Noch vor wenigen Jahren brüllte der Niederländer Emile Ratelband im TV diesen Satz Menschen ins Ohr und motivierte damit scheinbar mühelos seine Opfer, ihre Ängste zu überwinden oder Leistungsgrenzen zu überspringen. Noch vor wenigen Jahren füllte der Motivations-Guru Jürgen Höller mühelos ganze Stadthallen und ließ Teilnehmer seiner Kurse über glühende Kohlen laufen. Ratelband ist (fast) verschwunden. Höller wurde im April 2003 zu drei Jahren Knast wegen Untreue und anderen Delikten verurteilt. Was bleibt, sind Menschen, die den stetig wachsenden Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft genügen wollen und müssen. Und die sich fragen, woher die Motivation dafür kommen soll.
Psychologen, sonst um keine Antwort verlegen, bestimmen Motivation eher vage mit Synonymen wie Antrieb, Kraftquelle oder Tatkraft. Im Unterschied zu Trieben wie Hunger oder Sexualtrieb seien Motive primär psychisch bestimmt und daher auch – zumindest teilweise – erlernbar.
Im Zentrum unseres aktuellen Interesses steht die Leistungsmotivation, die nach Untersuchungen bei US-Amerikanern und Deutschen besonders stark ausgeprägt ist. In den letzten Jahren haben führende Psychologen wie Heckhausen und McClelland Bedingungen erforscht, unter denen es Menschen gelingt, ein Leistungsmotiv zu entwickeln. Manch einer macht demnach für seine Erfolge oder eben auch Misserfolge hauptsächlich äußere Bedingungen verantwortlich. Die Eltern, den Lehrer, die Frau, den Chef. All jene sind Initiator und/oder Auslöser – positiv wie negativ. Andere hingegen schreiben ihre Erfolge und Misserfolge in erster Linie sich selbst zu. Aus diesen beiden grundsätzlichen Möglichkeiten, Handlungen Ursachen zuzuschreiben, resultieren zwei grundsätzliche Motivationstypen: intrinsisch und extrinsisch. Der intrinsisch Motivierte widmet sich einer Tätigkeit um ihrer selbst willen. Das Kind, das stundenlang bastelt. Die Schülerin, die die schwierige Aufgabe unbedingt lösen will. Der Musiker, der die höchst anspruchsvolle Passage beherrschen möchte. Der Ingenieur, der das Problem in den Griff kriegen muss. Der Lohn ist bei allen gleich: Das erreichte Ziel, der Erfolg an sich. Extrinsisch Motivierte handeln im Gegensatz dazu, um ein Ziel zu erreichen, das ihnen von außen als das ihre oktroyiert wurde. Das Kind bastelt, um ein Stück Schokolade, die Schülerin knobelt, um eine Eins zu bekommen. Der Ingenieur tüftelt, um lobende Worte vom Chef einzuheimsen.
Untersuchungen ergaben, dass bei intrinsisch Motivierten solche externen Belohnungen nicht nur überflüssig sind, sondern sogar schädlich sein können. Andererseits können bei so Motivierten die Leistungen durchaus verbessert werden, wenn die Belohnung als Information über die eigene Leistung gegeben wird. Nicht: „Wenn Du die Aufgabe löst, erhältst Du eine Eins“, sondern: „Es ist mächtig kompliziert, diese Aufgabe zu lösen. Toll, wenn Du das schaffen würdest!“
Eine besonders starke und wirkungsvolle Form intrinsischer Motivation beschrieb der gebürtige Ungar Mihaly Csikszentmihalyi (sprich: tschik-sent-mi-hayi).
Der Psychologe und Künstler fragte sich vor nunmehr vierzig Jahren, warum Kunststudenten während des Malens in eine Art Trance fielen und das fertige Bild hernach kaum noch eines Blickes würdigten? Er fand ein erstaunliches Motiv, das neben Künstlern auch Bergsteiger, Wissenschaftler und Sportler antreibt, die ganz von einer Aufgabe, ganz von einem Ziel gefangen sind. Alle gingen völlig in der ihrer Persönlichkeit gemäßen Tätigkeit auf, alle waren dabei hoch konzentriert, alle wussten in jedem Augenblick, was zu tun sei. Alle empfanden ein erhabenes Glücksgefühl und beschrieben einen Zustand, als wären sie von einer Strömung getragen. Darum nannte Csikszentmihalyi diesen Zustand Flow. Genau dieses Gefühl ist es, das Bergsteiger antreibt, auch den letzten Achttausender zu bezwingen, das Wissenschaftler die ganze Nacht im Labor festhält und junge Geiger die Kinderspiele ihre Kameraden vergessen lässt. Csikszentmihalyi sagte dazu in einem Interview: „Was die Menschen tun, um diesen Zustand zu erreichen, ist höchst unterschiedlich, aber das Erlebnis selbst wird auf sehr verschiedene Weise beschrieben. […] Aus der Sicht des Einzelnen ist das Flow-Erlebnis eine äußerst positive Erfahrung, denn es verschafft uns die unvergesslichsten und intensivsten Freuden im Leben.“
Wie aber kann ich mich oder jemand Anderen intrinsisch motivieren und diesen Zustand womöglich über Jahre aufrechterhalten? Wie schaffe ich es, mich selbst in eben jenen Zustand des Flow zu versetzen, um geradeso wie die Heroen des Alltags ein ähnliches Glücksgefühl erleben zu können und daraus Kraft für das ganz Alltägliche zu schöpfen?
Indem ich eine Fähigkeit aktiviere, die uns von Tieren unterscheidet und trotzdem von Psychologen und auch sogenannten Motivationstrainern weitgehend ignoriert wird: die Zukunftsorientierung.
Seien Sie mal ehrlich! Üben Sie genau den Beruf aus, der Ihren ganz speziellen Neigungen entspricht, der Ihnen Spaß macht und Ihnen zu Glücksmomenten verhilft? Leben Sie so und genau dort, wo Sie gern leben möchten? Oder wurden Sie nicht eher durch eine mehr oder weniger unglückliche Verkettung von Zufällen an genau den Ort geworfen, an dem Sie sich derzeit befinden? Dann sind Sie in guter Gesellschaft, es geht vielen Menschen so.
Das aber lässt sich ändern. Machen Sie sich zuerst klar, worin Ihr ganz persönliches, von Umwelteinflüssen und Einflüsterungen unabhängiges Ziel liegt. Dieser Schritt ist schwer und erfordert viel Denk- und Überwindungsarbeit.
Stellen Sie sich in einem zweiten Schritt Ihr Ziel, das Sie erreichen wollen, in all seinen Facetten vor: Wie und mit wem werde ich leben, wer wird zu meinen Mitarbeitern/Kunden gehören, wie sieht mein ganz alltäglicher Alltag aus? Vor allem aber: Was werde ich dabei empfinden, wenn ich mein Ziel erreicht haben werde? Wenn Sie die letzte Frage mit „Glück!“ beantworten, dann sind Sie bereits auf dem richtigen Wege, sich intrinsisch über eine lange Zeit – Rückschläge und schiefe Blicke missachtend – zu motivieren. Erst dann aber, wenn Sie wissen, wo Ihr individuelles Ziel liegt und wie es aussieht, können Sie auch den Weg dorthin (motiviert) mit allen Einzelhandlungen beschreiten. Rückschläge werfen dann nicht zurück, sondern wirken als zusätzliche Katalysatoren.
Dann bedarf es auch keiner Ratelbänder oder Höller-Gurus mehr, die lediglich versuchen, von außen nach innen zu wirken. Dann sind Sie intrinsisch motiviert und bereits auf dem besten Wege, eines Tages Flow genießen zu können.

Dr. Jens Kegel, Ghostwriter, Texter und Autor, arbeitet als Rede-Coach und Berater für „Verbale Unternehmenskommunikation“ in Berlin. In der von ihm gegründeten Akademie Text® gibt er seine Erfahrungen in Seminaren weiter, die genau auf die jeweiligen Zielgruppen ausgerichtet sind.