Wir leben in einer Zeit, in der Unternehmen mit einer Geschwindigkeit ins Wanken geraten, die noch vor wenigen Jahren kaum vorstellbar war. Anstatt die Weichen in Richtung Zukunft, Sinn und innerer Erneuerung zu stellen, erstellen manche Personalabteilungen Fortbildungskataloge, die mehr an Urlaub als an die Zukunft – oder zumindest an die Gegenwart – erinnern. Sie sind umfangreich, farbenfroh und dennoch erstaunlich wirkungslos.
Die Absicht dahinter ist ehrenwert, doch oft werden Programme geschaffen, die kaum berühren, kaum irritieren und deshalb wenig bewegen. Sie sind Wiederholungen eines Gestern, das in seiner vermeintlichen Sicherheit tröstet, aber keine Zukunft baut. Genau hier liegt die stille Schieflage: Bildung wird in vielen Organisationen behandelt wie eine Bestellliste, die HR verwaltet, und längst nicht mehr wie ein strategischer Hebel, der an der Spitze verankert sein müsste.
Bildung ist Chefsache
Es geht nicht um Prestige oder Image – es ist ernste & zentrale Führungsaufgabe. Denn dort, wo Entscheidungen gefällt werden und wo die großen Linien entstehen, dort wo Verantwortung ihren wahren Sitz hat, dort muss auch das Lernen seinen Platz finden. Ohne diese Verankerung entsteht eine Art Scheinbewegung: Menschen werden geschult, ohne dass das System bereit ist, die Tiefe und die Konsequenzen dieser Schulung zu tragen.
Veränderung findet immer statt – das ist der Charakter des Lebens selbst. Doch das, was heute gebraucht wird, ist mehr als Anpassung. Es ist der Mut, jene tiefere Form der Wandlung zuzulassen, die nicht poliert daherkommt, sondern eher wie eine innere Erschütterung, die aufrüttelt, neu ausrichtet, uns zwingt, sich ehrlich zu fragen: Was davon, was wir tun, ist noch wahr?
Diese Art der Transformation lässt sich nicht an HR delegieren
Sie verlangt die Präsenz derer, die Verantwortung tragen – nicht nur auf Ergebnislisten und in Sitzungsräumen, sondern in den menschlichen Räumen des Lernens selbst. Und sie soll auch nicht in die eigene Tasche der CEO´s und Vorstände fließen.
Viele CEOs glauben, sie hätten „kein Talent“ für solche Prozesse, oder sie seien „nicht die Richtigen“, um darüber mitzureden. Ihr Alltagsgeschäft sei eben ein aneres. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Niemand kennt das zukünftige Gesicht eines Unternehmens so gut wie die Menschen, die es führen. Und niemand kann den Weg dorthin klarer markieren als diejenigen, die die Konsequenzen tragen.
Deshalb kann Transformation nicht wie eine externe Dienstleistung eingekauft werden – so angenehm diese Vorstellung auch wirkt. Sie braucht die Bereitschaft, sich selbst einzubringen, mit den eigenen Überzeugungen zu ringen, die gewohnten Gewissheiten in Frage zu stellen und nicht immer wieder nach neuen Trends oder künstlich aufgeblasenen Management-Hypen zu greifen, die schließlich nur das Alte neu verpacken.
Transformation bedeutet nicht, jedem neuen Zauberwort hinterherzulaufen. Kreativität ist mehr als Ändern der Schriftart in einem Word-Dokument, so wie New Work nichts Neues ist und ohne Tischfussball, bunte Möbel und Obstkorb daher kommt.
Sie kann ebenso gut eine Rückkehr sein – zu dem, was ein Unternehmen im Innersten trägt: seinen Werten, seiner Herkunft, seiner Würde, seiner Kraft. Es ist kein Rückschritt, sondern eine Verdichtung. Eine Art Heimkehr, die nicht nostalgisch ist, sondern klärend.
In dieser möglichen Rückkehr liegt oft eine größere Zukunftsfähigkeit als in jeder Trendbewegung. Wer die Kernwerte wiederfindet, findet auch den Mut, das Überflüssige zu verwerfen und das Nötige zu bewahren. Und genau das schafft Raum für Neues – nicht aus Hektik oder trendbestimmtem Imagewechsel, sondern aus Klarheit und tiefer Überzeugung.
Damit diese Art des Lernens gelingt, braucht es Räume, die größer sind als Trainingsräume und tiefer als Coaching-Settings. Räume, in denen eine Führungskraft nicht nur etwas versteht, sondern etwas von sich selbst erkennt. Räume, in denen Erwartungen bröckeln dürfen, in denen Stille erlaubt ist und der Blick auf das Eigentliche frei wird.
Diese Räume wirken nicht, weil sie perfekt konzipiert sind, sondern weil sie lebendig sind – voller Unvorhergesehenem, voller Impulse, die nicht geplant werden können und gerade deshalb jene Art von Klarheit hervorbringen, die man in keinem Modell findet.
Dort findet das statt, was echte Transformation ausmacht: ein Riss im Gewohnten, ein Atemzug neuer Erkenntnis, ein Moment, in dem das Denken wechselt und der Körper es spürt.
Solche Prozesse brauchen Begleiter, die nah genug sind, um Resonanz zu erzeugen, und frei genug, um zu irritieren. Menschen, die nicht Methoden aus Büchern reproduzieren, sondern aus eigenem Erleben schöpfen; die sich nicht hinter Konzepten verstecken, sondern mitgehen, stören, öffnen und manchmal den Mut haben, einen Auftrag abzulehnen, wenn er lediglich dazu dient, das Alte in schönerer Verpackung zu erhalten. Und die ein Vorbild und Beispiel für Transformation sind.
Und sie brauchen Führungspersönlichkeiten, die begreifen, dass Bildung kein Nebenprozess ist, sondern das Herz einer Organisation.
Dass sie die Aufgabe haben, nicht nur Strategien zu prüfen, sondern sich selbst – ihre Entscheidungen, ihre Absichten, ihre blinden Flecken.
Dass Zukunft nicht gestaltet wird, indem man Programme unterschreibt, sondern indem man sich in die Räume begibt, in denen Lernen wirklich geschieht.
Wer heute führt, führt nicht nur Menschen – er führt Lernen. Und wer Lernen führt, führt die Transformation.
Barbara Messer
Wer das verweigert, riskiert mehr als ein paar verpasste Trends. Er riskiert die Zukunft seines Unternehmens.

Barbara Messer, CSP, Horizonautin, international ausgezeichnete Rednerin, mehrfache Trainingspreisträgerin und Autorin von über 25 Büchern. Sie vereint Fachwissen (BBA, diverse Fachweiterbildungen, systemischer Coach, NLP-Trainer etc.) mit Herz (gelernte Altenpflegerin, Clown, Nia Brown Belt). Kleeblattfinderin, Tausendsassa, Visionärin, Mentorin für Transformation. Ihre Vielfalt inspiriert Menschen – klug, kreativ und grenzenlos.

