Warum Transformationsprojekte scheitern

Oft wird nicht klar zwischen fachlich-technischen Vorhaben und organisationsweiten Transformationsprojekten unterschieden. Diese Unterscheidung ist aber essenziell, da bei Transformationen klassische Projektmethoden versagen und andere Erfolgsfaktoren in den Fokus rücken müssen. Kurz gesagt: Transformation erfordert eine andere Methodik als ein reines Fachprojekt.

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Fachlich-technische Projekte versus Transformationsprojekte:
eine differenzierende Betrachtung

Wenn von Projekten die Rede ist, wird oft nicht sauber unterschieden, ob es sich um ein fachlich-technisches Vorhaben handelt oder um ein Transformationsprojekt, das eine ganze Organisation oder zumindest zentrale Teile davon betrifft. Diese Unterscheidung ist jedoch wesentlich, um zu verstehen, warum klassische Projektmethoden bei Transformationen häufig nicht ausreichen und weshalb andere Erfolgsfaktoren in den Vordergrund rücken müssen. Im Folgenden werden fünf zentrale Kriterien dargestellt, die den Unterschied markieren – und die zugleich aufzeigen, worauf es in Transformationsprojekten wirklich ankommt.

Zieldimension: Deliverables versus Zielbild

Fachlich-technische Projekte sind in aller Regel auf klar definierte Ergebnisse ausgerichtet. Ein neues IT-System, eine optimierte Prozesskette, die Einführung eines Tools oder die Umsetzung einer regulatorischen Vorgabe – all diese Projekte haben ein eindeutiges Was, das am Ende geliefert wird. Der Erfolg lässt sich daran messen, ob das vereinbarte Ergebnis in der vorgesehenen Qualität, Zeit und zum vereinbarten Budget bereitgestellt wird.

Transformation ist kein technischer Prozess, sondern ein kollektives Ringen um neue Möglichkeiten.

Transformationen hingegen folgen einer anderen Logik. Sie zielen auf ein umfassenderes Bild: die Veränderung von Strukturen, Kulturen, Haltungen und Handlungslogiken. Dieses Zielbild ist in der Regel nicht von Beginn an vollständig greifbar, sondern wird iterativ geschärft und angepasst. Der Weg dorthin erfordert Offenheit und die Fähigkeit, Zwischenergebnisse zu akzeptieren, die ihrerseits wieder Lern- und Reflexionsschleifen auslösen. Transformation bedeutet damit, dass nicht allein ein Produkt oder ein Prozess geliefert wird, sondern dass sich die Organisation selbst in ihrer Arbeitsweise, in ihrer Kultur und in ihrem Selbstverständnis verändert.

Komplexität und Wechselwirkungen: klar begrenzte Aufgaben versus multidimensionale Dynamiken

In fachlich-technischen Projekten ist die Komplexität begrenzt. Sie ergibt sich meist aus der fachlichen Tiefe oder der technischen Herausforderung, bleibt jedoch in der Regel auf definierte Schnittstellen oder Fachbereiche beschränkt. Auch eine neue Buchungssoftware mag kompliziert sein, aber die Wirkungen beschränken sich meist auf den Finanzbereich.

In Transformationsprojekten dagegen entfalten sich Wechselwirkungen auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Jede Veränderung einer Struktur hat kulturelle Konsequenzen, jede kulturelle Irritation beeinflusst das Verhalten, jedes neue Mindset wirkt auf Prozesse und Technologie zurück. Es entsteht ein Netz von wechselseitigen Abhängigkeiten, das sich nicht linear steuern lässt. Transformationen sind daher immer systemisch: Sie betreffen das Ganze, auch wenn sie sich zunächst in einzelnen Projekten manifestieren. Genau hier liegt die Herausforderung – und zugleich die Chance: Wer Wechselwirkungen sichtbar macht und bewusst gestaltet, kann Transformationen nicht nur überstehen, sondern aktiv in eine gewünschte Richtung führen.

Betroffenheit und Akzeptanz: Nutzer versus gesamte Organisation

In fachlich-technischen Projekten ist der Kreis der Betroffenen in aller Regel überschaubar. Es handelt sich um Anwender, Nutzer oder bestimmte Abteilungen, die mit den neuen Prozessen oder Systemen arbeiten müssen. Die Akzeptanzfrage ist zwar wichtig, beschränkt sich aber meist auf das Training und die Umstellung.

Anders in Transformationsprojekten: Hier ist die gesamte Organisation betroffen – von der Führungsebene bis hin zu operativen Teams, häufig auch die Schnittstellen zu Kunden, Partnern und Stakeholdern. Transformation greift in Identität und Selbstverständnis ein. Sie verändert nicht nur die Arbeitsweise, sondern oft auch das Warum und das Wozu des Handelns. Deshalb ist Akzeptanz nicht mehr nur eine kommunikative Flankierung, sondern ein zentrales Erfolgskriterium. Ohne psychologische Sicherheit, ohne Partizipation und ohne das Gefühl, Teil des Prozesses zu sein, wird Transformation blockiert. Es reicht nicht, dass Gestaltende mitmachen – sie müssen den Sinn nachvollziehen können und sich in die Veränderung eingebunden fühlen.

Zeithorizont und Dynamik: Projekte mit fixem Scope versus adaptive Prozesse

Fachlich-technische Projekte bewegen sich in der Regel in einem klaren Zeitrahmen. Start, Meilensteine und Endpunkt sind meist präzise definiert. Auch wenn es im Detail zu Verschiebungen kommt, ist der Scope relativ stabil.

Transformationen dagegen folgen keinem linearen Fahrplan. Sie sind langfristig angelegt, entwickeln sich adaptiv und bleiben oft über Jahre hinweg relevant. Das Zielbild verändert sich im Verlauf, weil neue Erkenntnisse entstehen, weil sich externe Rahmenbedingungen ändern oder weil interne Dynamiken andere Schwerpunkte setzen. In dieser Hinsicht ähneln Transformationen eher einem fortlaufenden Entwicklungsprozess als einem abgeschlossenen Projekt. Das verlangt nicht nur eine andere Form des Projektmanagements, sondern auch eine andere Haltung: Reflexion, Lernen und kontinuierliche Anpassung sind Teil der Steuerung – nicht das Scheitern an einer verfehlten Planung, sondern das bewusste Fortschreiben des Weges.

Ergebnisverantwortung und Haltung: Projektleitung versus kollektive Verantwortung

In fachlich-technischen Projekten ist die Verantwortung meist klar: Projektleitung, Fachbereich und gegebenenfalls ein Lenkungsausschuss tragen die Verantwortung für Erfolg oder Misserfolg. Der Erfolg ist über klassische KPIs messbar: Qualität, Kosten, Zeit.

Transformationen hingegen verlangen eine andere Form der Verantwortung. Sie ist kollektiv verteilt – nicht eine Person oder ein Gremium allein entscheidet über den Erfolg, sondern die gesamte Organisation gestaltet ihn mit. Führung bedeutet hier nicht Anweisung, sondern Rahmensetzung, Ermöglichung und Moderation. Es geht um die Entwicklung einer transformativen Haltung, die Spannungen nicht verdrängt, sondern in Lernprozesse übersetzt. Ergebnisverantwortung heißt in diesem Kontext, dass alle Gestaltenden in unterschiedlicher Intensität etwas beitragen müssen – Führung, Teams, Kunden, Stakeholder. Transformation ist nur dann erfolgreich, wenn die Organisation als Ganzes den Veränderungsprozess annimmt und trägt.

Fazit: Transformation verlangt eine andere Logik

Die Unterschiede zwischen fachlich-technischen Projekten und Transformationen sind keine Frage der Größe oder des Budgets, sondern der Logik. Fachlich-technische Projekte liefern konkrete Lösungen – Transformationen verändern das System selbst. Wo das eine mit klassischen Methoden gut zu steuern ist, erfordert das andere ein anderes Denken: systemisch statt linear, adaptiv statt starr, kollektiv statt singulär.

Wer diese Unterschiede erkennt, kann die eigene Organisation darauf vorbereiten und die Weichen so stellen, dass Transformation nicht als Überforderung erlebt wird, sondern als Chance für nachhaltige Entwicklung.

Wer einmal mitten in einem echten Transformationsprojekt stand, weiß: Das Schwierige daran sind nicht die Pläne, Methoden oder Tools. Es sind die Dinge, die man nicht sofort sieht – die verborgenen Strömungen unter der Wasseroberfläche, die das Eisbergmodell so treffend beschreibt. Strukturen und Prozesse lassen sich auf Papier zeichnen, Verantwortlichkeiten in Organigrammen verankern. Aber über Erfolg oder Misserfolg entscheidet das Unsichtbare: Vertrauen oder Misstrauen, Klarheit oder Verwirrung, Mut oder Angst.

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