Feuer aus dem Wasserhahn

Meinungen werden mit den Medien gemacht. Und nichts wirkt in den Medien besser als überzeugende Bilder. Ganz gleich ob Feuer aus dem Wasserhahn oder Politiker “hautnah” von ihrer menschlichsten Seite – Bilder bilden Meinungen. Doch diese visuellen Täuschungsversuche lassen sich schnell entlarven …

Haben auch Sie Angst, dass bei Ihnen bald der Wasserhahn brennt? Die Gefahr besteht, wenn Fracking vielleicht bald in Ihrer Nähe betrieben wird. Diesen Eindruck vermittelt uns mit wirkungsvollen Bildern jedenfalls der Film Gasland von John Fox aus dem Jahr 2010, der sich in seiner Dokumentation gegen das in den USA sehr weit verbreitete Fracking richtet. Bekannt ist der Film durch eine Schlüsselszene geworden, in der ein Mann einen Wasserhahn aufdreht, sein Feuerzeug daneben hält und schon entsteht eine Stichflamme. Mit solchen Bildern lässt sich wunderbar Stimmung machen: Wer bekommt es da nicht mit der Angst? Wer denkt da nicht, dass Fracking ein direkter Angriff auf die eigene Sicherheit ist, der Haus und Leben gefährdet?

Das Fernsehmagazin Panoramaerklärt uns, was wirklich geschah: »In bestimmten Regionen […] kommt Methangas nicht nur tief unten in der Erde vor (thermogenes Gas), sondern es entsteht zusätzlich weiter oben an der Oberfläche (biogenes Gas). In Gasland brennt biogenes Gas. Auch in Europa gibt es dieses Naturphänomen, in Holland zum Beispiel: Nördlich von Amsterdam steigt Methangas aus Oberflächenwasser auf. Die Anwohner leiten es seit rund hundert Jahren in umgebaute Brunnen und von dort ins Haus, wo sie Lampen und Kochplatten damit betreiben.« Sie sehen, alles ganz harmlos, aber den Bildern konnte niemand ansehen, ob es sich um Frackinggas oder eben biogenes Gas handelte, die Wirkung im Film über Fracking war wunderbar geeignet, um zu polemisieren.

Aber auch die Bilder, die uns von der Ukraine-Krise und anderen Kriegsschauplätzen erreichen, sind oft nicht das, als was sie uns erscheinen. So werden aus Staus von Menschen an der litauischen Grenze im Untertitel Flüchtlinge aus der Ostukraine.

Der italienische Fotograf Ruben Salvatori enttarnt gerne manipulierte Bilder: »Aus den grimmig schauenden Sicherheitskräften, bei denen der Betrachter gleich die wütenden Demonstranten auf der anderen Seite mitdenkt, werden so drei Polizisten, die auf einer leeren Straße miteinander reden. Ganz nah vor ihnen kniet der Fotograf. Von Gewalt keine Spur. Andere Bilder entlarven, wie Jugendliche mit vermummten Gesichtern, in der Hand Steine, im Hintergrund Rauch und Flammen, nur für die Aufnahme posieren.«

Bilder fangen nie die ganze Wirklichkeit ein. Der gewählte Ausschnitt bestimmt auch, was wir sehen (sollen) und konstruiert damit unsere Realität.

Doch nicht nur im Rahmen der psychologischen Kriegsführung werden Bilder gerne eingesetzt und bewusst im eigenen Sinne gestaltet, auch in der Unternehmenskommunikation ist die Bedeutung von Bildern angekommen. Besonders wenn es um die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit geht, arbeiten heute manche Unternehmen auf einem Niveau, das früher kaum vorstellbar war.

Unternehmen versuchen heute, die Nachrichten und Bilder über das Unternehmen, wichtige Personen und Produkte zu kontrollieren. Das geht weit über die Veröffentlichung von Pressemitteilungen und vorfabrizierte Texte hinaus. Der Trend geht dahin, alle Inhalte zu kontrollieren. Ein schönes Beispiel ist wieder Microsoft. Satya Nadella ist der neue CEO von Microsoft. Natürlich gab das Unternehmen die üblichen Pressemitteilungen zu seiner Ernennung heraus, gleichzeitig gab es aber auch ein spezielles Asset Pack für die Medien: eine ganze Fotoserie in verschiedenen Situationen und mit wechselnder Bekleidung, eine Biografie mit persönlichen Enthüllungen, eine ›10 Things You Didn’t Know About Satya Nadella‹-Liste (Zehn Dinge, die Sie nicht über Satya Nadella wussten), Video-Statements von Bill Gates, Steve Ballmer und natürlich ihrem Nachfolger, schon fertig produzierte Interviews und dergleichen mehr. Was es für die Medien nicht gab, war eine Pressekonferenz oder die Gelegenheit zu eigenen Interviews20. Nicht kommuniziert wurde hingegen der bisher größte Stellenabbau in der Unternehmensgeschichte von Microsoft: 18.000 Stellen sollen bis Sommer kommenden Jahres gestrichen werden 21. Und schon erst recht gab es hierzu bisher kein Bildmaterial, keine Geschichten und keine vorgefertigten Interviews.

Das ist schon clever, wie der größte Softwareanbieter hier vorgeht. Microsoft nutzt den Umstand, dass die traditionellen Medien schon lange mit Stellenabbau und Ressourcenknappheit zu kämpfen haben. Wie verführerisch müssen da auf einen unterbezahlten Redakteur bereits vorgefertigte Inhalte wirken? Sehr verführerisch, denn die Bild- und Textmaterialien werden als hochattraktive Quellen trotz ihrer Herkunft gerne genutzt.

So erkennen Sie Täuschungsversuche

Vorsicht bei Bildern – überprüfen Sie Herkunft und Abbildung, fragen Sie sich, ob der Bildgehalt der Substanz einer damit unterlegten Aussage standhält. Ein einsamer Eisbär auf einer einsamen Scholle kann nicht das ganze Dilemma des Klimawandels repräsentieren. Achten Sie auf die Propagandawirkung von Bildern.

Werden Sie vorsichtig, wenn Geschichten zu glatt sind. Das wahre Leben ist selten ohne Probleme und Unwägbarkeiten. Garantierte Erfolge oder Renditen sind selten. Selbst Warren Buffet musste in letzter Zeit Verluste hinnehmen. Hier handelt es sich oft um Inszenierungen.

Überprüfen Sie Details einer Geschichte auch einmal auf ihren Wahrheitsgehalt – kennt man den Menschen dort, wo er gewohnt oder gearbeitet haben will?
Einfache Geschichten und Patentrezepte überzeugen auf den ersten Blick, funktionieren aber selten in der Praxis. Überprüfen Sie die Versprechungen.

Also: Bilder und Geschichten funktionieren – seit den Zeiten des Buchs Gilgamesch, der Ilias oder der Bibel lassen Menschen sich von Geschichten faszinieren. Stimmige Geschichten und Bilder schaffen Wirklichkeit – auch weil sie an unser visuelles System und unser Vorstellungsvermögen appellieren. Bilder und Geschichten bleiben länger in Erinnerung, weil sie mit emotionalen Inhalten verknüpft werden und dadurch intensiver wirken.

  • Bilder, Beispiele und Geschichten überzeugen.
  • Damit vereinfachen sie komplexe Themen.
  • Die Wirkung wird verstärkt.
  • Bilder, Beispiele, Geschichten wirken emotional.
  • Gute Beispiele werden meist generalisiert.
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