Kollektives Denkversagen – nur in der Krise?

In nur wenigen Monaten haben Staat und Medien es geschafft, Gedanken, Gefühle und vor allem Ängste zu uniformieren. Die Mechanismen, mit denen dies geschah, erinnern an die düstersten Epochen unserer deutschen Geschichte. Das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft verfielen zunächst in Schockstarre und dann in blinden Aktionismus. Ziele und Strategien wurden entwertet, die Entwicklung von Hygienekonzepten und Neuordnung der Zusammenarbeit zu Innovationen erklärt.

Wie indoktrinierte Gleichgesinnung die Innovationsfähigkeit unseres Landes zerstört

Eine wesentliche Gemeinsamkeit zwischen einer funktionierenden Demokratie und der Innovationsfähigkeit von Organisationen ist die erforderliche Diversität. Sie ist Bedingung für Facettenreichtum im Denken und im kritischen Hinterfragen des Bestehenden. Wie konnte es angesichts der aktuellen Situation zum Verlust dieser hart erarbeiteten Erkenntnis kommen?

Vom Crowdsourcing zur „Crowdanxiety“

Die Tendenz der Deutschen zur Ängstlichkeit dürfte ein guter Nährboden für die Verkündung und Durchsetzung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona Pandemie gewesen sein. Der Begriff „German Angst“ bekommt bei näherer Betrachtung der verwendeten Hebel und Vorgehensweisen in der Krise eine neue Dimension. Entgegen unserer Errungenschaften vermeintlich moderner Demokratie wurde auf einen breiten Diskurs zu den Maßnahmen und deren Verhältnismäßigkeit schlicht verzichtet. Bewährte wissenschaftliche Annäherungen über These-Antithese-Synthese wurden auf den ersten Schritt, der These einer Elite – eines homogenen Kreises von Wissenschaftlern – reduziert. Die Massenmedien haben, ungeachtet des Grades ihrer Abhängigkeiten, auf den nötigen, sensibel-kritischen Blick verzichtet. Ein Schelm, der denkt, dass für die Medienhäuser eine Zeit angebrochen zu sein scheint, in der mit wenig Rechercheaufwand hervorragende Ergebnisse in Auflage und Klickrate zu erzielen sind. Die Macht der Wiederholung tut zuverlässig ihren Dienst und erzeugt in Kombination mit täglichem Berichtsfokus, rein auf Infektionszahlen, das augenscheinlich gewünschte Produkt: Angst!

Angst ist das Gegenteil von Kreativität

Die Bewältigung von Krisen erfordert mehr denn je den Einsatz kreativer Fähigkeiten. Dies gelingt besonders gut, wenn Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven ausgetretene Denkpfade verlassen und frei „spinnen“ können. Bis vor einigen Wochen hatten wir dafür umgangssprachlich einen positiv besetzten Begriff, das „Querdenken“. Spätestens seit den Demonstrationen in Berlin verursacht die Aussprache dieses Wortes in der Öffentlichkeit schlichte Verachtung bis pures Entsetzen. Medial gut versorgte Uniformierte hängen die Frage nach der Teilnahme an den Kundgebungen oder der Mitgliedschaft in der Bewegung „Querdenker-711“ an. Dies ist nur ein Beispiel für die aktuelle Unterdrückung von Perspektivenvielfalt und Freigeisterei. Wenn darüber hinaus kritische Stimmen aus Wissenschaft, Kunst und Kultur zu den Corona-Maßnahmen – allesamt Disziplinen, die die Kreativität als Schlüsselressource nutzen – als Rechtsgesinnte und Verschwörungstheoretiker diffamiert werden, sind wir am Ende einer konstruktiven, demokratischen Problemlösungsdebatte angelangt.

Denkversagen schützt und entlastet von Verantwortung

Das permanent über der Wirtschaft schwebende Damoklesschwert eines erneuten, von der Politik gebetsmühlenartig angedrohten Lockdowns, spaltet die Gesellschaft. Die Entscheidung, sich auf die Seite der Denkenden zu schlagen wird zusätzlich durch objektive, existenzbedrohliche Konsequenzen eines weiteren Lockdowns erschwert. Für viele Unternehmen, die nicht zu den großen Gewinnern der Krise zählen, wie Amazon und Anbietern von Videokonferenzplattformen, bedeutet dieses Szenario das sichere Aus. Zum eigenen Schutz folgen Unternehmer also reflexartig angeordneten Maßnahmen, auch wenn diese weder wissenschaftlich, noch politisch plausibel begründet werden. Der Verzicht auf eine eigenverantwortliche Plausibilitätsprüfung schafft, trotz leiser Restzweifel, ein tendenziell besseres Gefühl. Damit lastet die Verantwortung weniger auf den eigenen Schultern und verteilt sich auf die breite Gemeinde der Konsumenten von Konservennachrichten und Obrigkeiten.

Das Phänomen des kollektiven Denkversagens wird zusätzlich durch die vermeintlich drohende soziale und gesellschaftliche Ächtung befördert. Wer will, nachdem er sich alternative wissenschaftliche Standpunkte und alternative Medienkanäle erschlossen hat, plötzlich in der rechten Verschwörerecke stehen? Einfacher ist doch, dem Trend zur Bequemlichkeit folgend, keine Todesfälle durch Corona zu verantworten und das Denken den Experten in Politik und Wissenschaft zu überlassen, die breite Akzeptanz genießen.

Entschuldigung in der Retrospektive

Die Abschaffung von Diversität und Spaltung der Gesellschaft durch Diskreditierung von Andersdenkenden kann also kaum ein probates Mittel zur Steigerung der Innovationsfähigkeit sein. Weder in Organisationen noch auf nationaler Ebene.

Krisen werden nur mit gebündelten Kräften, unterschiedlichen Standpunkten, Thesen und Erkenntnissen gemeistert. Aktuell sind Bemühungen zu einer, über den Diskurs erlangten, Geschlossenheit nicht zu erkennen. Täglich werden wir in Dauerschleife mit Entschuldigungen und Verweisen auf die Corona-Pandemie konfrontiert statt um kreative Lösungsansätze bereichert. Bildung, Digitalisierung und Mobilität, unsere gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Großbaustellen, bestanden bereits vor der Pandemie und erfordern jede Menge Kreativität. Coronabedingte Denkblockaden und verordnete Handlungshemmer helfen da nicht weiter.

Das Statement „Und dann kam Corona“ wird in Zukunft eine Menge Missstände, Versäumnisse und das kollektive Denkversagen zu entschuldigen versuchen.

Teilen

Dieser Artikel kann nicht kommentiert werden.