Der Net Promoter Score, meist NPS genannt, hat in den letzten Jahren einen weltweiten Siegeszug angetreten, weil er, wie man so sagt, vorstandstauglich ist. Er manifestiert die Kundenzentriertheit eines Anbieters. Er ist aber nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für KMU sehr gut geeignet.
Zur Messung von Kundenloyalität und Empfehlungsbereitschaft hat der amerikanische Loyalitätsexperte Fred Reichheld den Net Promoter® Score (registered trademark of Satmetrix Systems, Inc., Bain & Company and Fred Reichheld) entwickelt. Unternehmen, so sagt er, brauchen keine komplexen Kundenstudien, sondern am Ende nur ein, zwei Fragen, die kontinuierlich gestellt werden müssen.
Als die mit Abstand effektivste schlägt er die „ultimative Frage“ vor:
„Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie X an einen Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“
Dazu wurde eine Skala von null (höchst unwahrscheinlich) bis zehn (höchst wahrscheinlich) entwickelt. Die Antwortgeber lassen sich in drei Gruppen einteilen: Promotoren, passiv Zufriedene und Kritiker. Als Promotoren gelten nur diejenigen, die ihre Empfehlungsbereitschaft mit 9 oder 10 einstufen. Von den Promotoren werden die Kritiker (zwischen 0 und 6) abgezogen. Das Ergebnis ist der Net Promoter® Score.
Der NPS kann positiv oder negativ sein
Wenn man die Kritiker von den Promotoren abzieht, kann das Ergebnis positiv oder negativ sein. Passiv Zufriedene fließen in die Berechnung nicht ein. So hat die Beratungsgesellschaft buw einmal den NPS für CRM-Systeme gemessen, das sind Softwarelösungen für das Kundenbeziehungsmanagement. Jeweils 28 Prozent der Befragten waren Promotoren oder passiv Zufriedene, 44 Prozent waren Kritiker. Der NPS beträgt also -16.
Für Apple wurden schon NPS-Werte von 78, für Amazon 71, für Porsche 68, für Google 63, für Audi 47, für die TUI 45 und für BMW 42 gemessen. In vielen Fällen sind die Werte hingegen recht niedrig oder sogar negativ, was für die Motivation der Mitarbeiter nicht unbedingt förderlich ist. Ferner sind Vergleiche zwischen Branchen und Ländern mit größter Vorsicht zu genießen, da der jeweilige Befragungszeitpunkt sowie Ereignisse um diesen herum zu starken Schwankungen führen können.
So hat die Telekom einmal festgestellt, dass ihr NPS steigt, wenn über Konkurrenzprodukte negativ berichtet wird. Auch kulturelle oder geschlechtsspezifische Unterschiede sind zu berücksichtigen. Zum Beispiel vergeben Japaner höchst selten eine zehn, Lateinamerikaner jedoch andauernd. Wer gerade wütend auf einen Anbieter ist, gibt schnell mal eine null. Wieder andere geben grundsätzlich nie mehr als eine neun, weil sich, wie sie meinen, immer noch was verbessern lässt.
Der NPS misst nur die „Temperatur“ einer Kundenbeziehung
Der NPS-Wert ist zwar einfach zu ermitteln, doch er misst nur die „Temperatur“ einer Kundenbeziehung. Deshalb braucht man zusätzlich eine Analyse von Ursache und Wirkung. Dies geschieht mithilfe einer Zusatzfrage, die der eigentliche Startpunkt für kontinuierliche, kundenrelevante Optimierungsmaßnahmen ist. Sie geht so:
„Was ist der Hauptgrund für die Bewertung, die Sie gerade gegeben haben?“
Leider zeigt der NPS nicht, ob auf die Empfehlungsbereitschaft hin auch Taten folgen. Denn erst dann, wenn tatsächlich wirkungsvolle Empfehlungen ausgesprochen werden, kann dies neue Kunden bringen.
So kam im Rahmen einer Kundenbefragung in einem Telekommunikationsunternehmen heraus, dass zwar 81 Prozent der Interviewten behaupteten, den Anbieter weiterzuempfehlen, doch nur 30 Prozent taten dies auch. Und nur in 12 Prozent der Fälle entstand daraus neues Geschäft. Für einen Finanzdienstleister betrugen die entsprechenden Zahlen 68 sowie 33 und 14 Prozent.
Wie mit dem NPS sinnvoll gearbeitet wird
Die reine Frage nach dem NPS-Wert erfordert nur höchstens zwei Minuten und wird am besten telefonisch von einer neutralen Person gestellt. Wo dies nicht möglich ist: schriftlich geht natürlich auch. In aller Regel liegt die Antwortquote bei weit über 90 Prozent. Wer Repräsentativität will, sollte mindestens 100 Kunden befragen. Reichheld empfiehlt, seine eher unübliche 11er Skala unbedingt beizubehalten, denn sie zeigt Nuancen besser als etwa eine 5er Skala. Außerdem empfiehlt er, den NPS erstens regelmäßig und oft sowie zweitens auch für einzelne Produkte oder Geschäftsvorfälle zu erheben.
Übrigens kann man den NPS auch für einzelne Touchpoints (TNPS), für einzelne Personen (Berater-NPS, Manager-NPS) oder für Lieferanten und Kooperationspartner ermitteln. Ein Hersteller von Computer-Zubehör hat seine Kunden per NPS entscheiden lassen, welche Produkte im Sortiment bleiben sollen. Die mit niedrigen NPS-Werten werden sofort aus dem Programm genommen. Bei Mittelwerten kann die Entwicklungsabteilung sofort nachtarieren.
Insgesamt macht der NPS die Anbieter schneller, agiler und kundenorientierter. Mit seiner Hilfe kann die Stabilität einer Kundenbeziehung überprüft werden, um gefährliche Fehleinschätzungen zu vermeiden. Angebotene Serviceleistungen können auf Kundenrelevanz überprüft und gefundene Problemlösungen durch die Kundenbrille validiert werden. Insgesamt entsteht eine Innovationskultur, die von den Bedürfnissen des Marktes gesteuert wird, und nicht von Ratespielen im Elfenbeinturm.
Wird der NPS für die Firma als Arbeitgeber erhoben, nennt man ihn eNPS®, also Employee Net Promoter Score. „Apple Stores, die regelmäßig führende Werte im Kunden-NPS erhielten, erreichen auch hohe Werte bei den Beschäftigten. Und Filialen mit dem niedrigsten Mitarbeiterengagement erhielten tendenziell auch die niedrigsten NPS von Kundenseite“, schreibt Reichheld in seinem Buch „Die ultimative Frage 2.0“. Man kann eben keine Begeisterung bei den Kunden entfachen, wenn die Mitarbeiter nicht selbst begeistert sind. Beides hängt eng zusammen.
Erst die Zusatzfrage führt zu wertvollen Erkenntnissen
Wie schon gesagt ist der NPS-Score an sich nur eine Hilfskennzahl. Denn am Ende geht es ja nicht um Zahlen, sondern um glückliche Kunden. So ermöglicht erst die Zusatzfrage („Was ist der Hauptgrund für die Bewertung, die Sie gerade gegeben haben?“) den Einstieg in einen fundierten Dialog. Sie kann sofort oder im Zuge eines weiteren Anrufs gestellt werden. So können Stolpersteine rasch identifiziert und O-Töne der Kunden in Meetings und Mitarbeitergesprächen verwendet werden.
Die passiv Zufriedenen kann man fragen, was zu tun ist, damit sie höhere Werte geben. Und die Promotoren kann man fragen, mit welchen Worten sie die Firmenangebote empfehlen. Mehr als ein, zwei weitere Fragen sollten es jedoch nicht sein, weil dies die Komplexität erhöht und gleichzeitig die Antwortbereitschaft senkt.
Bei einer sehr schlechten Bewertung sollten Kunden unverzüglich kontaktiert werden, um nach Hintergründen zu fragen. Bei einer sehr hohen Punktzahl macht man das am besten auch, denn in beiden Fällen gibt es viel zu lernen. Und: Auch die Führungskräfte sollen solche Gespräche führen. Schon wenige gepfefferte Kundenkommentare können oft mehr bewirken als jeder balkengespickte Berichtsband.
Anne M. Schüller, Diplom-Betriebswirtin, gilt als führend Expertin für Loyalitätsmarketing. Sie hat den Begriff Total Loyalty Marketing geprägt. Sie ist Autorin zahlreicher Veröffentlichungen und zweier Management-Erfolgsbücher. Viele Jahre lang hatte sie Führungspositionen in Vertreib und Marketing verschiedener Dienstleistungsbranchen inne. Als Marketing-Direktorin der Accor Hotellerie Deutschland erhielt sie mehrere Auszeichnungen.
Heute ist Anne M. Schüller als Marketing Consultant zuständig. Ihre Schwerpunkte sind: Total Loyalty Marketing, marketingorientiertes Management-Coaching, Workshops und Seminare. Außerdem ist sie Dozentin an der Bayrischen Akademie für Werbung und Marketing und hat einen Lehrauftrag an der Fachhochschule Deggendorf im Fachbereich Unternehmensführung inne.