Was kommt nach agil?

Agilität war die letzte Sau, die durchs Haus getrieben wurde. Hochstilisiert zum Allheilmittel sollte Sie Unternehmen krisenfest machen. Doch richtig geklappt hat’s nicht. Das ist bei allen „Säuen“ so. Sie vernebeln den Blick aufs Wesentliche: Das Überleben der Firma. Nur darum geht es! Ganz gleich was nach agil kommt.

Die zentrale Herausforderung der Digitalisierung ist, dass die ganze Organisation agil wird. Das macht unser Unternehmen resilient.
Während viele Firmen noch dabei sind, zu verstehen, was das agile Manifest ist und vor allem, was es mit ihnen zu tun hat, rufen die ersten großen Wirtschaftszeitschriften bereits das Post-Agile-Zeitalter aus. An diesem Kipppunkt zwischen alter und neuer Sau, die durchs Dorf getrieben wird, sollten sie die Ausfahrt nehmen. Für Ihre Firma ist es deutlich sinnvoller, sich mit dem Wandel der zugrunde liegenden Prinzipien zu beschäftigen. Denn nur er hat etwas mit ihrem Überleben zu tun. In diesem Artikel mache ich Sie mit den dafür wichtigsten Begriffen vertraut. Werden Sie sich klar, auf was es jetzt für Ihren Betrieb ankommt.

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Varietät

Laut William Ross Ashby’s zentraler Erkenntnis der Kybernetik ist das eine Maßzahl für Komplexität. Sie zählt alle möglichen Zustände/ Handlungsmöglichkeiten, die ein System aufweisen kann. Ein Rückschluss dazu ist: Gibt es in einem System – nehmen wir mal den Weltmarkt – auch nur eine Option, die einem anderen System – sagen wir Ihrer Firma – unbekannt ist. Ist es dem zweiten System unmöglich, das Erste zu steuern. Doch was können diese Systeme dann tun, um zu überleben? Sie können die höchstmögliche Varietät anstreben. Und was heißt das für Ihren Betrieb? Sie sollten so viele Gehirne wie möglich zum Wohl Ihres Unternehmens mitdenken lassen.

Der grundlegende Prinzipienwandel

Heute sind die Rahmenbedingungen darauf optimiert, dass so wenig Gehirne wie unbedingt nötig für eine Firma leuchten. Eine Wurzel zu diesem Umstand finden wir im Eigentumsrecht. Wem etwas gehört, der bestimmt letztendlich, was damit passiert. Gleichgültig ob wir von Häusern, Unternehmen oder Genpatenten für Tomaten sprechen. Im Rückschluss ist es vielen, die nicht zumindest einen Teil dessen ihr Eigen nennen, reichlich egal, was im Endeffekt daraus wird. Eine zweite Wurzel ist unsere Art, aufzuwachsen. Schon im Kindergarten erfahren wir, es ist gut für uns, dann Mittagsschlaf zu machen, wenn der Chef – oder in diesem Fall meistens die Chefin – in Person der Erzieher:innen es ansagt und keineswegs, wann wir müde sind. In Folge dieses Trainings sind wir spätestens mit achtzehn Jahren Vollprofis im Umgang mit formaler Hierarchie. Die weite Mehrheit lernt mit ihr zum eigenen Vorteil zu spielen. Auch das verstellt schnell den Blick auf die Interessen der Firma.

Überlegungen, wie wir die Bremsklötze, die aus Eigentum und Weisungshierarchie entstehen, überwinden können, lohnt, weil wir damit mehr Varietät gewinnen. Deshalb benötigen wir in unseren Firmen …

Selbstwirksamkeit

Doch was ist das? Aus der Psychologie hergeleitet ist es die Überzeugung eines einzelnen Menschen, auch schwierige Situationen und Probleme aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. Das ist eine der wichtigsten Grundlagen für ein zufriedenes Leben. Denn fehlt mir der Glaube, etwas erreichen zu können, sinkt die Wahrscheinlichkeit enorm, dass es dennoch gelingt.

Für die Betriebskatalyse, meiner Alternative zur klassischen BWL, übertrage ich den Begriff auf die ganze Firma. Dort ist es die Fähigkeit, völlig unvorhersehbare Herausforderungen gerade durch die kluge Zusammenarbeit der Menschen zu meistern. Damit das klappt, ist es gut, wenn die Mitarbeitenden möglichst eigenständig kooperieren. Darin liegt erneut ein …

Grundsätzlicher Prinzipienwandel

Ein Hauptaugenmerk der klassischen Führung ist, Handlungsräume von Untergebenen zu beschränken. Das beginnt beim Schlüssel für den Keksschrank, aus dem die Süßigkeitenplatte für Besprechungen gefüllt wird und endet bei Budgetfreigaben, etwa für Materialeinkäufe. Lassen wir mal das ganze Thema Vertrauen außen vor. Je engmaschiger das Netz aus Vorgaben, mit desto weniger Sinn und Verstand darf im Bezug auf Firmeninteressen gerechnet werden. Warum sollte sich jemand die Mühe machen, den Blickwinkel der Organisation einzunehmen, solange niemand davon ausgeht, dass er oder sie vernünftig mit dem Kuchenbudget umgeht.

Da lohnen Überlegungen, wie Firmen ihren Mitarbeitenden zeigen, dass sie über die Süßigkeiten genau genommen ihren und den Einkommensspielraum ihrer Kollegen essen. Diese Offenheit kennt kaum eine sinnvolle Grenze. So sollten die Beschränkungen bestenfalls sichtbar von außen kommen, anstatt von Führungskräften. Von Kunden, vom Wettbewerb, von Lieferanten oder dem Gesetzgeber. Denn dann liegt es in der Natur der Sache, dass meine Kolleginnen mit mir gemeinsame Interessen verfolgen und wir uns sinnvoll zum Wohl der Organisation verhalten. Alles andere wäre schlicht dumm. Ähnlich sieht es beim letzten wichtigen Begriff aus, den ich Ihnen heute vorstelle, der

Antifragilität

Was für ein Wortmonster. So abstrakt intellektuell es sich anhört, so sinnvoll ist, es zu verstehen. Fragil ist beispielsweise Meißner Porzellan. Deshalb gehen wir äußerst vorsichtig damit um. Doch mit Ihrer Firma macht das niemand. Kein Markt, kein Staat, kein Mitarbeiter. Das ändert sich absehbar auch kaum. Aus diesem Grund ist es für Ihren Betrieb sinnvoll, das genaue Gegenteil von empfindlich zu sein. Eben antifragil. Hierin liegt erneut ein grundlegender …

Paradigmenwechsel

Die zentrale Strategie der Betriebswirtschaftslehre gegen Gebrechlichkeit ist Robustheit. Sie drückt sich beispielsweise in Größe aus. Dahinter steht die Annahme, je größer eine Firma, umso widerstandsfähiger ist sie. Das stimmt auch, für stabile Verhältnisse. Etwa einer verlässlichen Staatsform. Oder, solange man sich mit den immergleichen, lange bekannten Wettbewerbern misst. Diese Betriebe schauen allesamt verdattert zu, wenn Tesla plötzlich erfolgreich Autos baut, verkauft und ihren gesamten Markt mit ihnen zusammen an den Rand des Einsturzes bringt. Robust sein macht langsam. Und taucht eine stärkere Kraft auf, kommt das häufig dem Todesstoß gleich.

So entwickelte sich folgerichtig der Flirt der Robusten mit der Agilität. Sie sagen sich: Wir sind zwar groß und träge, doch jetzt trainieren wir unsere Reflexe. Wir steigern die Sprintfähigkeit. Wir machen uns beweglicher. Funktioniert diese Kombination, werden Firmen resilienter. Das heißt, gelingt es jemand, ihre Robustheit zu überwinden und den Laden quasi einzustürzen, bauen sie ihn ruckzuck wieder auf. Je kürzer die dafür vergangene Zeit, umso resilienter ist das Unternehmen. Doch Sie merken schon. Der Exitus hat in dieser Konstellation nach wie vor eine mehr als nur vage Eintrittswahrscheinlichkeit.

Was Ihnen nachhaltig hilft, ist Antifragilität. Sie ist eine Eigenschaft, die uns die Natur mitgegeben hat. Und so wird sie trainiert: Können wir im Anschluss an eine Stressphase regenerieren, halten wir denselben Stress beim nächsten Mal besser aus. So können wir unser Stressniveau systematisiert steigern, Schritt für Schritt. Ich verdeutliche das gerne am Beispiel eines Schulabschlusses. Die anstehenden Prüfungen sind immer dann am schlimmsten, wenn wir sie zum ersten Mal erleben. Bei einer Wiederholung gehen wir deutlich ruhiger mit demselben Stressniveau um. Und genau das ist es, was Ihre Firma braucht. Anstatt sich vor Stress zu schützen, sollte sie ihn bewusst durchleben. Wichtiger als alle Robustheit ist, dass nach dieser Phase Zeit zur Erholung da ist. Auf diese Weise gibt es keine bekannte Grenze für das Stresslevel, das Ihr Unternehmen mit Antifragilität auffangen kann. Was allerdings weit verbreitet bleibt, ist der Irrtum, es gäbe eine (agile) Robustheit, die allen Angriffen standhält.

In der Betriebskatalyse verbinden sich all diese Paradigmenwechsel zu einer neuen, fairen Betriebswirtschaft. In ihr nutzen wir Herzen und den Verstand aller Mitarbeitenden. Wir geben ihnen Raum, so dass die Firma aus sich selbst heraus wirksam ist. Beides zusammen macht sie resistent gegen jede Menge Stress, solange es gelingt, dass einige von uns nach großen Anstrengungen die Zeit zur Ruhe bekommen. Verlassen Sie die Sackgasse alter Glaubenssätze und finden sie eine gut ausgebaute Autobahn zum Erfolg, auch und gerade in eine unsichere Zukunft.

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