Richtig sehen nur die Schielenden …

Schielen war eine nette Beschäftigung – als wir noch Kinder waren. Es lieferte uns eine fasziniernde andere Sichtweise der Welt. Doch diese Welte wollte man nicht. Wir wurden daruaf konditioniert den Blick geradeaus zu richten für ein Leben ohne links und rechts …

Als Kinder haben wir gern absichtlich geschielt zum Entsetzen der Mama… und nach der Information, dass, wenn die volle Stunde schlägt, die Augen so stehen bleiben, haben wir das dann lieber sein gelassen. Dieses Spiel mit den Augen, der Wahrnehmung, dieses faszinierende andere Bild der Welt hat uns Kindern gefallen. Die sogenannte löbliche Entwicklung in der Schule richtete den Blick dann geradeaus. Das nennt man Konzentration, eine Hürde, die nicht alle Menschen genommen haben. Links und rechts schauen, beim Nachbarn spicken oder gar sich auf ein Schwätzchen zur Nachbarin umdrehen kostete einen Rüffel.

Der gerade Blick, der konsequente Aufbau des Aufsatzes, der keine in-haltlichen Spielereien duldete – sonst stand darunter „Thema verfehlt“ oder „Das ist Feuilleton“ war die Vorbereitung für ein Leben, das geradeaus sein soll, kein Links, kein Rechts.
„Augen geradeaus?“… da war doch was, ach ja, das Militär. In Reih und Glied im Stechschritt die Reihen fest geschlossen, gemeinsam wird kaschiert… oh sorry marschiert… Der Gleichschritt der Massen ist trainiert. Geradeaus ist Trumpf.

Später heißt dann dieses Geradeaus „Logik“, das Credo der westlichen Welt. Logik ist eine klare kalte Linie, wer davon abweicht spinnt… so merkt man schnell. Alles ist gerade und ableitbar, auf eins folgt zwei und eins und eins ist zwei, nicht vier. So trainiert sind die Heranwachsenden gut vorbereitet, nur das zu sehen, was im Fokus ist und zwar nur das. Meist ist es die Mohrrübe des Erfolgs, auf die man schaut.

Die Kunst, die Maler haben uns gezeigt, dass das Nichtgeradeaus mehr lehrt als der starre Blick. Die verschwommenen Bilder van Goghs über die Nacht geben mehr Tiefe als der zielende Blick mit dem Fernrohr auf die Sterne. Das Zitat The Sound of One Hand Clapping aus der Philosophie des Zen passt nicht in die Logik und sagt doch viel mehr über die Welt aus als eine Beschreibung. Auch Einstein sprach von der Krümmung des Lichts, der Zeit….

Und… es ist eine Sehnsucht spürbar nach einem Blick, einer schielenden Betrachtung der Welt… das nennt man Kunst oder Poesie zwischen deren spielenden Zeilen sich mehr offenbart als sich der Verstand träumen lässt. Die wahren großen Geister sind die Schielenden, sind die gebrochenen Augen der Seher, die Blinden, die mit dem Herzen sehen wie Antoine de Saint-Exupéry beschrieb … aber das ist Poesie.

Was hat das mit Management zu tun?

Der gerade Blick auf den Erfolg lässt außer Acht, das ein Leben existiert, ein Zusammenhang, eine systemische Komponente wie Niklas Luhmann oder der große Denker Paul Watzlawick uns in ein selten gelesenes Poesiealbum geschrieben haben.
Und noch etwas… Die Schielenden haben eine Alternative, sie sehen mindestens doppelt, ihnen gehört das Wort „und“, es öffnet den Blick und verbindet, das Wort „aber“, ein uneheliches Kind der Lebenslüge „Logik“ engt ihn ein…. Es ist der Rohrstock des kalten Lehrers Logik, der dem freien Geiste auf die Finger haut…

Wer muss eigentlich zum Augenarzt?

Es sind die Geradeausgucker, nicht die Schielenden.
Ein Poet schrieb einmal:
Da ist mehr,
längst mehr
als Dein Verstand erlaubt
Wolken die schmecken und
Falter die lachen …
Gibt es nicht?
Was sieht ein Schielender, ein Blinder?
Was sieht ein geradeaus Sehender nicht?

Die Weisheit schielt, die Naivität schaut stracks geradeaus.

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