„One more thing“: Die zehn Secrets magischer Präsentationen

Mit dem „One more thing“ hat es Steve Jobs wohl auch in die Annalen der Rhetorik geschafft. Kaum ein Satz eines Firmenlenkers ist so oft zitiert worden wie dieser. Seine Präsentationen waren schlicht – aber dennoch Meisterwerke der Rhetorik, die sich einfachen und zugleich machtvollen Techniken bedienten.

Der wahre Meister der Redekunst beherrscht ein riesiges Portfolio rhetorischer Stilmittel. Doch den meisten von uns fehlt es aber an Zeit und Übung eine solche Vielzahl rhetorischer Stilmittel zu erlernen und gezielt einzusetzen. Steve Jobs ging es vermutlich nicht anders. Deshalb hat er sich auf wenige aber kraftvolle Stilmittel beschränkt. Die Kommunikations-Expertin Anita Hermann-Ruess hat seine Präsentationen analysiert und ist dabei auf 10 immer wiederkehrende Techniken gestoßen – die jeder anwenden kann.

1. Geheimnis. Mit Spannungsbögen das Publikum fesseln und packen

Stellen Sie sich vor, Steve Jobs wäre gleich am Anfang seiner Präsentation mit dem neuen iPhone, dem Highlight seines Auftritts, auf der Bühne erschienen. Vermutlich wären zahlreiche Zuschauer einige Zeit später gedanklich abgeschweift, da sie das Objekt des Interesses bereits gesehen haben.

Statt dessen zögert er das Thema 24 Minuten heraus, zeigt dann zunächst ein veraltetes Gerät, und es dauert erneut ganze 6 Minuten, bis er das iPhone präsentiert und das Geheimnis lüftet, auf das alle so gespannt gewartet haben.

„These are not three separate devices, this is one device, and we are calling it iPhone. Today, Apple is going to reinvent the phone, and here it is.” (Zeigt ein veraltes Gerät – Lachen im Saal)

2. Geheimnis. Mit limbic Keywords das Publikum  belohnen und begeistern

Seine Worte wählt der Visionär sehr präzise und sorgt somit für den richtigen Cocktail an Botenstoffen im Gehirn seines Publikums. Er trifft mit seiner Wortwahl genau den Nerv des Zielpublikums. In der Sprache der Neurobiologie heißt das, er trifft mitten in das  Belohnungssystem im Limbischen System seiner Zielgruppe. Treffende limbische Adjektive und Verben belohnen sein limbisches Zielpublikum – die „Entdecker“:

„Well, today, we’re introducing three revolutionary products of this class. The first one is a widescreen iPod with touch controls. The second is a revolutionary mobile phone. And the third is a breakthrough internet communications device.”

Der Belohnungssystem schüttet nun ganz besonders viele positive Botenstoffe aus. Die Konsequenz dieser unbewussten limbischen Aktivität hören und sehen wir an den Reaktionen im Publikum: Wir blicken in leuchtende Augen und strahlende Gesichter, wir hören das Publikum entspannt lachen, wir vernehmen tosenden Applaus und staunende und begeisterte Ausrufe.

3 . Geheimnis. Mit sinnlichen Evidenzmittel auch trockene Inhalte beeindruckend verpacken

Erinnern Sie sich an seine Präsentation des neuen MacBook Air[1]? Er redete nicht nur davon, dass es das neue Macbook Air in 11,6 und 13,3 Zoll gibt, dass es 1,06 kg wiegt und es eine Stärke von 1,7 cm hat. Nein. Das wären nur dürre Zahlen, Fakten und unerotische Produktmerkmale. Was Steve Jobs ebenfalls meidet, ist, nun diese trockenen Produktmerkmale mit einem noch trockeneren textlastigen hässlichen Chart aufzuzählen. Er weiß, dass kaum ein Medium sich besser dazu eignet, Aufmerksamkeit zu zerstören, Wirkung zu vernichten und Überzeugungskraft zu verhindern wie Text-Bullet-Charts.

Statt dürre Produktmerkmale mit textlastigen Charts zu präsentieren, macht es Steve Jobs ganz anders. Er macht seine Botschaft sinnlich evident. Er transportiert sie anschaulich und griffig zugleich mit einer genialen rhetorischen Inszenierung. Erst am Ende seines Vortrags – nachdem er eine unglaubliche Spannung aufgebaut hat – zeigt er das ultradünne Notebook. Langsam zieht er es aus einem A4-Briefumschlag und beweist so faszinierend, beindruckend und begeisternd seine Kernbotschaft: „Unser neues Notebook ist ultradünn“.

Als er langsam das MacBook Air aus dem Briefumschlag zog, ging ein Raunen durch den Saal. Mit dem Einsatz eines solchen simplen Evidenzmittels hatte der Visionär alle Zuschauer seinen den Bann gezogen.

4. Geheimnis. Mit dem magischen Rhythmus des Dreierschritts Botschaften einprägen

Der Meister der Redekunst quälte seine Zuhörer nicht mit unendlich lang erscheinenden Aufzählungen. Seine Aussagen gingen aufgrund des optimal durchdachten Satzbaus leicht ins Ohr.

Hinter dem von ihm häufig verwendeten rhetorischen Mittel „Trikolon“ stecken Worte, Sätze und Elemente, welche in Dreiergruppen angeordnet sind. Das wirkt eindringlich und einleuchtend, da die Figur mit der Gedächtnisleistung kompatibel ist. Der Dreierschritt wirkt rhythmisch und melodiös und erzeugt prägnante und griffige Botschaften.

„ (1) In 1984, we introduced (1) the Macintosh. it didn’t just change Apple. It changed the whole computer industry.(2) In 2001, we introduced the first (2) iPod, and it didn’t just change the way we all listen to music, it changed the entire music industry. Well, (3) today, we’re introducing (3) three revolutionary products of this class.”

5. Geheimnis. Mit Steigerungen Aussagen auf die Spitze treiben und Wirkung intensivieren

Doch Steve Jobs beließ es häufig nicht bei einem einfachen Dreierschritt. Dieser allein wirkt bereits positiv auf das Publikum, wird in vielen Fällen jedoch durch Steigerungen (Klimax) verstärkt.

Die Steigerung von Worten, Elementen oder Argumenten treibt die Aussage auf die Spitze, macht Kleines groß oder vernetzt die Zusammenhänge. Antiklimax dagegen „steigert“ vom Großen ins Kleine, führt vom Gesamten ins Detail oder legt den Finger in die Wunde.

Klimax: “It didn’t just change Apple. It changed the whole computer industry.”

6. Geheimnis. Mit Wiederholungen Botschaften einhämmern und nachhaltig verankern

Bei den Präsentationen des Visionärs wurden die Zuhörer nicht mit zahlreichen Informationen überhäuft, von denen sich im Nachhinein nur wenige in der Erinnerung des Publikums wiederfanden.

Stattdessen arbeitete Steve Jobs mit häufigen Wiederholungen der zentralen Passagen oder Schlüsselwörter. Ähnlich wie Steigerungen und Verkleinerungen unterstützen auch Wiederholungen die Aufnahme von Information.

„Today, Apple is going to reinvent the phone, and here it is.”

Im weiteren Verlauf seiner Präsentation hämmert er diesen Slogan durch Wiederholung ein:

„So, we’re gonna reinvent the phone.

We wanna reinvent the phone.

You’ll agree, we have reinvented the phone.

Today Apple is reinventing the phone.”

7. Geheimnis. Mit Parallelismen eingängiger, einprägsamer und verständlicher sprechen

Steve Jobs überforderte sein Publikum nicht mit zahlreichen Informationen während einer Produktvorstellung.

Um die Aufnahme der Informationen möglichst einfach zu gestalten, bediente er sich des so genannten Parallelismus. Er formulierte mehrere Sätze oder Satzglieder grammatikalisch gleich, lediglich mit unterschiedlichem Inhalt. Dadurch benötigt das Gehirn weniger Energie, da dies die Erkennbarkeit des Gedankengangs erleichtert. Die Kernbotschaften werden eingängiger, einprägsamer und verständlicher.

„In 1984, we introduced the Macintosh, it didn’t just change Apple, it changed the whole computer industry.

In 2001, we introduced the first iPods, it didn’t just change the way we all listen to music, it changed the entire music industry.”

8. Geheimnis. Mit Hyperbeln und Häufungen beeindrucken

Wenn der Meister der Redekunst über eine Weltneuheit wie das MacBook Air sprach, dann hielt er sich keineswegs mit Lob über das Produkt zurück.

Vielmehr übertrieb er an zahlreichen Passagen. Sobald man genauer hinhört, fällt einem unmittelbar auf, dass viele seiner Aussagen ein wenig zu weit über das Glaubwürdige hinaus gegriffen sind. Genau diese Formulierungen unterstützen jedoch seine Darstellungen.

„It’s got everything we need (Hyperbel). Multitasking, networking, power management, graphics, security, video, graphics, audio core animation…”(Asyndeton/Häufung)

9. Geheimnis. Mit rhetorischen Fragen beeinflussen und lenken

Während seiner Präsentationen wollte Steve Jobs sein Publikum nicht einfach nur mit Informationen berieseln. Er ermunterte die Menschen im Saal zum Mitdenken.

Durch rhetorische Fragen erreicht der Präsentierende regelmäßig die Zustimmung seines Publikums und kommt einen wichtigen Schritt im Überzeugungsprozess weiter. Durch diese Fragen veranlasst er die Zuhörer, über das Gesagte nachzudenken, und gewinnt somit ihre volle Aufmerksamkeit und Anerkennung.

„An iPod, a phone, and an internet communicator. An iPod, a phone … are you getting it?”

10. Geheimnis. Mit Ironie die Menschen zum Schmunzeln bringen

Steve Jobs wies selbstverständlich nicht auf die Schattenseiten eines neuen Apple Produktes hin. Er nutzte allerdings die Kunst der Ironie, um die Vorzüge beispielsweise des neuen iPhones noch stärker hervorzuheben indem er die plastiklastigen, klobigen Handys der Konkurrenz der Ironie preisgab.

Menschen werden gern während einer Präsentation zum Schmunzeln gebracht.  Dieses rhetorische Stilmittel steigert darüber hinaus die Aufmerksamkeit der Zuhörer und verweist humorvoll auf die negativen Konsequenzen (Hölle), sollte man das Produkt nicht verwenden. Anita Hermann-Ruess ist eine gefragte Expertin zum Thema Präsentieren und Rhetorik. Sie verbindet auf einzigartige Weise die klassische Rhetorik mit Erkenntnissen aus der Neurobiologie.

Steve Jobs war ein moderner Meister der limbischen Verführung und der rhetorischen Stilistik: Er nutze neben Dreierschritte, Asyndeton, Hyperbeln, Ironie natürlich auch Metaphern, Personifikationen, Anaphern, Antithesen, Epiphern,  … Mit den oberen  rhetorischen Prinzipien können Sie nun an Ihren Formulierungen feilen. Ihre Worte sollten danach Durchschlagskraft haben – sie sollten zuspitzen, bis sie durchdringend werden wie Pfeile. Sie sollten bewegen, begeistern, belohnen, bis sie Menschen Ihr Publikum im Innersten berühren. Erinnern wir uns noch einmal an die Worte des Meisters der Zuspitzung Mark Twain: „Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen Wort ist der gleiche wie der zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.“

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