Perfekt erschöpft und trotzdem nicht genug?

Viele von uns kennen ihn gut – diesen ständigen inneren Antreiber, der sagt: Du musst noch besser sein. Noch fehlerfreier. Noch mehr leisten. Perfektionismus fühlt sich an wie eine unsichtbare Grenze an, die man nie ganz erreicht. Und obwohl wir viel geben, bleibt oft das Gefühl zurück: Es ist nie genug.

Perfektionismus hat nur dann Qualität, wenn er gesund ist. Wird er toxisch, wird er zur Schutzstrategie – geboren aus Angst: Angst zu versagen, abgelehnt zu werden, nicht zu genügen oder als inkompetent zu gelten. Perfektionismus suggeriert Kontrolle, macht uns aber innerlich eng und angespannt.

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Und machen wir uns nichts vor: Der Alltag vieler Menschen ist geprägt von beruflichem Einsatz, hohen Anforderungen und ständigem Wandel. Der Arbeitsmarkt ist schnell, viele Bereiche sind unterbesetzt. Wirtschaftliche Unsicherheit, digitale Umbrüche, Familienverantwortung – all das gipfelt im Druck und fordert Kraft und Anpassung.

Wenn dann auch noch unser innerer Perfektionismus mit am Tisch sitzt, wird es eng. Sobald äußere Anforderungen und innerer Anspruch zusammenkommen, bleibt oft nur der Weg in die Erschöpfung.

Vor allem Frauen tragen häufig den Anspruch, alles zu meistern – und das bitte möglichst perfekt. Denn sich selbst zu überfordern, nur um alles richtig zu machen, das können wir im Schlaf. Wir gehen über unsere Grenzen, als wäre es ein Pflichtprogramm – mit einem Lächeln im Gesicht und der To-do-Liste in der Hand.

Hier hilft Reflexion. Sobald wir wissen, aus welcher Ecke unser Perfektionismus kommt, können wir ihn entlarven.

Das Fünf-Typen-Modell von Katherine Morgan Schafler

Die US-amerikanische Psychotherapeutin Katherine Morgan Schafler beschreibt in ihrem Modell fünf verschiedene Typen von Perfektionistinnen – jede mit ganz eigenen Mustern und Herausforderungen.

Die Extreme Perfektionistin ist zielorientiert, leistungsstark und oft unnachgiebig. Ihr Anspruch ist es, das perfekte Ergebnis zu erreichen. Dafür geht sie nicht nur über ihre eigenen, sondern auch über die Grenzen anderer. Emotionen zeigt sie selten, sie lebt für den Erfolg. Die Gefahr: innere Leere und permanente Überforderung.

Die Klassische Perfektionistin legt Wert auf Struktur, Disziplin und Verlässlichkeit. Sie strebt nach Beständigkeit und Kontrolle – in ihrer Arbeit, ihrem Auftreten, ihrem Leben. Für andere wirkt sie daher oft distanziert oder unnahbar. Spontaneität fällt ihr schwer, und „gut genug“ fühlt sich für sie selten ausreichend an.

Die Pariser Perfektionistin hingegen ist beziehungsorientiert, herzlich und kontaktfreudig. Ihr Perfektionismus zeigt sich vor allem im sozialen Kontext. Sie möchte gemocht und anerkannt werden. Kritik oder Ablehnung treffen sie tief. Um dazuzugehören, passt sie sich stark an, äußert ihre eigenen Bedürfnisse aber kaum.

Die Prokrastinierende Perfektionistin ist zögerlich, selbstkritisch und denkt oft zu viel. Sie wartet auf den perfekten Moment, doch aus Angst zu scheitern, fängt sie häufig gar nicht erst an. Obwohl sie um ihre Fähigkeiten weiß, verliert sie sich im Kopfkino und vergleicht sich ständig mit anderen und zweifelt an sich selbst.

Die Chaotische Perfektionistin schließlich ist kreativ, begeisterungsfähig und impulsiv. Sie startet mit viel Elan, verliert aber schnell den Fokus. Die Vielzahl an Ideen überfordert sie, vieles bleibt unvollendet. Sie schwankt zwischen himmelhoher Euphorie und tiefem Selbstzweifel – auf der Suche nach Klarheit und Struktur.

Perfektionismus hat viele Gesichter – und er kann sich gut tarnen. Deshalb ist es so wichtig, ihm ehrlich ins Gesicht zu schauen und zu prüfen: Ist er noch hilfreich – oder schon toxisch? Lenkt er zu viele Entscheidungen und führt in die Erschöpfung, wird es Zeit, ihn zu hinterfragen.

Drei Impulse, wie du Perfektionismus verwandeln kannst

#1 Arbeite mit dem 80/20-Prinzip. 
Nicht alles muss 100 % perfekt sein, um wirksam zu sein. Frage dich: Was ist jetzt wirklich wichtig? Wo reicht „gut genug“?

#2 Trau dich, echt zu sein! 
Sei lieber echt als angepasst. Authentizität schafft Verbindung. Wenn du deine Meinung teilst – auch wenn sie nicht allen gefällt – wirst du sichtbarer und nahbarer. Perfekt wirkt oft glatt, echt wirkt inspirierend.

#3 Lebe eine neue Fehlerkultur – erst mit dir selbst.
Fehler sind keine Schwäche, sondern ein natürlicher Teil von Entwicklung. Je selbstverständlicher du mit deinen eigenen Fehlern umgehst, desto mehr schaffst du Raum für Wachstum – bei dir und in deinem Umfeld.

Perfektionismus ist kein Schicksal. 

Er ist ein Muster – und Muster lassen sich verändern. Und ich weiß: Der Weg raus aus dem Perfektionismus ist nicht leicht. Aber er ist möglich – und er lohnt sich.

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