Haben Ihre Mitarbeiter überhaupt das nötige Know-how, um einen guten Job zu machen? Ich meine damit nicht nur das fachgebietsübliche Wissen, nach denen Mitarbeiter gemeinhin beurteilt werden. Mir geht es vor allem um emotionales und kundenorientiertes Wissen. Dem Kunden ist es meist egal, wer in Ihrer Firma genau was weiß, solange der Mitarbeiter, dem er gerade gegenübersteht, auf das antworten kann, was er wissen will und zwar herzlich, freundlich, geduldig, kompetent und interessiert.
Rationales Wissen bezieht sich auf
- Sachinformationen, über die der Mitarbeiter aus Sicht des Kunden verfügen müsste
- fachliches Wissen, das er in Fähigkeiten und Fertigkeiten umsetzen wird
- Informationen über den Kunden selbst
- Informationen über Einsatz und Wirkungsweise von Produkten und Dienstleistungen
Emotionales Wissen bestimmt die Interaktion mit dem Kunden. Es geht um
- das Wissen oder Erahnen der individuellen emotionalen Ansprache, die der Kunde aufgrund seiner Persönlichkeit erwartet oder benötigt
- das Wissen des Mitarbeiters über seine eigene Wirkung auf den Kunden, sei es aufgrund verbaler Äußerungen oder durch körpersprachliche Signale. Dabei geht es auch um das Know-how, diese Mittel gezielt einsetzen zu können.
Schweigendes Wissen schließlich umfasst das Wissen über mündliche Absprachen mit dem Kunden, über Gewohnheitsrechte, über dessen Vorlieben, Schrullen und Macken, die aus welchen Gründen auch immer nie in Datenbanken einfließen würden.
Schweigendes Wissen ist extrem personengebunden. Es lässt sich nur von Mensch zu Mensch weitergeben und leider nur teilweise in Datenbanken speichern. Und geht der Mitarbeiter, dann geht das Wissen. Kein Arbeitsvertrag kann ihn dazu bringen, es hier zu lassen. Weg! Gerade ein Verkäufer ist, weil er so viel über den Kunden weiß, derjenige, der am schnellsten Vertrauen aufbaut. Verlässt er ein Unternehmen, nimmt er alles Wissen über den Kunden mit – und damit konkretes Loyalisierungspotenzial und in der Folge wahrscheinlich auch Umsatz.
Bei Dienstleistern ist der Löwenanteil des Wissens meist schweigendes Wissen. Dieses Wissen kann zwar verfügbar sein, aber sein Inhaber ist meist kaum in der Lage, es in Worte zu fassen. Es geht dabei auch um Bauchgefühle, Instinkte und Erfahrungswerte, die uns sagen, wie etwas zu tun oder warum es besser zu lassen sei. Der erfahrene Küchenchef weiß (hoffentlich!) die richtige Menge Salz für 250 Portionen Suppe, der Optiker weiß, welche Brille zu welcher Kopfform am besten passt.
Und auch die Kunden können kaum in Worten ausdrücken, was so ganz besonders war an ‚Fräulein Anna‘ (so sagte die ältere Dame, die früher immer zum Haare schneiden kam). Anna wusste eben, worauf es ankam. Bei ihr wurde einem ganz warm ums Herz.
Schweigendes Wissen wächst mit dem Alter, der Lebenserfahrung und dem täglichen Umgang mit der Arbeit und den Menschen. Bewahren Sie sich die MitarbeiterInnen, die dieses Wissen haben und auch bereit sind, es an jüngere Kollegen weiterzugeben. Wissen verdoppelt sich, wenn man es teilt.
‚Wissen teilen statt bunkern’ heißt also die Parole. Machen Sie die Weitergabe von Wissen zum elementaren Bestandteil Ihrer Unternehmenskultur! Unternehmenswissen muss demokratisiert werden und nach allen Richtungen, also von oben nach unten, von unten nach oben und auch horizontal über alle Bereichsgrenzen hinweg frei fließen. ‚Wissen ist Macht’ als Chef-Attitude – das ist aus dem letzten Jahrhundert! Erhöhen und verbreitern Sie systematisch das komplette Wissensniveau in Ihrer Firma – und Sie laufen als Wissensführer Ihren Mitbewerbern davon.
Wissenstranfer lässt sich auf vielfältige Weise gestalten. Bei Microsoft zum Beispiel entstehen unter dem Begriff ‚Learning networks’ interne Netzwerke dadurch, dass sich eine Gruppe von Mitarbeitern aus völlig unterschiedlichen Unternehmensbereichen regelmäßig trifft, um sich auszutauschen. Dabei gibt es keine konkrete Aufgabenstellung. Ziel ist vielmehr, das Business der anderen besser zu verstehen, Inspirationen für die eigene Arbeit zu bekommen und bei eigenen Problemen von seinen Kollegen gecoacht zu werden. Anzahl, Dauer und Inhalt der Gesprächsrunden bestimmen die Teilnehmer selbst.
Wissen veraltet heute weit schneller als früher. Es wächst ständig und wird durch neue Kommunikationstechnologien rasend schnell verbreitet. Dank Internet kann jeder Kunde auf Ihrem Spezialgebiet genauso viel wissen wie Sie – oder sogar mehr. Aufgeklärte Kunden erkennen sehr bald, ob sich ein Mitarbeiter fortbildet und damit auf dem neuesten Stand ist. Gerade die zahlungskräftigen Kunden wollen von den Besten ihres Fachs betreut werden – und finden schnell heraus, wer zu den Besten zählt!
Was an Informationen und Wissen speicherbar, somit reproduzierbar und allen Mitarbeitern zugänglich zu machen ist, gehört in Wissensbanken. Wahrscheinlich haben Sie bereits mehr solcher Datenbanken in Ihrer Firma, als Ihnen bewusst und lieb ist, und längst nicht alle bestehen aus Bits und Bytes. Mal eine Checkliste hier, ein kleines Telefonverzeichnis dort … Wissen ist verstreut und versteckt in Aktenschränken, in untersten Schubladen, in vielen Köpfen und auf vollen Festplatten. Graben Sie es aus, werfen Sie es in einen Topf, strukturieren und ordnen sie es, füllen Sie Lücken auf und aktualisieren Sie regelmäßig.
Wissensmanagement heißt, Transparenz im Unternehmen zu schaffen. Ein Mitarbeiter, der das Gefühl hat, ihm würden Informationen vorenthalten, die für ihn vielleicht wichtig sind, fängt an, sie sich auf den Fluren zu beschaffen. Er diskutiert, er spekuliert, setzt wilde Gerüchte in Gang. Er wird unsicher und fühlt sich nicht eingebunden. Die Folge: Er ist frustriert und damit weniger engagiert.
Wissen breit zu streuen und großzügig offen zu legen ist eine Gefahr? Richtig: In Firmen mit schlechtem Betriebsklima und mangelnder Vertrauenskultur! Doch schon die Hinwendung zu einem regelmäßigen Austausch von Wissen fördert das Betriebsklima, denn dies schafft Sicherheit. Nur hochsensibles, strategisches Wissen, das die Existenz des Unternehmens gefährden würde, wenn es in falsche Hände gerät, ist davon ausgenommen.

Anne M. Schüller, Diplom-Betriebswirtin, gilt als führend Expertin für Loyalitätsmarketing. Sie hat den Begriff Total Loyalty Marketing geprägt. Sie ist Autorin zahlreicher Veröffentlichungen und zweier Management-Erfolgsbücher. Viele Jahre lang hatte sie Führungspositionen in Vertreib und Marketing verschiedener Dienstleistungsbranchen inne. Als Marketing-Direktorin der Accor Hotellerie Deutschland erhielt sie mehrere Auszeichnungen.
Heute ist Anne M. Schüller als Marketing Consultant zuständig. Ihre Schwerpunkte sind: Total Loyalty Marketing, marketingorientiertes Management-Coaching, Workshops und Seminare. Außerdem ist sie Dozentin an der Bayrischen Akademie für Werbung und Marketing und hat einen Lehrauftrag an der Fachhochschule Deggendorf im Fachbereich Unternehmensführung inne.