stellen und dann eine bewusste innere Entscheidung zu treffen, eine Wahl.

Claude Heini gilt als Meister der Selbstführung und wirkungsvollen Beziehungsgestaltung. Er zählt zu den führenden Leadershipexperten im deutschen Sprachraum. Als »moderner Lehrer«, Executive Coach und Berater steht er für Inspiration, Kreativität, Intuition und ist mit seinem ganzheitlichen mentalen und emotionalen Ansatz ein gefragter Sparringpartner.