Das „DU“ ist extrem machtvoll. Denn es verändert die Wirklichkeit. Doch den meisten von uns – gerade im geschäftlichen Kontext – wiederstrebt das Dutzen. Völlig normal. Denn um diese Technik anzuwenden musst du einen Glaubenssatz umstoßen und auslöschen. Ein Glaubenssatz aus deiner Kindheit. Und wenn du ihn beseitigt hast wirst du zum Duzen kommen. Ganz einfach!
Trainingsteilnehmer aus dem Bereich Verkauf berichten mir von Umsatzsteigerungen von bis zu 50 Prozent. Und doch stößt diese Technik anfangs stets auf hohen Widerstand. Das ist normal. Denn, um diese Technik anzuwenden, musst du einen Glaubenssatz umstoßen und auslöschen, den du seit deiner frühesten Kindheit immer und immer wieder eingetrichtert bekommen hast.
1999 bin ich für ein Jahr in den Vereinigten Staaten. Dort herrscht seit langer Zeit der Trend zur Formlosigkeit, wenn es um Namensansprache geht. Man ist mit jedem per Du. Der Dekan ist der Henry, der Professor der Wayne, die Ärztin wird mit Ann angesprochen und der Vermieter als Harold. Auch ich werde ausschließlich als Martin angeredet. Mir fällt schnell auf, dass sich durch den Verzicht auf die Höflichkeitsform Gespräche viel einfacher und direkter gestalten. Man spricht offener. Ergebnisse werden schneller und freundschaftlicher erzielt. Zurück in Österreich, finde ich mich schnell wieder in den gewohnten Rahmenbedingungen zurecht. Gelernt ist gelernt! Es gilt die allgemein gültige Regel, dass du nur Familienmitglieder und gute Freunde sowie Bekannte duzt. Fremde sprichst du generell mit »Sie« an, außer es handelt sich um Kinder. Ein solches Vorgehen wird mit Höflichkeit und gutem Benehmen gleichgesetzt. Alles andere ist ungehörig. Deine Eltern haben es dir sicherlich Hunderte Male gesagt und dieses Verhalten so tief in dir verankert.
Einige Monate nach meiner Rückkehr aus den USA beginne ich mit einem Freund geschäftlich zusammenzuarbeiten. Er ist ein ausgezeichneter Verkäufer und verfügt über dieses gewisse Charisma, das es braucht, um andere von sich zu überzeugen. Was mich bei ihm stets irritiert, ist seine Gewohnheit, stets mit allen neuen, geschäftlichen Bekannten per Du zu sein. Ganz egal ob Firmenchef, Einkäufer oder Assistent: Schon nach dem ersten Gespräch duzen sich die beiden. Für mich kommt so ein Vorgehen nicht infrage: Ich habe zu viel Angst vor negativen Reaktionen. Es fühlt sich gefährlich und falsch an. Nichtsdestotrotz muss ich mir mit der Zeit eingestehen, dass mein Geschäftspartner mit seiner Strategie Erfolg hat. Die Leute öffnen sich ihm schneller. Man geht vertrauter miteinander um. Aufträge vermehren sich. So treffe ich Anfang des neuen Jahrtausends eine Entscheidung. Ich bin von jetzt an, wo immer nur möglich, mit anderen per Du. Und genau so halte ich es seit vielen Jahren.

Ein »Du« drückt immer Nähe und Vertrauen aus. Ein »Sie« Förmlichkeit und Distanz. Bewusst oder unterbewusst! Um andere zu beeinflussen, bedarf es aber Nähe und Vertrautheit. Nur so kannst du die Emotionen des anderen optimal ansprechen. Das Ziel ist daher einfach: Schaue von nun an, dass du bei anderen schnell zum Du kommst und damit unterbewusst die gleichen Rechte erhältst wie deren Familie und besten Freunde. Grenzen werden aufgehoben, Nähe und Vertrautheit entstehen. Das Sicherheitsgefühl bei deinem Gegenüber steigt und es redet sich einfacher. Am wichtigsten aber: Du wirst (oft unterbewusst) bevorzugt, kannst Gefälligkeiten einfordern und Fehler werden dir eher verziehen. Die Objektivität schwindet.
Ein Du verschafft dir also gravierende Vorteile. Dein Gesprächspartner nimmt dich unterbewusst als vertraute Person wahr und beginnt sofort damit, dich anders zu behandeln. Distanz verschwindet, Offenheit steigt, Informationen werden bereitwillig gegeben. Zusätzlich wirst du ab jetzt gegenüber anderen bevorzugt behandelt. Einem guten Bekannten gewährt man halt eher einen Gefallen als anderen. Und das Schöne daran: Auch wenn du den anderen erst ein paar Minuten kennst – schaffst du es erst einmal, dass er mit dir per Du ist, bist du plötzlich auf der gleichen Stufe wie seine langjährigen Weggefährten und Freunde. Das ist ein unterbewusster Reflex. Eine tief im Unterbewussten abgespeicherte Routine.
Zum Duzen kommen
Tja, und wie kommst du jetzt zum Duzen? Ganz einfach! Du fragst. Du bietest das Du an und sorgst dafür, dass dein Gesprächspartner es annimmt. Ist dies getan, nimmt er es ein Leben lang nicht mehr zurück.
Ich empfehle dir, gerade geschäftlich, das Duzen bereits in deinem allerersten Gespräch zu fixieren. Du selbst kannst entscheiden, ob du dies sofort am Anfang machst, in der Mitte oder am Ende. Falls du Anzeichen erkennst, dass dein Gegenüber ein »Du«-Mensch ist, rate ich dir, gleich zu handeln. Dies kann sich dadurch ausdrücken, dass er sein Umfeld (Chef, Mitarbeiter, Angestellte) duzt oder von selbigen geduzt wird. Es kann sich auch dadurch zeigen, dass er andere Personen, die im Gespräch genannt werden, großteils mit dem Vornamen oder der Kombination Vorname und Nachname bezeichnet. Gerade am Anfang hast du sicherlich oft ein wenig Zweifel, ob das erste Gespräch nicht zu früh für das Angebot des Duzens ist. Das ist es zwar so gut wie nie, aber es ist auch kein Beinbruch zu warten – und zwar maximal bis zum zweiten Gespräch! Die Voraussetzungen für das Gelingen dieser Taktik ist ein natürliches, selbstsicheres und vor allem sympathisches Auftreten. Trittst du nervös und ernst auf, ist die Chance groß, dass das Bewusstsein des anderen sich einschaltet und ein Veto gegen das Du-Angebot einlegt. Anbei drei Beispiele, wie du rasch zum »Du« kommst:
»Herr Dr. Bauer, vorweg eine Frage. Ist es okay für Sie, wenn wir per Du sind? Da lässt es sich einfacher (entspannter) reden.«
»Herr Dr. Bauer, vorweg eine Frage. Ist es okay für Sie, wenn wir per Du sind? Ich bin eigentlich nur mit Menschen per Sie, die ich nicht mag.«
»Herr Dr. Bauer, vorweg eine Frage. Ist es okay für Sie, wenn wir per Du sind? Ich bin der Chlodwig.«
Das war es auch schon. Mehr ist nicht notwendig. Funktioniert in jeder Situation, auch am Telefon! Ich mache das seit über zehn Jahren und hatte gerade ein einziges Mal eine Ablehnung. Und was habe ich darauf hin wohl gesagt? »Verstehe Frau Gams, das ist absolut in Ordnung!« Falls jemand wirklich einmal in hundert Fällen dein Du-Angebot ablehnt, passiert nichts Schlimmes, gar nichts! Überwinde deine innere Abneigung gegen das Anbieten eines frühen Dus – gerade im Geschäftsleben. Das sind Überbleibsel aus deiner Kindheit. Vergiss nicht, dass im deutschsprachigen Raum der Gebrauch des Dus seit Jahrzehnten wächst. Menschen bis 35 Jahre duzen sich bereits mehr und mehr mit Selbstverständlichkeit. Und auch die Werbung spricht dich, ihren potenziellen Kunden, immer öfter mit »Du« an. Sei es in TV-Spots, Radioschaltungen, Plakattexten oder Zeitungsschaltungen.
Das Einzige, worauf du achten solltest, ist, deinen gesunden Menschenverstand nicht auszuschalten. Als blutjunger Student dem Dekan das Du anzubieten ist genauso unsinnig, wie deinen neuen Chef am allerersten Arbeitstag duzen zu wollen.

›Per Du‹ indirekt einsetzen
Das Duzen vermittelt immer Nähe. Dies gilt auch bei Außenstehenden. Nehmen wir zum Beispiel die Kaltakquise im Firmenbereich her. Sagen wir, der Verkäufer hat das Ziel, den Einkaufschef eines Konzerns kennenzulernen. Das ist nachvollziehbar, aber im Normalfall alles andere als einfach. Denn der Chef des Einkaufs hat Besseres zu tun, als ständig irgendwelche wildfremden Verkäufer zu treffen. Darum baut er sich auch einen Schutz auf. Und dieser Schutzwall ist meist sein Assistent, dem er klipp und klar aufträgt: »Stellen Sie mir ja keine Anrufer durch, die ich nicht kenne und die mich treffen wollen!« Tja, und so schaut dann der telefonische Versuch unseres Verkäufers meist aus.
Genz: »Einen schönen guten Tag! Gustav Genz hier von XYZ Logistik. Kann ich bitte den Herrn Radl sprechen?«
Assistent: »Was wollen Sie denn vom Herrn Radl?«
Genz: »Ähm, tja. Wir stellen einzigartige Transportsysteme her. Und ich wollte kurz mit dem Herrn Radl sprechen, um ein Treffen auszumachen, bei dem ich ihm unsere neue Produktpalette vorstellen kann. Ich …«
Assistent: »Schreiben Sie mir bitte eine Mail mit Ihrem Anliegen und ich leite es an Herrn Radl weiter.«
Genz: »Äh, ja. Gut, aber ich würde ihn gerne bitte ganz kurz persönlich …«
Assistent: »Schreiben Sie mir einfach eine Mail. Ich leite es weiter und der Herr Radl kommt dann bei Interesse auf Sie zu.«
Genz: »Ah, äh … okay! Wie ist denn Ihre E-Mail-Adresse?«
So läuft das meistens ab. Herr Genz hat nicht einmal die Hälfte der Aufgabe geschafft. Er ist schon am Assistenten gescheitert, ohne die Chance bekommen zu haben, Herrn Radl telefonisch davon zu überzeugen, ihn zu treffen. Anbei ein kleiner Trick, wie man diesen Teil der Aufgabe einfach schafft. Dazu braucht es nur Eines: die Kenntnis über den Vornamen der Zielperson. Und diese Information sollte jeder professionelle Verkäufer in seiner Recherche abgeklärt haben.
Genz: »Einen schönen guten Tag! Gustav Genz hier von XYZ Logistik. Den Rüdiger (Pause setzen), ähm den Rüdiger Radl meine ich, bitte! Danke!«
Assistent: »Ja einen Moment bitte, wen darf ich noch mal melden?«
Genz: »Den Gustav (Pause setzen), Gustav Genz von XYZ Logistik. Und eine Bitte noch: Geben Sie mir gleich seine Durchwahlnummer für das nächste Mal? Danke!«
Assistent: »Das ist die 888. Ich verbinde Sie!«
Genz: »Vielen Dank!«
Das ist der Trick! Durch die Verwendung des Vornamens und geschickte Intonation glaubt der Assistent, dass hier eine gewisse Bekanntschaft besteht und verbindet weiter. Natürlich ist das Ganze rhetorisch so verpackt, dass niemand sagen kann, du hättest so getan, als ob du mit dem anderen per Du bist. Dieser Eindruck entstand nur durch die Pausensetzung und das gewollte ›Ähm‹.

Mag. Martin Sernko zählt zu den führenden Kommunikationsexperten Europas. Bekannt für seinen eigenen, unverwechselbaren Stil – geprägt von hoher Dynamik, Innovation und Motivation –, steht er dafür, Altbekanntes stets kritisch zu durchleuchten sowie gänzlich neue Ansätze und Techniken zu entwickeln.