Dialoge verlaufen oft im Kanal. Das Ziel vor Augen hauen wir sie raus: Worte. Oft nicht böse gement, aber so vernommen. Wir bemerken gar nicht, was wir sagen oder tun. Im Bann des Zieles spulen wir unseren Plan ab. Das es mit „Schwebedialogen“ auch anders geht, zeigen Britta Albegger und Geza Horvat.
Du hast dich vielleicht schon gefragt, wie die Schwebedialoge zu ihrem Namen kommen und was es mit »etwas in der Schwebe halten« eigentlich genau auf sich hat.
Der Begriff »Dialog« lässt sich zurückführen auf die griechischen Wortwurzeln diá- [hin-]durch und lógos Wort beziehungsweise Rede. Sinngemäß bedeutet diá-lógos: Fließen von Worten. Der Begriff definiert das »Zwischen-den-Worten-Sein« und ist ursprünglich hinsichtlich der Zahl der Sprecher nicht festgelegt (Wikipedia 2024). Wir sehen das auch nicht so eng. Wenn du einen Schwebedialog für dich allein machst, dann ist das auch ein Dialog – einfach mit dir selbst.
Das Verb »schweben« beschreibt eine freie Bewegung im Raum und der Ausdruck »in der Schwebe halten« bedeutet, eine Entscheidung, einen Zustand oder ein Vorhaben bewusst offen oder unentschieden zu lassen und keine endgültige Lösung oder Richtung vorzugeben (Duden 2024; OpenThesaurus 2024).
Bevor wir jetzt noch weiter in die Tiefe gehen, fassen wir hier das, was Schwebedialoge ausmacht noch einmal zusammen:
Bei den Schwebedialogen betrachten wir Gefühle, Gedanken, Vorstellungen und Überzeugungen als Ausdruck von Bedürfnissen. Sie stellen keine Wahrheiten dar, sind aber ein äußerst effektives Mittel, um uns selbst und andere dazu zu bewegen, im Sinne unserer Bedürfnisse zu handeln.
Klingt das für dich vielleicht trocken, nüchtern oder kühl?
Gut möglich, denn dann wären ja alle Geschichten an sich unpersönlich und leicht austauschbar. Sie wären nur Mittel zum Zweck. Nach der Stillung eines Bedürfnisses könntest du die dazugehörige Geschichte einfach fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Oder wie Kinder ein gebrauchtes Spielzeug, wenn etwas Neues ihre Aufmerksamkeit erregt.
Das tust du aber meistens nicht.
Wahrscheinlich kannst oder willst du deine Gedanken, Vorstellungen und Glaubenssätze ganz und gar nicht einfach ablegen wie alte Kleider. Vermutlich deshalb, weil du, wie wir alle, an deine Geschichten glaubst. Es mag sein, dass du nicht an alle Geschichten glaubst, die du denkst, aber es ist nicht möglich, an nichts zu glauben (denn dann glaubst du, dass du nichts glaubst).
Perfekt!Glauben ist bei den Schwebedialogen das Beste, was du tun kannst, einfach deswegen, weil es das ist, was du sowieso tust. Und das ist gut so.
Was hat glauben nun aber mit dem rätselhaften In-der-Schwebe-Halten zu tun?
Die wesentliche Frage bei den Schwebedialogen in diesem Zusammenhang lautet: Bemerkst du, dass du glaubst? Bist du dir dessen bewusst, dass das, was du glaubst, zu der Wirklichkeit wird, in der du lebst, weil du es glaubst? Wenn du beispielsweise blonde Haare hast und ein Kollege dich als schwarzhaarig bezeichnet, welche Wirkung hat diese Aussage auf dich? Gar keine, weil du ihm ja ohnehin nicht glaubst? Oder glaubst du, er wäre unzurechnungsfähig, weil er blond für schwarz hält? Oder bist du genervt, weil du glaubst, dass er einen schlechten Scherz mit dir macht? Ein anderes Beispiel: Deine Tante meint beim Familientreffen, du hättest zugenommen. Bist du verzweifelt, weil du glaubst, zu dick zu sein? Oder bedankst du dich für das Kompliment, weil du lange krank warst und glaubst, endlich wieder gesund auszusehen?
Informationen haben eine Wirkung auf dich und diese hängt zu hundert Prozent davon ab, was du gerade glaubst. Alles, was du glaubst, einschließlich des Glaubens daran, dass du etwas nicht glaubst, ist das, worauf du dich beziehst. Worauf solltest du dich auch sonst beziehen? Besonders die Geschichten, die du bereits in deiner Kindheit zu glauben begonnen hast, sind mittlerweile wahrscheinlich ein so selbstverständlicher Teil deines Selbstbildes, dass dir vielleicht gar nicht bewusst ist, dass du sie glaubst und ihnen dadurch die Macht gibst, die sie auf dich ausüben.
Du kannst nicht nicht glauben, was du glaubst.
Aber du kannst bemerken, dass du glaubst!
Wenn du also im Rahmen der Schwebedialoge deine Gedanken und Vorstellungen in der Schwebe halten willst, dann kannst du das ganz einfach tun, indem du dir bewusst machst, dass du sie zu deiner Realität machst, indem du an sie glaubst. Das ist alles.
Bei den Schwebedialogen geht es nicht darum, irgendetwas an dieser selbst geschaffenen Wirklichkeit zu verändern, sondern darum, sie so gut wie möglich auszudrücken, um sie besser kennen und verstehen zu lernen.
Die Hypothese dahinter: Alle Geschichten und Gedanken, die in deinem inneren Kopfkino ablaufen, wirken sich unweigerlich auf jede Lebenssituation aus, in der du dich befindest. Sie bilden die Brille, durch die alle Informationen, Wahrnehmungen und Eindrücke gefiltert werden, und sie erschaffen damit die Realität, auf die du dich beziehst.
Auch wenn wir die meisten Dinge, die in uns vorgehen, nicht aussprechen, sind sie dennoch da und geben in Wahrheit den Ton an. Die Gedankenwolke, die wir alle im Kopf haben, erzeugt die Welt, in der wir leben. Ob es uns passt oder nicht.
Das Raffinierte bei den Schwebedialogen ist: Du hast die Möglichkeit, die Dinge einfach genau so auszudrücken, wie sie gerade in dir da sind, ohne daran herumzudoktern zu müssen.
Aber das ist noch nicht alles: Bei den Schwebedialogen machen wir nicht den geringsten Unterschied zwischen den einfachen, banalen Problemgeschichten unseres Alltags, den großen Dramen der globalen Welt oder den individuellen Leidensgeschichten, die uns seit der Kindheit begleiten. Sie alle bilden den Tanz unseres Lebens, sie sind die Gedankenbewegungen, die uns ausmachen. Hier sind alle Gedanken gleichbedeutend. Jeder einzelne von ihnen ist es wert, gehört zu werden, weil er dem Zweck dient, unseren Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen.
Unsere Gedankenwolke mag dabei nicht immer einer nachvollziehbaren Logik folgen, manchmal sogar widersprüchlich oder lächerlich erscheinen. Sie kann sich von einem Augenblick auf den anderen radikal verändern, beispielsweise im Zuge einschneidender Erlebnisse, die unser komplettes Weltbild über den Haufen werfen können. Was jetzt, in diesem Augenblick, noch das Wichtigste ist, kann im nächsten Moment schon komplett in den Hintergrund rücken. Die Inhalte unserer Geschichten sind austauschbar. Sie sind bunt, vielseitig und dauernd in Bewegung. Schwebedialoge sind eine Einladung, diesem Tanz in deinem Kopf Ausdruck zu verleihen!
Und dann kommt der Clou: Du hast die Möglichkeit, das, was du gehört und gesehen hast, und alles, was du darüber denkst, »in der Schwebe« zu halten, indem du dich daran erinnerst, dass du es zur Wirklichkeit machst, indem du es glaubst.
In der Schwebe halten bedeutet, dass du dir die Freiheit nimmst, deine gewaltigen Gedankengebäude ein Stück weit vom Boden abheben und sie frei im Raum schweben zu lassen.
Denn sie haben kein Gewicht, wenn du nicht an sie glaubst. Und das ist gut so. In diesem Sinne … Lass uns abheben, experimentieren und spielen! Denn unsere Gedanken sind frei! Jetzt und immer.

Britta Albegger vereint künstlerische Kreativität mit syste-mischem Denken. Nach ihrem Abschluss an der Universi-tät der bildenden Künste in Wien und einer Ausbildung für systemische Organisationsentwicklung arbeitete sie in in-ternationalen Innovations- und Veränderungsprojekten. Ihrer Begeisterung für das Aufbrechen eingefahrener Denkmuster entsprang schließlich die Idee für den Schwebedialog, dem sie sich seither voll und ganz widmet. (Foto: Manfred Bibiza)
Geza Horvats unstillbare Neugier und Leidenschaft, den Dingen auf den Grund zu gehen, führen ihn in die unter-schiedlichsten Bereiche: Vom Studium der Wirtschaftsin-formatik, der Arbeit als Regisseur bei Film und Fernsehen bis zu einer künstlerischen NPO, in der er als IT-Experte tätig ist. Sein Lebenswerk ist der Schwebedialog, der es Menschen ermöglicht, das Wesen des Denkens und Kommunizierens tiefgehend zu ergründen. (Foto: Manfred Bibiza)